Deutsche Oper Berlin: IL TRITTICO

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Il trittico Giacomo Puccini

Il trittico

Il tabarro (Der Mantel)

Oper in einem Akt

Text von Giuseppe Adami

nach dem Schauspiel „La Houppelande“ (1910) von Didier Gold

Suor Angelica (Schwester Angelica)

Oper in einem Akt

Text von Giovacchino Forzano

Gianni Schicchi

Oper in einem Akt

Text von Giovacchino Forzano

UrauffĂŒhrung am 14. Dezember 1918 an der Metropolitan Opera New York

Giacomo Puccini [1858 – 1924]

Handlung

Il tabarro (Der Mantel)

Nach dem Tod ihres Kindes vor einem Jahr haben sich Giorgetta und Michele voneinander entfremdet. Sie leben zwar noch gemeinsam auf Micheles Lastkahn, doch Giorgetta sucht ihr GlĂŒck woanders: Sie hat sich in Luigi verliebt, einen der Arbeiter von Michele. Nach der Arbeit trinkt und tanzt man zusammen. Frugola, die Frau des Arbeiters Talpa, kommt, um ihren Mann abzuholen. Die beiden trĂ€umen von einem HĂ€uschen auf dem Land. Giorgetta und Luigi hingegen sehnen sich nach dem Leben in der Stadt und verabreden sich zu einem heimlichen Treffen in der Nacht. Michele ahnt, dass seine Frau ihn betrĂŒgt. Er ertappt Luigi auf dem Weg zu Giorgetta und tötet ihn in rasender Eifersucht.

Suor Angelica (Schwester Angelica)

Wegen eines unehelichen Kindes musste Angelica vor sieben Jahren in ein Kloster eintreten. Seither lebt sie abgeschieden von der Welt in der Frauengemeinschaft. Von ihrem Kind hat sie nichts mehr gehört. Unterschiedliche BrĂ€uche, Regeln und Riten bestimmen den Alltag der Frauen. Da wird ein Besuch angekĂŒndigt: Es ist Angelicas Tante, die FĂŒrstin. Sie verwaltet an Stelle von Angelicas schon lange verstorbenen Eltern das Vermögen der Familie. Sie berichtet, dass Angelicas Schwester heiraten möchte. Zu ihren Gunsten soll Angelica nun auf das Erbe verzichten. Als Angelica nach ihrem Kind fragt, erklĂ€rt die FĂŒrstin, dass es schon vor lĂ€ngerer Zeit an einer Krankheit gestorben sei. Angelica bricht zusammen. Sie beschließt, ihr Leben zu beenden.

Gianni Schicchi

Der reiche Buoso Donati ist gestorben. Die Verwandtschaft hat sich versammelt. Man heuchelt Trauer und ist vor allem am Testament des Toten interessiert. Als dieses endlich gefunden und geöffnet ist, sitzt der Schock tief: Buoso Donati hat sein gesamtes Vermögen einem Kloster vermacht. Die Verwandten können das nicht akzeptieren und suchen nach einer Lösung. In dieser Situation könne nur einer

helfen, erklĂ€rt der junge Rinuccio: Gianni Schicchi. Die Verwandtschaft hegt eine große Abneigung gegen die neu zugezogene Familie Schicchi. Rinuccio jedoch hat sich in Gianni Schicchis Tochter Lauretta verliebt und möchte sie heiraten, was auf Ablehnung innerhalb seiner Verwandtschaft stĂ¶ĂŸt. Rinuccio lĂ€sst Gianni Schicchi holen und der entwickelt trotz der offensiven gegenseitigen Abneigung der Familien tatsĂ€chlich einen Plan: Da noch niemand vom Tod Buoso Donatis erfahren hat, will Gianni Schicchi in der Rolle des sterbenden Donati ein neues Testament diktieren. Die Verwandtschaft preist Schicchi als Retter in der Not und der Plan wird ausgefĂŒhrt: Der Notar kommt und Gianni Schicchi verfasst als Donati ein neues Testament – entgegen der Absprachen vermacht er den wertvollsten und begehrtesten Teil der Erbes jedoch nicht der Familie, sondern sich selbst: Gianni Schicchi.

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Wie schwer doch, glĂŒcklich

ist es zu sein!

IL TABARRO
Giorgetta,

Passionen des (Allzu­)Menschlichen in Puccinis TRITTICO Anselm

Opern mit nur einem Akt waren angesagt an der vorletzten Jahrhundertwende. Mascagnis CAVALLERIA RUSTICANA (1890) und SALOME von Richard Strauss (1905) gehören bis heute zu den Grundpfeilern des Opern­ Repertoires. Doch wĂ€ren auch StĂŒcke in anderen Sprachen zu nennen: Tschaikowskis IOLANTA (1892), Ravels L’HEURE ESPAGNOLE (1911), de Fallas EL RETABLO DEL MAESE PEDRO (1923), auch schon Puccinis Erstling LE VILLI aus dem Jahre 1884.

Drei Jahrzehnte spĂ€ter kam Puccini auf die Idee von Kurzopern zurĂŒck. Wenn man so will, ist der Einakter ein Pendant zur „short story“, die seit den 1820er Jahren dem ausgewachsenen Roman Konkurrenz machte – wenn auch zunĂ€chst vor allem in den USA. In Deutschland sollte die Kurzgeschichte erst nach 1945 zu voller Geltung gelangen, in Italien dagegen schon in den 1880er Jahren – etwa mit Vergas ErzĂ€hlung „Cavalleria rusticana“, die Mascagnis Oper zugrunde liegt. Die Generation Puccinis war offenbar nicht nur des monumentalen Romans, sondern auch der Oper im Großformat mit bis zu vier Stunden reiner Spielzeit ĂŒberdrĂŒssig geworden.

Im September 1904 hatte Puccini drei Kurzgeschichten Maxim Gorkis ausgewĂ€hlt, um in drei Einaktern drei gegensĂ€tzliche Farben bĂŒndeln zu können – sicher auch, um die Koppelung eigener Partituren mit denen anderer Komponisten unmöglich zu machen. Doch verfolgte der Komponist diesen Plan zunĂ€chst nicht weiter. Von 1907 bis 1910 widmete er sich LA FANCIULLA DEL WEST fĂŒr New York. Eher zufĂ€llig, anlĂ€sslich eines Theaterbesuchs im Mai 1912 begeisterte er sich von Neuem an der Idee, drei Einakter zusammenzuspannen. Im Pariser Théùtre Marigny hatte er einen Einakter um Ehebruch und Mord gesehen: LA HOUPPELANDE , wobei das seltene Wort einen weiten Übermantel bezeichnet. Den 1874 geborenen Autor Didier Gold kennt heute niemand mehr. Doch der Schauspieler in der Rolle des mordenden Ehemanns gehörte damals zu den Stars am Pariser TheaterHimmel: Édouard de Max. Der aus RumĂ€nien stammende Dandy trat wiederholt als Partner der legendĂ€ren Sarah Bernhardt auf, so 1908 als Scarpia bei einer Wiederaufnahme von Sardous LA TOSCA , der Vorlage von Puccinis Oper.

