Praxiszeitschrift fĂŒr BNE 1-2021 | Gender – Gleichstellung

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2021

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Interview Simone Marti | Dozentin am Institut Vorschulstufe und Primarstufe der PHBern | CLAUDIO DULIO

Schule soll Geschlechtergerechtigkeit fördern Die Schule spielt eine massgebliche Rolle, um geschlechtsbezogene Ungleichheiten zu verringern. Entscheidend fĂŒr eine geschlechterreflektierte Bildung ist: Geschlecht manchmal bewusst betonen oder aber gerade nicht in den Fokus nehmen. Lohnunterschiede, Karrierechancen, Kindererziehung, Berufswahl, politische Vertretung: In unserer Gesellschaft gibt es weiterhin geschlechtsbezogene Ungleichheiten. Spielt die Schule fĂŒr die herrschenden GeschlechterverhĂ€ltnisse eine Rolle? Ja. Und wie. Schule ist eine Sozialisationsmaschine fĂŒr die Gesellschaft. Umgekehrt ist Schule auch geprĂ€gt von der Gesellschaft. Was die Bildungsinstitutionen als wichtig ansehen den SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern zu vermitteln, das ist nicht unabhĂ€ngig von der Gesellschaft, sondern geprĂ€gt von gesellschaftlichen Strukturen. Schule nimmt eine weitere gesellschaftliche Funktion wahr: Sie passt die heranwachsende Generation in herrschende Normen und Werte ein und ist somit eine mĂ€chtige Verteilungsinstanz fĂŒr soziale und berufliche Positionen. Denn sie legitimiert die herrschende gesellschaftliche Ordnung und reproduziert dabei die Ungleichheiten, die in der Frage aufgeworfen wurden. Welche Folgen hat dies fĂŒr SchĂŒlerinnen und SchĂŒler? Wichtig ist, dass Gesellschaft wie auch Schule ungleich erlebt werden und ungleich auf SchĂŒlerinnen und SchĂŒler wirken.

Erstens sind alle SchĂŒlerinnen und SchĂŒler in ihren Interessen und Eigenarten verschieden. Zweitens ist Schule in vieler Hinsicht nicht gerecht. So orientiert sie sich zum Beispiel an Werten und Normen der Mittelschicht. Zudem haben SchĂŒlerinnen und SchĂŒler ungleiche Positionen in der Gesellschaft. Je nach sozialer Schicht, nach Wohnort in der Welt, nach Geschlecht, Ethnie, Migrationserfahrung oder Ausweiskategorie ist Schule auch heute noch fĂŒr die einen ein Ort der Chancen, fĂŒr andere aber oft auch ein Ort, wo sie das GefĂŒhl haben, irgendwie nicht hineinzupassen, und wenig Anerkennung erleben. Ist es ĂŒberhaupt Aufgabe der Schule, mehr Geschlechtergerechtigkeit anzustreben? Ja. Denn Ungerechtigkeit tut weh. Ungerechtigkeiten aufgrund von Geschlechtszugehörigkeiten oder starren Geschlechterstereotypisierungen verhindern das eigene Gestalten der Lebenswelt, verletzen und mindern die Chancen, TrĂ€ume zu erreichen. Strukturelle Ungleichheiten sind oft mit Gewalt und EinschrĂ€nkungen verbunden. Kommen Kinder bereits mit gefestigten Geschlechterbildern in die Schule? SchĂŒlerinnen und SchĂŒler sind nicht losgelöst von Gesellschaft. Sie wachsen in der aktuellen Geschlechterordnung auf und geben diese auch wieder. Es ist eklatant seltener, dass Buben Einhörner sein wollen und ein MĂ€dchen den ganzen Tag Baggerfahrerin spielt. Obwohl – und das zeigt, dass Geschlecht auch sozial

Gender und Gleichstellung

ventuno BNE fĂŒr die Schulpraxis


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