Rudolf Steiner - Die Geisteswissenschaft und die geistige Welt, Ausblicke in die Ziele unserer Zeit

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Rudolf Steiner

Die Geisteswissenschaft und die geistige Welt, Ausblicke in die Ziele unserer Zeit Leipzig, 3. Januar 1914 Öffentlicher Vortrag

Sehr verehrte Anwesende, nachdem ich in den verflossenen Jahren wiederholt über verschiedene einzelne Gebiete der Geisteswissenschaft auch in dieser Stadt habe sprechen dürfen, gestatten Sie, dass ich am heutigen Abend einiges [prinzipiell / Prinzipielle,] Grundlegende aus dem Gebiet der Geisteswissenschaft vor Ihnen vorbringe, um dann in dem morgigen Vortrag einige von den Konsequenzen und Gütern der Geisteswissenschaft für das praktische und für das Seelenleben darzustellen. Geisteswissenschaft, wie sie hier gemeint ist, ist ja in unserer Gegenwart durchaus nicht etwas, wovon man sagen kann, es sei in weiteren Kreisen irgendwie beliebt oder gar anerkannt. Im Gegenteil, von den verschiedensten Seiten und Gesichtspunkten aus wird man immer wieder und wiederum hören müssen die mannigfaltigsten Ein1

wände der Gegnerschaft gegen diese Geisteswissenschaft. Man wird vorbereitet sein müssen, wo man sie zur Geltung bringen will, auf die allerverschiedensten Missverständnisse, die ihr entgegengebracht werden. Wie schon früher möchte ich auch bei dieser Gelegenheit gleich einleitungsweise wieder betonen, dass es demjenigen, der auf dem Boden dieser Geisteswissenschaft steht, nicht nur als nichts Überraschendes, sondern als etwas ganz Natürliches erscheint, dass die Gesichtspunkte, von denen hier ausgegangen wird, Gegner finden und Missverständnissen ausgesetzt sind. Ja, gerade derjenige, der auf diesem Boden steht, der wird sich ganz klar darüber sein, dass nach den Denk- und Vorstellungsgewohnheiten der gegenwärtigen Zeit, nach den allgemeinen, man könnte sagen allgemein anerkannten oder geglaubten Zielen unserer Gegenwart, vorläufig diese Geisteswissenschaft noch Gegner finden muss. Geht es ihr ja in dieser Beziehung nicht viel anders als demjenigen, dessen Fortsetzung für unsere Gegenwart sie sein will. So sonderbar es manchem erscheinen kann, so muss doch gesagt werden, dass diese Geisteswissenschaft ist oder wenigstens sein will die Fortsetzung desjenigen, was mit Bezug auf die Natur durch die neuere Naturwissenschaft im Beginn, in der Morgenröte des neuzeitlichen Geisteslebens heraufgekommen ist. Wie man dazumal mit Hinwegheben über die traditionellen Anschauungen, über Hergebrachtes, unmittelbar auf die Natur selbst gegangen ist, so will Geisteswissenschaft in unserer Zeit auf die Welt des Geistigen, auf die Vorgänge des Geistigen unmittelbar gehen. Und man kann sagen: Nichts ist un2


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