Offensichtlich hatte Puccini ein Faible fĂŒr die – aus heutiger Perspektive manierierte – Schauspielkunst einer Bernhardt oder eines Max. Auch ihm ging es um grelle Farben. Im Februar 1913 war eine Oper nach Golds Vorlage beschlossene Sache. Das Libretto wurde von dem jungen Dramatiker Giuseppe Adami, dem spĂ€teren

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Detail aus dem GemĂ€lde „Der Garten der LĂŒste“ von Hieronymus Bosch

Librettisten von LA RONDINE und TURANDOT, eingerichtet: „Es ist ganz und gar ein Sujet aus dem Lumpenproletariat [
]. Aber das spielt keine Rolle. Es gefĂ€llt mir und es scheint mir sehr von großer Wirkung. Doch diesem roten Fleck muss man einen Kontrast gegenĂŒberstellen.“

„Alles fließt“

Doch was hatte Puccini an diesem Milieu­ Drama gefallen? Möglicherweise die fatalistische Grundstimmung, also genau das, was (nicht nur) ihn an der neueren russischen Literatur fasziniert hatte. Dieser Fatalismus findet in IL TABARRO seinen theatralen Ausdruck im immer gleichen Fließen des Flusses, der Seine im SĂŒdosten von Paris. So beginnt die Oper im Abendrot mit einem „Andante moderato calmo“. WĂ€hrend der ganzen ersten Szene herrscht – fĂŒr mehr als vier Minuten – ein ruhig wiegender (und gleichzeitig durch Staccato­Achtel nervös aufgerauter) 9/8 ­Takt vor, der seine AbhĂ€ngigkeit von der Tradition der Barkarole (und vom Beginn von Wagners RHEINGOLD) nicht verleugnet. Doch Puccinis Wiegen und Wogen eignet etwas Dumpfes, in seinen harmonischen Windungen Zielloses – besonders deutlich bei der zweimaligen Wiederkehr dieses Orchestergewebes im weiteren Verlauf der Eifersuchtstragödie, die auf dem Deck eines Frachtkahns spielt.

WĂ€re der Begriff nicht so negativ besetzt, könnte man von Monotonie sprechen, im Sinne einer klanglichen Umsetzung von Heraklits „Panta rhei“, „Alles fließt“. Doch war Puccini Dramatiker genug, um die dumpfe Grundstimmung mit grellen Farbtupfern aufzulockern. In seinem Orchester kreischt auch eine Sirene (wie spĂ€ter bei Edgar VarĂšse) und eine Autohupe, wĂ€hrend die aus der Stadt herĂŒberklingenden Kirchenglocken im damaligen Musiktheater lĂ€ngst heimisch geworden waren – ein Beispiel wĂ€re wieder Mascagnis CAVALLERIA RUSTICANA .

Das am Horizont sich abzeichnende Paris scheint zum Greifen nah und bleibt doch unerreichbar fĂŒr die im Elend lebenden Protagonisten. Giorgetta fasst dies in die Worte „Son nata nel sobborgo, e solo l’aria di Parigi m’esalta e mi nutrisce!“ („Ich bin in der Vorstadt geboren, und nur die Pariser Luft begeistert und nĂ€hrt mich!“) – fast wörtlich aus Golds lapidar als „piĂšce“ bezeichnetem „StĂŒck“ ĂŒbersetzt. Dieses Paris ist dasjenige der BohĂšme, also einer anderen Gruppe am Rand der Gesellschaft: Wenn der LiederverkĂ€ufer auf der Kaimauer sein Lied vom Leben und Sterben fĂŒr die Liebe anpreist, kommentiert das Orchester den Hinweis, dies sei „die Geschichte von Mimì“, mit der Melodie „Mi chiamano Mimì“ aus Puccinis LA BOHÈME (1896).

Auch an anderen Stellen finden sich doppelbödige Verweise auf eigene Lebenserfahrungen des Komponisten – etwa wenn den (laut Libretto 50jĂ€hrigen, bei Gold sogar 55jĂ€hrigen) Michele der Zweifel umtreibt, „seine grauen Haare“ seien „eine Beleidigung“ fĂŒr die strahlende Jugend seiner erst 25 Jahre alten Frau (Puccini hatte die Partitur in seinem 57. Lebensjahr begonnen, als er vernehmbar mit dem eigenen Altern haderte). Sogar das von Puccini geliebte Rauchen ist bedeutungsvoll. Ein aufflammendes Streichholz beleuchtet die Szene, in der sich Michele als Betrogener erkennt. Micheles Pfeife wurde aber auch Grundlage einer (in Golds „piĂšce“ fehlenden) obszönen Anspielung: Gleich zu Beginn hĂ€lt Giorgetta fest, aus ihr „paffe kein weißer Rauch mehr“. Dabei ist die Partitur trotz aller Monotonie prall gefĂŒllt mit kompositorischer Energie – zum Beispiel im dissonant verfremdeten

Walzer (bei den Worten „Ballo con la padrona!“), wie man ihn eher in einer Partitur Strawinskys erwarten wĂŒrde, in den allgegenwĂ€rtigen Sekundreibungen oder in den marionettenhaften Bewegungen der alten Lumpensammlerin Frugola.

Bis dahin hatte Puccini keine Partitur geschrieben, die so radikal auf musikalische Einheit und grĂ¶ĂŸtmögliche Konzentration fokussiert. Angesichts der Gewaltbereitschaft eines Michele gibt es keinen Ausweg aus dem Lastkahn, der sich (nicht nur) fĂŒr Giorgetta als GefĂ€ngnis erweist. Das blutige Ende bestĂ€tigt ihre – in tiefer Lage gemurmelten – Worte „Come Ăš difficile esser felici“ („Wie schwierig ist es doch, glĂŒcklich zu sein“).

Dissozation

So leicht Puccini die Entscheidung fĂŒr ein Sozialdrama aus der „Gosse“ gefallen war, so schwer tat er sich mit der Auswahl geeigneter Stoffe fĂŒr die beiden anderen Einakter. In seinen Briefen ist – nach frĂŒheren Überlegungen zu Gorki und Alphonse Daudet, dem Autor der von Bizet und Cilea vertonten L’ARLÉSIENNE –die Rede von Gabriele d’Annunzio, also dem Hauptvertreter des italienischen „decadentismo“, aber auch von zwei französischen Gegenwartsautoren wie Tristan Bernard und Anatole France (der seinerseits auf eine Idee des RenaissanceSchriftstellers Rabelais zurĂŒckgegriffen hatte), ĂŒberdies vom wenig erfolgreichen, damals erst 40jĂ€hrigen toskanischen Dramatiker Valentino Soldani. IL TABARRO bedurfte in Puccinis Sicht potenter GegensĂ€tze. In dem bereits zitierten Brief vom 9. Februar 1913 lesen wir weiter: „Doch diesem roten Fleck muss man einen Kontrast gegenĂŒberstellen. Und genau das suche ich: etwas Erhebendes, mit dem man behaglich Musik machen kann, die fliegt.“

Auf die dumpfe Monotonie eines Eifersuchtsdramas sollte also etwas „Erhebendes“ folgen. Eine Lösung fand sich erst, als der Komponist 1916 mit Giovacchino Forzano ins GesprĂ€ch kam: einem ebenso charismatischen wie selbstbewussten Theater­ und Filmemacher, der sich nach Puccinis Tod als entscheidender Akteur der faschistischen Kulturpolitik profilieren sollte. Die Freundschaft mit Mussolini sollte dessen erfolgreicher Karriere selbst nach 1945 keinen Abbruch tun. Noch 1954 legte er ein Buch ĂŒber „Mussolini autore drammatico“ vor, als sei nichts gewesen. Forzano schlug Puccini also zunĂ€chst ein mysterienhaftes StĂŒck vor, SUOR ANGELICA . Und etwas spĂ€ter den Plan, aus wenigen Versen in Dantes „göttlicher Komödie“ mit Hilfe eines anonymen Kommentars aus dem 14. Jahrhundert eine pralle Komödie um GIANNI SCHICCHI zu entwickeln.

