SUMO Ausgabe 36

Page 32

© Copyright: adobe stock / pusteflower9024

„Propaganda liegt in der Natur des Missionierens“ WĂ€hrend alte Religionen den digitalen Wandel verschlafen haben, schaffen es andere, Social Media fĂŒr ihre Zwecke zu nutzen. SUMO sprach mit Gert Pickel, Religionssoziologe an der UniversitĂ€t Leipzig, Frederik Elwert, „relNet“-Projektkoordinator der Ruhr-UniversitĂ€t Bochum, und Fabian Reicher, Sozialarbeiter der Extremismus-Beratungsstelle in Wien, ĂŒber Religionspropaganda und Extremismus in sozialen Medien. „Facebook“, „Twitter“, „Instagram“
 – laut „DataReportal“ benĂŒtzte im Juli 2020 jeder zweite Mensch auf der Welt Social Media. Obwohl soziale Medien in den vergangenen Jahren ein zentraler Bestandteil der postmodernen Kultur geworden sind, gibt es immer noch Bereiche, die von der Digitalisierung diesbezĂŒglich nicht erreicht wurden. Ein Beispiel dafĂŒr ist Religion, allen voran die großen westlichen Kirchen. Diese zeigen sich nach wie vor zaghaft und weisen noch keine fundierte Social Media-PrĂ€senz auf. „Die klassischen Kirchen tun sich noch etwas schwer. Die großen Volkskirchen sind eher wie Tanker und keine Schnellboote, sie bewegen sich sehr langsam. In vielen Gemeinden hĂ€ngt es dann von den einzelnen Pfarrern ab“, erlĂ€utert Religionssoziologe Gert Pickel bildhaft. Es gebe sehr „Instagram“- und „Twitter“-affine Pfarrer und bestimmt auch solche, die im Umgang mit Computern absolut nicht firm seien. Laut Pickel arbeite man sich stĂŒckchenweise in den Bereich hinein. Vor allem fĂŒr Mainstream-Kirchen sei Social Media schwer handzuhaben. Dies sei darauf zurĂŒckzufĂŒhren, dass sowohl die KernanhĂ€ngerschaft der Kirchen nicht mehr die jĂŒngste sei und nicht unbedingt sicher betreffs Social Media. Frederik Elwert, Koordinator des Projektes „relNet“ – „Modellierung von Themen und

32

Strukturen religiöser Online-Kommunikation“ – sieht das Ă€hnlich: „Die sozialen Medien fungieren nach einer anderen Logik, die nicht mit der Logik vieler Religionsgemeinschaften kompatibel ist. Bei der Frage wie ein Influencer Gehör erhĂ€lt und sich eine Followerschaft aufbaut, muss das nicht der sein, der einen theologischen Grad hat und ein kirchliches Amt bekleidet. Sondern es sind dann vielleicht gerade eben nicht diese Personen.“ Obwohl sich die traditionellen Glaubensgemeinschaften mit dem Umstieg in soziale Netzwerke schwertĂ€ten, rĂ€t Pickel dennoch: „Man sollte es auf jeden Fall machen, aber sich auch nicht zu viel davon versprechen. Religionen sind ein sehr soziales GeschĂ€ft, persönlicher Kontakt ist dort sehr zentral.“ Es sei eine Möglichkeit Kontakte herzustellen, die man anschließend Face-to-Face vertiefen könne. Laut Pickel liege das Problem dabei, dass Social Media sehr persönlichkeitsorientiert seien. Dies wĂŒrde es zwar erlauben, einzelnen Pfarrern sehr gut zu handeln, erschwere es aber einer riesigen Institution wie einer Kirche. „Da kommt man dann schnell steif, starr oder sogar peinlich rĂŒber“, fĂŒgt Picke hinzu. Ein Beispiel fĂŒr einen Priester, der einen modernen Umgang mit Social Media pflegt und großen Erfolg damit erzielt

