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âPropaganda liegt in der Natur des Missionierensâ WĂ€hrend alte Religionen den digitalen Wandel verschlafen haben, schaffen es andere, Social Media fĂŒr ihre Zwecke zu nutzen. SUMO sprach mit Gert Pickel, Religionssoziologe an der UniversitĂ€t Leipzig, Frederik Elwert, ârelNetâ-Projektkoordinator der Ruhr-UniversitĂ€t Bochum, und Fabian Reicher, Sozialarbeiter der Extremismus-Beratungsstelle in Wien, ĂŒber Religionspropaganda und Extremismus in sozialen Medien. âFacebookâ, âTwitterâ, âInstagramâ⊠â laut âDataReportalâ benĂŒtzte im Juli 2020 jeder zweite Mensch auf der Welt Social Media. Obwohl soziale Medien in den vergangenen Jahren ein zentraler Bestandteil der postmodernen Kultur geworden sind, gibt es immer noch Bereiche, die von der Digitalisierung diesbezĂŒglich nicht erreicht wurden. Ein Beispiel dafĂŒr ist Religion, allen voran die groĂen westlichen Kirchen. Diese zeigen sich nach wie vor zaghaft und weisen noch keine fundierte Social Media-PrĂ€senz auf. âDie klassischen Kirchen tun sich noch etwas schwer. Die groĂen Volkskirchen sind eher wie Tanker und keine Schnellboote, sie bewegen sich sehr langsam. In vielen Gemeinden hĂ€ngt es dann von den einzelnen Pfarrern abâ, erlĂ€utert Religionssoziologe Gert Pickel bildhaft. Es gebe sehr âInstagramâ- und âTwitterâ-affine Pfarrer und bestimmt auch solche, die im Umgang mit Computern absolut nicht firm seien. Laut Pickel arbeite man sich stĂŒckchenweise in den Bereich hinein. Vor allem fĂŒr Mainstream-Kirchen sei Social Media schwer handzuhaben. Dies sei darauf zurĂŒckzufĂŒhren, dass sowohl die KernanhĂ€ngerschaft der Kirchen nicht mehr die jĂŒngste sei und nicht unbedingt sicher betreffs Social Media. Frederik Elwert, Koordinator des Projektes ârelNetâ â âModellierung von Themen und
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Strukturen religiöser Online-Kommunikationâ â sieht das Ă€hnlich: âDie sozialen Medien fungieren nach einer anderen Logik, die nicht mit der Logik vieler Religionsgemeinschaften kompatibel ist. Bei der Frage wie ein Influencer Gehör erhĂ€lt und sich eine Followerschaft aufbaut, muss das nicht der sein, der einen theologischen Grad hat und ein kirchliches Amt bekleidet. Sondern es sind dann vielleicht gerade eben nicht diese Personen.â Obwohl sich die traditionellen Glaubensgemeinschaften mit dem Umstieg in soziale Netzwerke schwertĂ€ten, rĂ€t Pickel dennoch: âMan sollte es auf jeden Fall machen, aber sich auch nicht zu viel davon versprechen. Religionen sind ein sehr soziales GeschĂ€ft, persönlicher Kontakt ist dort sehr zentral.â Es sei eine Möglichkeit Kontakte herzustellen, die man anschlieĂend Face-to-Face vertiefen könne. Laut Pickel liege das Problem dabei, dass Social Media sehr persönlichkeitsorientiert seien. Dies wĂŒrde es zwar erlauben, einzelnen Pfarrern sehr gut zu handeln, erschwere es aber einer riesigen Institution wie einer Kirche. âDa kommt man dann schnell steif, starr oder sogar peinlich rĂŒberâ, fĂŒgt Picke hinzu. Ein Beispiel fĂŒr einen Priester, der einen modernen Umgang mit Social Media pflegt und groĂen Erfolg damit erzielt
âPropaganda liegt in der Natur des Missionierensâ
ist Reverend Christopher Lee von der Church of England. Er ist bekannt fĂŒr BeitrĂ€ge auf âYouTubeâ und âInstagramâ, wo er ĂŒber sein Leben und seinen Glauben spricht. Seit nun ĂŒber fĂŒnf Jahren hat er seinen âInstagramâ-Account und konnte in der Zeit 177.000 AbonnentInnen gewinnen. In einem Interview mit âThe Guardianâ (20.06.2020) erzĂ€hlte er, was er alles teile: âOn Instagram I share all the things I love â sport, my family, God â but I donât do âcut-and-paste churchâ. You wonât find long sermons from meâ. Obwohl man den Zug bisher verpasst habe, seien die Kirchen laut Pickel gerade dabei, sich besser aufzustellen. Ein weiteres positives Beispiel dafĂŒr ist Papst Franziskus selbst. Neben einem âYouTubeâ-Kanal namens âVatican Newsâ ist der Vatikan, insbesondere der Papst selbst, auf âInstagramâ und âTwitterâ aktiv und hat auf beiden Plattformen 7,5 Mio. sowie 18,8 Mio. FollowerInnen. Laut dem Artikel âKirche 2.0 â Religion im Zeitalter von Social Mediaâ von Katrin LĂŒckhoff (âkingkalli.deâ, 03.03.2017) sitze er zwar nicht persönlich am Smartphone und schreibt Tweets, sondern er habe ein Social Media-Team. Er entscheide jedoch ĂŒber den Text und die Bilder, die sein Team ihm vorlege. UntĂ€tig seien beispielsweise die Evangelische Kirche Deutschlands oder die Katholische Kirche zwar nicht, jedoch