Puccini akzeptierte die beiden TextbĂŒcher Forzanos ohne all die Wenns, Abers und stĂ€ndigen ÄnderungswĂŒnsche, mit denen er sich und den Librettisten bei seinen anderen Opern die Arbeit schwer gemacht hatte – wohl auch, weil es weder fĂŒr das eine noch fĂŒr das andere eine literarische Vorlage gab, an dem er das Libretto hĂ€tte messen können. Die verwegene Idee, den Mikrokosmos menschlicher Passionen in drei Schnitte aufzuspalten, bedurfte ‚nur ‘ noch der Komposition dieser beiden Einakter.

Dabei ist Puccinis Zugriff auf das Genre der Kurzoper – im Gegensatz zu seinem Erstling LE VILLI oder Mascagnis CAVALLERIA RUSTICANA – bis ins kleinste Detail von einer desillusionierten Moderne geprĂ€gt. Alle drei StĂŒcke prĂ€gen eine

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)Menschlichen
Passionen des (Allzu

anti ­heroische Perspektive aus. Arien im eigentlichen Sinne gibt es nicht mehr. PrĂ€gnante Soli sind Nebenfiguren zugewiesen wie in GIANNI SCHICCHI dem jungen Liebespaar mit Rinuccios Hymne auf Florenz („Firenze Ăš come un albero fiorito“) – in der ĂŒberdies Giorgettas Sehnsucht nach „Pariser Luft“ nachhallt – und Laurettas einschmeichelndem „O mio babbino caro“. So wie sich im modernen Drama zunehmend eine Dissoziation des Ichs manifestiert, wird hier die Palette widerstreitender Emotionen in verschiedene Dramen dissoziiert. Erst zusammen fĂŒgen sie sich zu einem neuen Ganzen.

Genau diese Dissoziation bedingt scharfe Fokussierungen in jedem der drei EinzelstĂŒcke. So folgt auf den kaltblĂŒtigen Mord eines betrogenen Ehemanns mit SUOR ANGELICA ein StĂŒck nur fĂŒr Frauenstimmen (erst am Schlusschor sind – hinter der BĂŒhne – MĂ€nnerstimmen beteiligt). Zudem treiben uns Forzano und Puccini mit einem Parforce ­ Ritt durch die Jahrhunderte: Das Libretto des TABARRO benennt keine Handlungszeit, meint aber offensichtlich (wie Golds Vorlage) die Gegenwart, SUOR ANGELICA spielt am Ende des 17., GIANNI SCHICCHI am Ende des 13. Jahrhunderts.

Gemeinsamkeiten der drei StĂŒcke sind auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Oft ist zu lesen, in allen drei Einaktern ginge es um den Tod, aber fĂŒr welche tragische Oper wĂŒrde das nicht gelten? Erst ein Blick auf die dramaturgische Funktion des Tods macht aus dem Gemeinplatz eine triftige Beobachtung: In allen drei Einaktern ist ein Mensch vor dem Beginn der Handlung gestorben und jedes Mal lösen diese TodesfĂ€lle die Dynamik der unvermittelt einsetzenden Dramen aus. Am offensichtlichsten in GIANNI SCHICCHI , wenn im BĂŒhnenhintergrund das Totenbett des gerade verstorbenen Buoso Donati zu sehen ist. Nicht ganz so offensichtlich in SUOR ANGELICA : Der uneheliche Sohn der Titelfigur ist fĂŒnfjĂ€hrig gestorben, ohne dass sie ihn nach der Geburt je wieder gesehen oder von seinem Tod erfahren hĂ€tte. Weniger prominent scheint in IL TABARRO die Erinnerung an den Tod von Micheles und Giorgettas Sohn im SĂ€uglingsalter auf: offensichtlich der Auslöser fĂŒr deren Ehekrise.

Erstarrung

Suor Angelica ist das, was man in Zeiten repressiver Sexualmoral als „gefallenes MĂ€dchen“ bezeichnen zu mĂŒssen meinte. Im Konvent soll die junge Mutter dafĂŒr bĂŒĂŸen, dass sie ein – nirgends erwĂ€hnter – Mann geschwĂ€ngert hat. Mehr noch als der Lastkahn fĂŒr Michele und Giorgetta ist das Kloster fĂŒr sie GefĂ€ngnis, die Klausur Strafe, ja: Rache fĂŒr ihren ‚Fehltritt‘. Schlimmer noch: Seit sieben Jahren hat niemand sie besucht. Ihre Eltern sind schon seit 20 Jahren tot, keiner sagt ihr, was aus ihrem Kind geworden ist. Erst in der Konfrontation mit der „Zia principessa“, der Tante im Rang einer FĂŒrstin erfĂ€hrt sie, dass es vor zwei Jahren gestorben ist.

Doch ist die sadistische Vertreterin der Eltern nicht etwa ins Kloster gekommen, um ihr das zu mitzuteilen. Es geht um den Ehevertrag fĂŒr die jĂŒngere Schwester Angelicas. Die Tante will ihr den Verzicht auf ihr Erbteil abringen – ein von Forzano maliziös disponierter Vorgriff auf das entscheidende Motiv von GIANNI SCHICCHI . Ihm entspricht im BĂŒhnenbild die Anweisung, dass sich im Hintergrund der Friedhof des Klosters abzeichnet, dort, wo dann im dritten Einakter das Totenbett des reichen Erblassers zu sehen sein wird.

„Das jĂŒngste Gericht“ (Fragment der Hölle), GemĂ€lde von Hieronymus Bosch

Im Gegensatz zu IL TABARRO ist in SUOR ANGELICA nichts im Fluss. Vielmehr steht die Zeit still – und wird gleichzeitig mit dem geschĂ€ftigen Treiben der Klosterfrauen gefĂŒllt. Wenn diese resigniert feststellen, dass schon wieder ein Jahr vergangen ist („Un altr’anno Ăš passato! ...“), verlangt Puccini nicht nur ein „rallentando“ und einen von „Melancholie“ geprĂ€gten Gesang. Er lĂ€sst die fast tonlos wirkende Deklamation in den beiden Querflöten und der ersten Klarinette nachhallen, in denen er verminderte, reine und ĂŒbermĂ€ĂŸige Quarten zu schrillen Dissonanzen auftĂŒrmt.

Auf die szenische Monotonie des TABARRO folgt monochrome Musik – (fast) nur fĂŒr Frauenstimmen. Doch auch hier setzt Puccini souverĂ€n alle Mittel ein, damit solche Einfarbigkeit nicht zu Langeweile fĂŒhrt. Er differenziert die Stimmen der Ordensschwestern auf nuancierteste Weise in Sopran­ und Mezzosopran­ Lage aus. Überdies hat er der kaltherzigen Tante die einzige solistische Alt­ Partie in seinem ganzen ƒuvre zugewiesen. Selbstgerecht fĂŒhrt sie sich als gewissenhafte Sachwalterin der Patrizierfamilie ein. Im Duktus eines Trauermarschs verfĂŒgt sie das, was sie fĂŒr richtig hĂ€lt, mit einer Melodik, die in Quart­SprĂŒngen erstarrt –ohne jedes Streben nach (stimmlich oder spirituell) höheren Zielen.