„Propaganda liegt in der Natur des Missionierens“

ist Reverend Christopher Lee von der Church of England. Er ist bekannt fĂŒr BeitrĂ€ge auf „YouTube“ und „Instagram“, wo er ĂŒber sein Leben und seinen Glauben spricht. Seit nun ĂŒber fĂŒnf Jahren hat er seinen „Instagram“-Account und konnte in der Zeit 177.000 AbonnentInnen gewinnen. In einem Interview mit „The Guardian“ (20.06.2020) erzĂ€hlte er, was er alles teile: „On Instagram I share all the things I love – sport, my family, God – but I don’t do ‘cut-and-paste church’. You won’t find long sermons from me”. Obwohl man den Zug bisher verpasst habe, seien die Kirchen laut Pickel gerade dabei, sich besser aufzustellen. Ein weiteres positives Beispiel dafĂŒr ist Papst Franziskus selbst. Neben einem „YouTube“-Kanal namens „Vatican News“ ist der Vatikan, insbesondere der Papst selbst, auf „Instagram“ und „Twitter“ aktiv und hat auf beiden Plattformen 7,5 Mio. sowie 18,8 Mio. FollowerInnen. Laut dem Artikel „Kirche 2.0 – Religion im Zeitalter von Social Media“ von Katrin LĂŒckhoff („kingkalli.de“, 03.03.2017) sitze er zwar nicht persönlich am Smartphone und schreibt Tweets, sondern er habe ein Social Media-Team. Er entscheide jedoch ĂŒber den Text und die Bilder, die sein Team ihm vorlege. UntĂ€tig seien beispielsweise die Evangelische Kirche Deutschlands oder die Katholische Kirche zwar nicht, jedoch


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook

Articles inside

Kaufen oder nicht kaufen? - Testmagazine verraten es uns von Manuela Schiller

3min
pages 70-71

GIS Pfui, Pay TV/Streaming Hui?! von Julia Gstettner

6min
pages 72-76

Man nehme einen Goldesel... oder etwa nicht? EuropÀische Filmfinanzierung von Simone Poik

7min
pages 66-69

Die Facetten der Angstlust von Viktoria Strobl

6min
pages 62-65

Der Traum der europÀischen DatensouverÀnitÀt von Matthias Schnabel

6min
pages 55-57

Steckt der österreichische Film in der Krise? von Raphaela Hotarek

10min
pages 58-61

Wird nur noch bildlich gesprochen oder ist da doch zu viel Druck? von Annika Schnuntermann

8min
pages 52-54

Close up (or down), Cinema?! von Julia Gstettner

6min
pages 50-51

Auf der Flucht vor der Krise von Christian KrĂŒckel

5min
pages 35-37

Journalismus heute: Alles geklaut und gelogen? von Matthias Schnabel

7min
pages 43-45

Zwischen Liebe und Hass - Das GeschÀft mit der PrivatsphÀre der Stars von Michael Geltner

6min
pages 46-49

Modern Loneliness: Zwischen Likes und Einsamkeit von Lisa Schinagl

6min
pages 38-39

Filmregulierung: Zum Wohle der Kinder? von Simone Poik

7min
pages 40-42

Propaganda liegt in der Natur des Missionierens“ von Alexander Schuster

10min
pages 32-34

Keine Zukunft fĂŒr Musikmedien? von David Pokes

7min
pages 29-31

Jobunsicherheit: „Goldene Ära des Journalismus ist vorbei“ von Christiane FĂŒrst

11min
pages 20-23

Auf der Suche nach SchnĂ€ppchen ĂŒber Vergleichsportale von Laura Sophie Maihoffer

5min
pages 27-28

Satire als Gegenmittel in Krisen von Christian KrĂŒckel

4min
pages 24-26

Wenn es wirklich wichtig ist: lieber digital? von Lukas Pleyer

9min
pages 5-7

Krisen im Schattendasein der Medien von Karin Pargfrieder

8min
pages 15-17

Reporter ohne Grenzen“ - oder doch mit? von Kristina Petryshche

5min
pages 18-19

Das wirtschaftliche Standing professioneller Fotografie von Ida Stabauer

6min
pages 12-14

Umweltkrisenberichterstattung - ĂŒberbewertet oder Zukunft? von Julia Allinger

8min
pages 8-11
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
SUMO Ausgabe 36 by FH St. Pölten - Issuu