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Krisen im Schattendasein der Medien Im gröĂten FlĂŒchtlingslager der Welt Kutupalong sitzen 860.000 Rohingya-FlĂŒchtlinge in Bangladesch fest (Stand 23.10.2020, UNHCR). Seit Jahren bombardiert Saudi-Arabien jemenitische Schulen und KrankenhĂ€user, wĂ€hrend die jemenitische Regierung im Exil sitzt. Warum werden diese Krisen in den Massenmedien kaum behandelt und welche Folgen ergeben sich daraus? SUMO versucht Licht auf diesen unbeachteten Schatten zu werfen und sprach dazu mit Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger und âSĂŒdwindâ-Chefredakteur Richard Solder. Es ist stockfinster. Durch den Stromausfall erhoffen sich Behörden ein Ende der Proteste gegen die Regierung. Plötzlich beginnen Menschen in die HĂ€nde zu klatschen. Junge Menschen schaffen mit ihren Mobiltelefonen das einzige Licht im Vorort Khartums, der Hauptstadt des Sudans. In ihrer Mitte rezitiert und improvisiert ein junger Mann Protestgedichte, wĂ€hrend er von den Mobiltelefonen beleuchtet wird. Yasuyoshi Chiba, ein japanischer âAgence France Pressâ-Fotograf, hĂ€lt diesen Moment des friedlichen Protests mit seiner Kamera fest. 16 Monate spĂ€ter hĂ€ngt dieser Moment als âWorld Pressâ-Siegerfoto im âWestlicht-Museumâ in Wien. Die KĂŒhlanlage lĂ€uft im Hintergrund des offenen Ausstellungsraumes, in dem BesucherInnen fast andĂ€chtig von Bild zu Bild schlendern und angeregt ĂŒber die dargestellten Situationen flĂŒstern. Die TicketverkĂ€uferinnen kichern und unterhalten sich, was beinahe zu einer willkommenen Entspannung der tiefgrĂŒndigen AtmosphĂ€re im Raum fĂŒhrt. Auch Andrea ist mit ihrer Freundin hier. Sie hat den letzten Tag vor dem zweiten Lockdown genutzt, um die âWorld Press Photoâ-Ausstellung zu besuchen. âIch mache eigentlich alles immer am letzten DrĂŒcker. Ich bin hier, um mir bewusst zu machen, was in der Welt sonst noch so passiert.â Ăber die Unruhen im Sudan, auf die der Fotograf mit seinem Bild aufmerksam machen wollte, habe sie noch nie etwas gehört. âVielleicht lag es auch an Corona? Vielleicht sind wir dadurch einfach stumpf geworden gegenĂŒber anderen Krisen?â
Massenmedien am Beispiel vom Sudan nicht langfristig erreicht. Er ist schnell weitergezogen. Die Anzahl der APAPressemeldungen zeigt ein Bild des Vergessenwerdens einer Krise, die laut Thomas Schmidinger (u.a. Univ. Wien) nach dem Juni 2019 noch lange nicht vorbei gewesen sei. Dabei zeigen die Daten im Diagramm nicht nur Meldungen ĂŒber Proteste oder Krisenthemen des nordostafrikanischen Landes, sondern sĂ€mtliche APA-Basisdienst-Meldungen, die den Suchbegriff âSUDANâ enthalten. Im Dezember 2018 beginnen Proteste gegen die sudanesische Regierung (1). Als im April 2019 der PrĂ€sident Al-Bashir nach 30 Jahren an der Macht vom MilitĂ€r gestĂŒrzt wird (2) und 100 der friedlichen DemonstrantInnen getötet werden (3), ist das Medienecho groĂ. Doch die Krise sei laut Schmidinger noch lange nicht vorbei. Seit September 2019 ist eine Ăbergangsregierung aus Regime, Oppositionsparteien und MilitĂ€rregime an der Macht (4). Zen-
trale Ereignisse seien auch die Friedensverhandlungen mit verschiedenen Guerillabewegungen (5) im FrĂŒhjahr 2020 gewesen. AuĂerdem ist der Sudan stark von Corona betroffen (6) und seit Nilfluten (7) im September 2020 sind zehntausende Menschen obdachlos. Dazu fliehen seit November 2020 zehntausende Menschen aus dem Norden Ăthiopiens vor dem BĂŒrgerkrieg in Tigray in den Sudan (8), wo die humanitĂ€re Situation bereits mehr als angespannt ist. Obwohl zentrale Ereignisse nach dem Sommer 2019 passierten, war die Resonanz in den Medien verschwindend gering. So nah und doch so fern In der Nachrichtenwerttheorie werden verschiedenen Faktoren definiert, die den Wert und darĂŒber hinaus die âWichtigkeitâ der Nachricht bestimmen. Der Nachrichtenfaktor âNĂ€heâ bezieht sich auf die rĂ€umliche, politische und kulturelle NĂ€he der RezipientInnen zu einer Nachricht. Wenn der Inhalt nah
Schauplatz Sudan Der Berichterstattungsvirus hat die
Krisen im Schattendasein der Thema Medien
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