Der Schock ĂŒber den Tod ihres Sohns lĂ€sst die allein zurĂŒckgebliebene Angelica dessen Todesstunde imaginieren. Im einzigen Solo dieses Einakters („Senza mamma, bimbo, tu sei morto!“) greift sie zu den umgangssprachlichen Worten „mamma“ und „bimbo“ fĂŒr „Mutter“ und „Kind“ (wie dann auch Lauretta in GIANNI SCHICCHI zu „babbino“ fĂŒr „Vater“) – Worte, die jeder Librettist des 19. Jahrhunderts als zu wenig literarisch vermieden hĂ€tte. Und wie seiner Lauretta hat hier Puccini auch Angelica eine eingĂ€ngige, in sich geschlossene Form in regelmĂ€ĂŸigen zweitaktigen Abschnitten zugewiesen.

Nun ist fĂŒr Angelica das Leben sinnlos geworden. Ihr bleibt nur noch die Selbsttötung. Zwar ĂŒberhöhen Forzano und Puccini ihren Tod mit der Vision einer VerklĂ€rung. Doch spricht vieles dafĂŒr, diese Apotheose als Halluzination der Sterbenden zu begreifen. Jedenfalls ließ Forzano im Libretto die Anweisung drucken, „es erscheine ihr, als ob sie Engel höre“, wenn aus dem Off der Gesang „O gloriosa virginum“ hereintönt. Das „miracolo“, das „Wunder“ wird in der Partitur als allmĂ€hliche Entkörperlichung Angelicas entfaltet: Die von gedĂ€mpften Streichern, Horn und Harfe begleitete Anrufung des Sohns („Ora che sei un angelo del cielo“) erklingt zuletzt nur noch im Orchester. Auch in tonaler Hinsicht bleibt die VerklĂ€rung unvollkommen. Angelica scheint die Stimme auf dem hohen g, auf der zweiten Stufe von F ­ Dur, zu erstarren. Doch schreibt die Partitur vor, dass die SĂ€ngerin diesen Ton zweimal mit einem ungewöhnlichen Glissando in die tiefere Oktave herabgleiten lĂ€sst: letzte AtemzĂŒge? Oder doch ein kinetisches Moment vor der Totenstarre? Jedenfalls erstarrt die letzte Kadenz auf dem vorletzten Akkord, um fast unhörbar im drei­ und vierfachen Pianissimo zu verklingen. Nach einem f­ Moll­ Quartsextakkord und dem dominantischen C ­ Dur verweigert Puccini uns (und Angelica) die erwartete Auf­ und Erlösung in F ­ Dur.

Rastlose Bewegung

Auf die Erstarrung der in den Tod getriebenen Angelica folgt die rastloseste Partitur, die Puccini je komponiert hat – ausgerechnet im Angesicht eines Leichnams, der

im Hintergrund der BĂŒhne thront. Fast ruckartig (wie bei Strawinsky) werden die habgierigen Erben gezeigt, wie sie Donatis letzten Willen hintertreiben wollen: Der Patriarch wollte doch tatsĂ€chlich seine ReichtĂŒmer nicht ihnen, sondern einem Kloster vermachen!

Sucht man auch hier einen prĂ€gnanten Begriff fĂŒr eine hervorstechende QualitĂ€t der Partitur analog zur szenischen Monotonie des TABARRO oder zur klanglichen Monochromie der SUOR ANGELICA , muss man die Organisation des musikalischen Details in den Blick nehmen. Die (nicht zuletzt Beethoven abgeschaute) Kunst der Fokussierung auf kleinste melodische Motive und Motivsplitter ist in GIANNI SCHICCHI zu einem Extrem gefĂŒhrt. Das „tumultuoso“, also „stĂŒrmisch“, â€žĂŒberstĂŒrzt“ zu spielende wichtigste Motiv der Partitur erklingt erstmals im achten Takt. Es umfasst zwölf Achtel, die konsequent synkopisch betont sind. Danach wird diese zweitaktige Figur immer wieder unverĂ€ndert wiederholt. Als veritables Ostinato ist sie zunĂ€chst bis zur Öffnung des Testaments durch Rinuccio allgegenwĂ€rtig. Sforzato­Akzente auf dem zweiten, vierten, fĂŒnften und sechsten Achtel jeden 3/4­Taktes verleihen ihr etwas Stolperndes, Zwanghaftes.

Wenige Takte nach dem Aufziehen des Vorhangs wird in einer Szenenanweisung deutlich, wofĂŒr dieses Motiv steht: „Die Verwandten Buosos flĂŒstern ein Gebet, wĂ€hrend Marco, die alte Zita und die Ciesca voller Schmerz klagen.“ Dabei markiert Puccinis groteske Überzeichnung die Heuchelei dieser Seufzer. Bereits bei seiner zweiten Wiederholung wird dieses Motiv mit einem kontrastierenden musikalischen Gedanken gekoppelt: Piccolo ­ und die beiden Querflöten intonieren ein melodisches Fragment, das nicht von Sekunden, sondern von Terzen geprĂ€gt ist und zunĂ€chst ebenfalls synkopisch eingefĂŒhrt wird. Offensichtlich steht dieses Kontrasubjekt fĂŒr Schicchi und dessen Spiel mit wechselnden IdentitĂ€ten. Am Ende der Szene, in welcher der als Buoso verkleidete Schicchi das (betrĂŒgerische) Testament diktiert, wird dieses Gegen­ Motiv dann textiert. Als Schicchi sich selbst als Erben einsetzt, singt der falsche Buoso Donati den Namen seines vermeintlichen Freundes „Gianni Schicchi“ auf den abwĂ€rts gerichteten Dreiklang im zweiten Takt dieses Kontrasubjekts.

Diese beiden miteinander verknĂŒpften melodischen Motive durchziehen auf monothematische Weise die ganze Partitur, selbst an Stellen, wo man nicht mit ihnen rechnen wĂŒrde. Als Lauretta und Rinuccio realisieren, dass ihre Heirat ohne die erhoffte Mitgift aus Buosos Erbe nicht möglich sein wird, stimmen sie einen Abgesang auf ihre „schönen Hoffnungen“ an: Genau dieser emphatische Gesang, in dem der Tonfall des kontemplativen Ensembles der großen Oper des 19. Jahrhunderts nachklingt, wird nach Laurettas Solo („O mio babbino caro“) zweimal wieder aufgegriffen, immer im Unisono der beiden Liebenden. Dabei wird am Ende deutlich, wie diese Unisono­ Geste mit dem Ostinato des Beginns vermittelt ist: In der melodischen Fortspinnung der ersten Violinen macht sich dieses Grundmotiv wieder auf aufdringlichste Weise bemerkbar.

Doch spielt Puccini nicht nur mit monothematischen Kompositionstechniken. In seiner Partitur findet sich neben deutlichen AnklĂ€ngen an Strawinskys PÉTROUCHKA und an Wagners DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG auch ein subtiler Verweis auf ein Werk Debussys. Die dissonante Harmonisierung und die Sekundreibungen von Puccinis ostinaten Seufzer­ Ketten greifen eine charakteristische Figur aus dem neunten PrĂ©lude des 1913 publizierten zweiten Buchs von Debussy Sammlung auf. Der Pariser Komponist hatte sein KlavierstĂŒck als

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)Menschlichen
Passionen des (Allzu ­

„Hommage Ă  S[amuel] Pickwick“ deklariert und damit auf Charles Dickens’ ersten Roman „The Posthumous Papers of the Pickwick Club“ aus den Jahren 1836 und 1837 angespielt. Dort geht es aber um nichts Anderes als Hochstapelei, also um genau das GeschĂ€ftsmodell eines Gianni Schicchi. In der Neufassung seines Vorworts zu diesem Feuilletonroman hatte Dickens seine Leser zur Nachsicht mit dem Titelhelden angehalten: „Erst wenn wir besser mit ihm vertraut sind, werden wir ĂŒber seine oberflĂ€chlichen Seiten hinwegsehen und seinen besseren Teil erkennen können.“ Was könnte prĂ€ziser Schicchis Einsatz fĂŒr das GlĂŒck des jungen Liebespaars in Worte fassen?

Dreifaltigkeit

So wenig Puccini an Forzanos Libretti auszusetzen hatte, so schwer tat er sich mit der Wahl eines Titels fĂŒr das Ganze. Er selbst hĂ€tte, wenn man der anekdotischen Überlieferung glauben darf, das Wort „Triade“ vorgezogen. „Trilogia“ hingegen war wegen der Analogie zu Wagners DER RING DES NIBELUNGEN undenkbar: Bis heute wird Wagners Vierteiler in Italien als „tetralogia“ bezeichnet. Die Wahl fiel schließlich auf TRITTICO, auf das Wort fĂŒr ein „Triptychon“.

Ein Altarbild also? Das scheint gar nicht zu diesen drei Opern zu passen. Oder etwa doch? Hatte Puccini – wie die Maler von mehrteiligen AltargemĂ€lden – drei Facetten menschlicher Passionen zeichnen wollen? Wie dem auch sei: Das Publikum tut sich bis heute schwer mit dieser mehrfach gebrochenen Dreifaltigkeit kaum gezĂ€hmter Emotion. Auch wenn in den letzten Jahren IL TRITTICO wieder öfter als Ganzes gespielt wird, steht SUOR ANGELICA seit der UrauffĂŒhrung

1918 im Schatten der beiden beliebteren Einakter. Oft wird sogar nur GIANNI SCHICCHI gewĂ€hlt und mit einem Werk eines anderen Komponisten gekoppelt –im Januar 1937 am Covent Garden in London unter Hans Knappertsbusch gar mit SALOME von Richard Strauss. Doch kommt die Meisterschaft der musikalischen Dramaturgie des reifen Puccini nur im ganzen TRITTICO zur Geltung. Nur dann zeigt sich ĂŒberdies, dass GIANNI SCHICCHI keineswegs (nur) eine Komödie ist. Angesichts des Elends allzumenschlicher Eigenschaften darf einem in dieser Tragikomödie schon das Lachen im Hals stecken bleiben.

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Passionen des (Allzu)Menschlichen „Geiz“ (Avaritia). Kupferstich von Pieter van der Heyden nach Zeichnungen von Pieter Brueghel d. Ä. [Detail]

Wer will es? Wer will es, mit Worten und Musik?

Wer
will das letzte Lied?
Der LiederverkÀufer, IL TABARRO

POVERO BUOSO!

Himmel und Hölle: Puccinis Welttheater IL TRITTICO

Pınar Karabulut, Michela FlĂŒck und Teresa Vergho im GesprĂ€ch

Dorothea Hartmann

Der Titel IL TRITTICO beschreibt einerseits Ă€ußerlich die Form – eine Reihung von drei Teilen – hat aber auch die inhaltlich aufgeladene Bedeutung eines Altar­Triptychons. Was verbindet ihr mit diesem Titel?

Pınar Karabulut

FĂŒr mich ist wichtig, dass drei verschiedene Opern zusammengehören. Man muss also nicht – wie manchmal bei einem Kinofilm – lange auf den neuen Teil warten. In Puccinis TRITTICO erleben wir den ganzen Kosmos innerhalb von drei Stunden. Wir erfahren die Welt aus verschiedenen Perspektiven, und gleichzeitig gehört doch alles zusammen. Eigentlich gehen wir mit Puccini an diesem Abend durch die Lebensgeschichte eines Menschen. Wir erleben Liebe und Sehnsucht, Trauer und Tod, Neid und Eifersucht und – ganz zentral: die Frage nach dem GlĂŒck. Was brauche ich, um glĂŒcklich zu sein? Oder: Wie kann ich wieder glĂŒcklich sein? Ist die Vergangenheit die Rettung meiner Zukunft? Oder wird die Zukunft die Rettung meiner Gegenwart sein? Das alles kommt in drei unterschiedlichen Geschichten und Farben zusammen. Und da gefĂ€llt mir auch das Bild des Triptychons. In Kirchen finden wir auf den dreiteiligen AltĂ€ren oft die heilige Maria in der Mitte, links und rechts Darstellungen von Qualen und Freuden des Erdenlebens. Ich sehe IL TRITTICO Ă€hnlich: SUOR ANGELICA in der Mitte und flankierend an den Seiten: die dramatische Tragödie IL TABARRO und die groteske Komödie GIANNI SCHICCHI .

Dorothea Hartmann

Die Reihenfolge der Teile wird bisweilen auch umgestellt. Warum habt ihr euch fĂŒr die klassische Abfolge IL TABARRO – SUOR ANGELICA – GIANNI SCHICCHI entschieden?

Pınar Karabulut

Der klassischen TRITTICO ­Abfolge liegt der Dreischritt von Dante Alighieris Göttlicher Komödie zugrunde: Es beginnt klassisch mit dem Inferno, der Hölle, in TABARRO. Dann folgt das Purgatorio, das Fegefeuer, und es endet im Paradies TABARRO und SUOR ANGELICA gehören fĂŒr mich zusammen: Wir sehen Menschen, die versuchen, das GlĂŒck, die Liebe, das Leben zu finden. Sie bauen sich verschiedene Systeme und Ordnungen, in denen sie freiwillig leben, auf einem

Schiff oder in einem Kloster. Aber sie scheitern alle. Nach der Pause gibt es mit GIANNI SCHICCHI dann eine Art Katharsis.

Michela FlĂŒck

FĂŒr die BĂŒhne interessierte es mich, das Konzept des Triptychons als inhaltliche Rahmung zu nutzen, aber die drei Teile nicht nur vor einer christlichen Folie zu betrachten. Wir tauchen fĂŒr die drei Teile in ganz unterschiedliche Welten ein, die in starkem Kontrast zueinanderstehen: Sie unterscheiden sich in den Genres, den Milieus und in der Zeit, auf die sie verweisen – von Dante bis in die Zeit Puccinis und darĂŒber hinaus. Wir stellen die Teile in einen starken Kontrast zueinander und gleichzeitig ist doch alles permanent vorhanden – wie in einem großen Welttheater.

Dorothea Hartmann

Den Dreischritt von der Hölle zum Paradies aus Dantes Göttlicher Komödie thematisiert ihr zu Beginn explizit mit einem Zitat aus Dantes Inferno: „Lasst alle Hoffnung fahren, wenn ihr hier eintretet.“ Welche Hölle betreten wir in IL TABARRO ?

Pınar Karabulut IL TABARRO zeigt die alltĂ€gliche Hölle einer verstummten Beziehung. Und die beginnt schon viel frĂŒher: Das Paar Giorgetta und Michele hat vor einem Jahr sein Baby verloren. In diesem emotionalen Ausnahmezustand ist die Kommunikation erstarrt. Die beiden sind gefangen, und statt das Trauma gemeinsam oder auch alleine aufzuarbeiten, sucht Giorgetta Hoffnung bei einem anderen Mann. Das endet in der Tragödie – und in der Fortsetzung der Hölle. Denn Michele und Giorgetta bleiben mit der Tat zurĂŒck. Die beiden sind in ihrer Kommunikationslosigkeit die einsamsten Figuren auf der BĂŒhne – eine von Menschen gemachte Hölle.

Michela FlĂŒck

Wir zeigen diese emotionalen ZustĂ€nde und weniger eine konkrete Verortung. Es gibt im BĂŒhnenbild zwar einige Elemente, die auf das Schiffer­ Milieu verweisen: das Wasser oder der Steg quer ĂŒber die BĂŒhne. Aber letztlich sind die Figuren schwebend, quasi im Nichts. Weitere Figuren, wie Frugola und Talpa oder auch das romantische Liebespaar, tauchen auf und verschwinden wieder. Keiner hat wirklich Boden unter den FĂŒĂŸen. Das ist fĂŒr mich atmosphĂ€risch das Besondere an TABARRO – das Vakuum und der Stillstand – im Gegensatz dann zum zweiten Teil SUOR ANGELICA , wo die Gemeinschaft und Gesellschaft viel konkreter und physischer dargestellt werden.

Teresa Vergho

Auch im KostĂŒmbild gibt es Elemente, die im Schwarz des Hintergrundes verschwinden können, wĂ€hrend andere umso greller hervortreten. Die Figuren sind ĂŒberzeichnet, erscheinen in sich aber nicht komplett. Es gibt auch hier Zitate, die auf ein konkretes Kolorit hindeuten, anderes ist in einer diffusen Gegenwart oder dĂŒsteren Zukunft verortet. Einzelnen Elementen, Farben und Symbolen werden wir in den spĂ€teren Teilen wieder begegnen.

Dorothea Hartmann

Alle drei Geschichten haben gemeinsam, dass sich eine Gruppe von Menschen in einer geschlossenen Welt befindet, in die etwas hineingerÀt: eine Person

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Pınar Karabulut, Michela FlĂŒck und Teresa Vergho im GesprĂ€ch

Kupferstich von Hieronymus Cock nach „Das jĂŒngste Gericht“ von Hieronymus Bosch

oder ein Ereignis. Und dann bricht etwas auf, das vorher unter Verschluss gehalten wurde. In TABARRO entladen sich die unterdrĂŒckten Energien in einem Mord.

Pınar Karabulut

Und damit geht es noch tiefer in die Hölle hinein. Michele ist am grĂ¶ĂŸten Punkt der Verzweiflung, und er bereut die Tat auch sofort, doch da ist es zu spĂ€t. Die Oper endet mit einem Schrei von Giorgetta. Interessanterweise hat sie auch mit Giorgettas Stimme begonnen, die den Dialog sucht mit Michele. Das heißt, ihre Stimme rahmt den Weg, den die beiden gegangen sind, oder besser: den sie aneinander vorbei gegangen sind. Nach Giorgettas Schrei beginnt eine völlig neue Welt und Geschichte: Die MĂ€nner werden sozusagen abgeschafft. Wir erleben den Übergang zum Matriarchat, zur völlig neuen und anderen Welt von SUOR ANGELICA .

Dorothea Hartmann

Puccini hat sich fĂŒr diesen zweiten Teil musikalisch und textlich vom Leben und Alltag in einem katholischen Kloster inspirieren lassen – einer Welt, die unserer heutigen Gesellschaft sehr fern ist.

Pınar Karabulut

Das ist eine wirklich besondere Oper durch den rein weiblichen Cast. Wir erleben Frauen, die in einer Gemeinschaft ohne MĂ€nner leben und sich bewusst dafĂŒr entschieden haben. FĂŒr mich ist es eine positiv wahrgenommene Welt, man lebt hier freiwillig und in anderer, befreiter Form im Vergleich zur „alten“ Welt. Die frĂŒheren, patriarchalen Moralvorstellungen und Gesetze gibt es hier nicht mehr. NatĂŒrlich passieren nun auch in dieser Gesellschaft gute und schlechte Dinge. Wir erleben Regeln und Verbote, Rituale und Traditionen. Manches erinnert vielleicht an kirchliche Symbole – auch weil wir mit unserer eurozentristischen Perspektive dann sofort die christliche Religion assoziieren. Doch fĂŒr mich steht das Schaffen einer neuen Gemeinschaft im Vordergrund: einer, in der man selbstbewusst und selbstbestimmt lebt, bis hin zur freien Entscheidung, das Leben zu beenden.

Dorothea Hartmann

Nach dem Kammerspiel von TABARRO ist SUOR ANGELICA ein Gesellschafts panorama mit Chor und vielen solistischen Partien. Die Ausstattung ist opulenter und detailreicher – was hat euch hierfĂŒr inspiriert?

Michela FlĂŒck

Ich denke oft an die großen Wimmelbilder etwa von Hieronymus Bosch. Die BĂŒhne ist belebt von der Kloster­ Community, von vielen Miniaturen, die man entdecken kann, verstĂ€rkt durch zahlreiche Elemente, die sich auf der DrehbĂŒhne zu einem Universum zusammensetzen. Statt eines klassischen Klosterlebens zeigen wir eine weibliche futuristische Gesellschaft, die Teil der bildlichen Vision von Angelica sein kann.

Teresa Vergho

Mir war es wichtig, hier ein Bild zu schaffen, dass zwischen Restriktion und Sinnlichkeit oszilliert. Beides findet in der von uns erzĂ€hlten Welt gleichermaßen statt. Die Körper der Frauen sind komplett verhĂŒllt, aber die HĂŒlle selbst ist transparent und lĂ€sst die Gliedmaßen durchscheinen. Auch hier gibt es zitathafte Elemente aus der Vergangenheit – wie die MĂŒhlsteinkrĂ€gen oder die Skapuliere

der Schwestern – die sich mit komplett fiktiven, futuristischen Elementen verbinden.

Michela FlĂŒck

Wir haben SUOR ANGELICA immer auch ausgehend vom Schluss gedacht, wenn sich die RealitĂ€t auflöst und das VisionĂ€re ins Zentrum rĂŒckt. Die SUOR ANGELICA ­Welt ist im Gegensatz zu TABARRO eine große sinnliche Erfahrung: Vom Inferno bis zum Paradiso ist alles gleichzeitig vorhanden.

Pınar Karabulut

Die Trance ­ Erfahrungen verschiedener Kulturen und Religionen bilden auch eine Folie fĂŒr das permanente Drehen der BĂŒhne in SUOR ANGELICA . Man verliert die Orientierung und nimmt dann vielleicht auch den eigenen Körper anders wahr. Suor Angelica öffnet ihren Geist fĂŒr eine andere, transzendente Erfahrung. Vielleicht involviert sie auch den Zuschauerraum in dieses Ritual.

Dorothea Hartmann

Die permanente Rotation der SUOR ANGELICA ­Welt kommt zum Stillstand fĂŒr den Einbruch der Außenwelt: Welche Rolle hat die symbolisch stark aufgeladene Figur der Zia Principessa?

Pınar Karabulut

Auf der Handlungsebene verlangt die Zia Principessa, dass Angelica eine Urkunde in Erbfragen unterschreibt. Angelicas grĂ¶ĂŸte Lebenshoffnung ist aber, ihren inzwischen sieben Jahre alten Sohn wieder zu sehen. Die Zia Principessa, die ja Angelicas Tante ist, erzĂ€hlt ihr allerdings, dass ihr Kind verstorben sei. Ich denke nicht, dass das die RealitĂ€t ist. FĂŒr mich ist das eher eine Strategie der Tante. Sie kommt aus einer alten Welt in diese neue Gesellschaft hinein und bringt noch einmal die alten Regeln und Moralvorstellungen mit. Ihre ErzĂ€hlung von Angelicas Sohn lĂ€sst bei Angelica traumatische Erfahrungen wiederaufleben. Die Zia Principessa bringt die Todesbotschaft – wie in der griechischen Tragödie die Botin mit der schlechten Nachricht. Hier gibt es auch ein verbindendes Element mit den anderen TRITTICO ­Teilen – der Tod taucht ĂŒberall auf.

Teresa Vergho

Es gibt fĂŒr uns drei regelrechte Todesfiguren: Michele, die Principessa und Gianni Schicchi selbst. Puccini hat diese drei sehr unterschiedlich gestaltet, trotzdem erfĂŒllen sie alle eine sehr Ă€hnliche Funktion. Diese Ähnlichkeit erzĂ€hlen wir in ihren KostĂŒmen und ihrer Maske.

Dorothea Hartmann

Der dritte Teil GIANNI SCHICCHI beginnt mit einem Toten, musikalischer Lethargie und Depression. Doch dann gewinnt die Oper an Energie und hebt ab: Die Komödie verlĂ€sst die Tiefe des BĂŒhnenraumes und rĂŒckt ganz dicht an das Publikum.

Michela FlĂŒck

Das BĂŒhnenportal, das das Triptychon bestimmt und einfasst, ist jetzt zusĂ€tzlich betont. Der Mittelteil des Triptychon wird ausgefĂŒllt mit der Geschichte von Gianni Schicchi. In den SeitenflĂŒgeln ist die Welt von TABARRO und ANGELICA immer noch vorhanden. Und am Ende wird auch dieses Bild wieder aufgelöst und

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Pınar Karabulut, Michela FlĂŒck und Teresa Vergho im GesprĂ€ch

von der Verwandtschaft zerstört. Wir befinden uns wieder im gesamten Kosmos des TRITTICO.

Dorothea Hartmann

Zuvor wird uns eine von Geiz und Gier zerfressene Gesellschaft vorgefĂŒhrt, eine Gruppe von innerlich wie Ă€ußerlich extrem deformierten Figuren.

Pınar Karabulut

Ausgangspunkt ist Florenz und die Commedia dell’arte mit ihrem Personal: der Dottore, der vorgefĂŒhrt wird, weil er nicht erkennt, ob Buoso noch lebt oder nicht. Lauretta steht in der Tradition der Colombina, und natĂŒrlich ist Gianni Schicchi der klassische Arlecchino, der alle an der Nase herumfĂŒhrt. Daran haben wir uns orientiert und das dann potenziert durch die KostĂŒme und Körperlichkeiten.

Teresa Vergho

Die Masken der Commedia dell’arte erweitern wir in den ganzen Körper: die CharakterzĂŒge haben sich nicht nur ins Gesicht eingegraben, sondern auch in Schultern, BĂ€uche und Gliedmaßen. Jedes einzelne Familienmitglied wird zu einer ĂŒberzeichneten Comicfigur, die wir alle irgendwie aus der eigenen Familie zu kennen scheinen 


Pınar Karabulut

Da steht eine bucklige Verwandtschaft vor uns, ausgestellt in einem weißen Raum, einem Labor. Denn es ist nicht wichtig, wo wir uns befinden – ob im Palast oder in der HĂŒtte. Wenn es um Gier, Ungerechtigkeit und Egoismus geht, spielt die soziale Klasse keine Rolle. Es steckt also durchaus auch eine Klassismus ­ Kritik in dieser Oper. Auf gewisse Weise werden wir doch alle vorgefĂŒhrt: Man kommt nach der Pause an diesem Opernabend zurĂŒck in einen dunklen und sicheren Raum. Und plötzlich landet man selbst unter der Lupe. Im ersten Moment fĂŒhlt man sich geschĂŒtzt, weil alles sehr laut, schrill und ĂŒberzeichnet ist. Und gleichzeitig kennt man die eigene RealitĂ€t dahinter. Und wir gehen natĂŒrlich auch mit Gianni Schicchi mit, der uns vermittelt: „Alles ist möglich.“ Man soll den Moment genießen, einfach nur leben, und am Ende entscheidet das Publikum, ob man in den Himmel kommt oder nicht. Das gefĂ€llt mir an diesem dreiteiligen Abend: Man durchlĂ€uft alles in einer rĂŒcklĂ€ufigen Form. Es beginnt mit dem Tod. Der Tod durchzieht alle Teile. Aber wir enden mit dem Leben, mit Hoffnung, mit KreativitĂ€t und Witz. Das ist ein schönes Gesamtkonzept des TRITTICO : vom tiefsten Punkt zum vielleicht befreienden Lachen.

„Die großen Fische fressen die kleinen“. Kupferstich nach einer Zeichnung von Pieter Brueghel d. Ä. [Detail]

Der Vielsprachige –Puccinis Klangwelten in IL TRITTICO Donald Runnicles

IL TRITTICO ist eine Oper, die mich schon immer gereizt hat und die ich aber jetzt nach unzĂ€hligen AuffĂŒhrungen von LA BOHEME, TOSCA, TURANDOT und BUTTERFLY tatsĂ€chlich zum ersten Mal dirigiere. Die TRITTICO ­ Partitur ist natĂŒrlich durch und durch Puccini – und dann kommt noch vieles anderes hinzu. Der Bogen ist gespannt von der SpĂ€tromantik bis zur Moderne. Puccini scheint damals die Musik aus ganz Europa rezipiert zu haben, von ĂŒberall sind EinflĂŒsse spĂŒrbar: Man hört etwa Debussy und Ravel oder Strawinsky und generell die impressionistischen Farben in allen drei Teilen. BUTTERFLY und BOHEME wĂŒrde ich den „italienischen Puccini“ nennen, Il TRITTICO hingehend ist vielsprachig.

Jeder der drei Teile hat fĂŒr sich eine einmalige Klangwelt. Die Instrumentierungen sind aufgefĂ€chert in ganz unterschiedliche Farben und Temperaturen. Das ist hochvirtuos – Puccini spielt auf der Klaviatur des Orchesters wie ein Konzertpianist. I L TABARRO könnte man eine Studie ĂŒber die DĂŒsterheit nennen, karg, gefĂ€hrlich, öde. Das hört man in einer genialen Instrumentierung schon in den ersten Takten: Der Klang ist so abgemischt, dass man zunĂ€chst Schwierigkeiten hat zu orten, wer ĂŒberhaupt spielt: Es sind gedĂ€mpfte Streicher, Solo­ Cello, tiefe Flöte, Klarinette, die einen an einen dunklen Ort versetzen. Sie schieben ĂŒber den Dreier­Takt eine Bewegung an, die Wellen hörbar machen, und in der kreisenden Melodie Stillstand und Unruhe zugleich vermitteln. Die TABARRO ­ Musik hat oft etwas Hypnotisierendes, immer wieder schreibt Puccini „misterioso“ vor. Das schafft diese ganz eigene TABARRO ­AtmosphĂ€re, die von unterschwelliger BrutalitĂ€t erzĂ€hlt, von Gewalt und unterdrĂŒckten GefĂŒhlen. Aber natĂŒrlich ist das nicht alles. Puccini verbindet in allen seinen Opern immer auch die schwĂ€rzeste Dramatik mit komödiantischen und leichteren Passagen. In BOHEME ist es bisweilen vielleicht eine echte Heiterkeit, in TABARRO kommt das Tanzlied nur noch als verzerrter Walzer im Stil von Strawinskys PETRUSCHKA daher. Die scharfen Dissonanzen der großen Septimen lösen jeglichen romantischen Wohllaut auf. Nur noch dieser verstimmte Drehorgel­ Klang des Orchesters kann Raum fĂŒr Sehnsucht bieten.

SUOR ANGELICA lebt natĂŒrlich von den Elementen, die von der Kirchenmusik inspiriert sind: die der Kirchenorgel entlehnte Mixtur ­Technik in der Orchesterbehandlung, die tatsĂ€chlichen Instrumente Orgeln und Glocken hinter der BĂŒhne, daneben der Cantus „Ave Maria“ und natĂŒrlich die vielen modalen und gregorianischen Wendungen. Der Partitur von SUOR ANGELICA ist als

Grundfarbe das Helle, Lichte, Transzendente eingeschrieben, schon allein in der Besetzung mit Glockenspiel, Celesta und Harfe. Und am Schluss baut er das Orchester gemeinsam mit mehreren Chören und zusĂ€tzlichem Orchester hinter der BĂŒhne zu einer musikalischen Vision auf, die ihresgleichen sucht. Diese grandiose Klangentfaltung in dem Moment, in dem eine Frau ihr Leben beendet – das rĂŒhrt mich jedes Mal bis ins Innerste. Was danach folgt, das muss etwas Befreiendes sein: Puccini hĂ€tte gar nichts anderes schreiben können als GIANNI SCHICCHI – wie kaltes Wasser nach einem Traum.

Schon die ersten Takte von GIANNI SCHICCHI katapultieren uns auf ein hohes Energielevel, und auf diesem aufgespannten Sprungtuch lĂ€sst er seine Figuren bis zum Schluss spielen und tanzen – von den ersten geheuchelten Seufzern bis zu Gianni Schicchis gesprochenen Worten am Schluss. Alles ist permanent in Bewegung, die Takte wechseln stĂ€ndig, fortlaufend werden neue Figuren hervorgetrieben. Alles ist hier Komödie und Spiel, nicht nur szenisch, sondern auch musikalisch. GIANNI SCHICCHI ist der FALSTAFF Puccinis: ein meisterhaftes SpĂ€twerk eines Komponisten, der die harten Mechanismen einer verlogenen Welt gut kennt – und trotzdem den Lyrismus und die Sehnsucht nicht vergisst. Denn mit Laurettas Arie „O mio babbino caro“ und den kurzen, aber umso intensiveren Duetten von Lauretta und Rinuccio – da ist Puccini in all dem hektischen Getriebe wieder ganz bei sich selbst angekommen.

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Unter den Verdammten des Inferno: Gianni Schicchi

aus Dante Alighieri: Die göttliche Komödie

8. Höllenkreis, 30. Gesang

Aber niemals wĂŒtete in Theben oder in Troja der Wahnsinn in einer Menschenseele so grausam – nicht nur gegen Tiere, sondern gar gegen Menschenleiber –, wie ich jetzt zwei Schatten sah, totenbleich und nackt, die um sich beißend losrannten wie ein Eber, dem man den Verschlag öffnet. Der eine ging auf Capocchio zu und schlug ihm seine Hauer ins Genick, schleifte ihn mit den ZĂ€hnen ein StĂŒck weit mit, so dass der harte Grund ihm den Bauch aufriss. Der Mann aus Arezzo stand zitternd dabei und sagte mir: „Dieser Teufelsnarr ist Gianni Schicchi. TollwĂŒtig rennt er herum und richtet andere zugrunde.“ „Oh“, sagte ich zu ihm, „hoffentlich macht es dir keine MĂŒhe, mir zu sagen, wer er ist, bevor er sich davonmacht.“ Und er zu mir: „Das ist eine Seele aus dem Altertum, die ruchlose Myrrha; sie wurde – entgegen der rechten Liebe – die Geliebte ihres Vaters. Sie kam zu ihm, gab sich als eine andere Person aus und sĂŒndigte mit ihm. Etwas Ähnliches brachte der Kerl fertig, der dort davonlĂ€uft; um die Königin des GestĂŒts zu ergattern, gab er sich fĂ€lschlich als Buoso Donati aus, diktierte in dessen Namen ein Testament zu seinen Gunsten und ließ es sich auch noch beurkunden.“

Detail aus der zentralen Tafel des Triptychons „Das JĂŒngste Gericht“ von Hieronymus Bosch

Ich habe solche Angst und solchen Schrecken vor dem Altwerden!

Giacomo Puccini an Sybil Seligman, 26. Januar 1923

Il tabarro (The Cloak)

After the death of their child a year ago, Giorgetta and Michele have grown apart. They are still living together on Michele’s barge, but Giorgetta is seeking happiness elsewhere: she has fallen in love with Luigi, one of Michele’s labourers. After work, they all drink and dance together. Frugola, the wife of the labourer Talpa, arrives to pick up her husband. Both of them dream of a cottage in the country. Giorgetta and Luigi, on the other hand, long for city life, and plan an assignation that night. Michele suspects that his wife is deceiving him. He catches Luigi as he is coming to see Giorgetta and kills him in a fit of jealous rage.

Suor Angelica (Sister Angelica)

Because she had an illegitimate child, Angelica was forced to enter a convent seven years ago. Ever since, she has lived in the women’s community, cut off from the world. She has heard nothing more of her child. Various customs, rules and rites dominate the women’s daily life. Then a visitor is announced: Angelica’s aunt, the Princess, comes calling. She reports that Angelica’s sister wishes to marry, demanding that Angelica renounce her inheritance in her favour. When Angelica asks after her child, the Princess declares that it has long died of an illness. Angelica breaks down.

Gianni Schicchi

Buoso Donati, a wealthy gentleman, has died. His relatives have gathered, simulating grief and speculating first and foremost about the dead man’s will. When it has finally been found and opened, they are profoundly shocked: Buoso Donati has left his entire fortune to a monastery. His relatives refuse to accept this and wrack their brains for a solution. Young Rinuccio declares that only one man might be able to help them: Gianni Schicchi. His relatives detest the newly­arrived Schicchi family. Rinuccio, however, has fallen in love with Gianni Schicchi’s daughter Lauretta and wants to marry her, a plan his family rejects. Rinuccio summons Gianni Schicchi, who indeed hatches a plan, though the mutual resentment on both sides is obvious: since no one has learned of Buoso Donati’s death, Gianni Schicchi will impersonate the dying Donati, dictating a new will. The relatives praise Schicchi as their saviour, and the plan is put into action. When the notary arrives, Gianni Schicchi has a new will drawn up, impersonating Donati – and against previous agreements, he leaves the most valuable and coveted part of “his” fortune not to the family, but to himself: Gianni Schicchi.

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Synopsis

Impressum

Copyright Stiftung Oper in Berlin

Deutsche Oper Berlin, Bismarckstraße 35, 10627 Berlin

Intendant Dietmar Schwarz; GeschaftsfĂŒhrender Direktor Thomas Fehrle; Spielzeit 2023/24; Redaktion Dorothea Hartmann; Gestaltung Uwe Langner; Beratung Agentur fĂŒr Markenentwicklung, Berlin; Druck: trigger.medien gmbh, Berlin

Textnachweise

Die Interviews mit dem Regieteam und Sir Donald Runnicles, sowie der Artikel von Anselm Gerhard sind OriginalbeitrĂ€ge fĂŒr dieses Programmheft.

Dieter Schickling: Puccini, Stuttgart 2017.

Dante Alighieri: Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch. Frankfurt a. M., 2015.

Bildnachweise

Eike Walkenhorst fotografierte die Klavierhauptprobe am 20. September 2023 und die Hauptprobe am 26. September 2023. Weitere Abbildungen: Details aus GemĂ€lden/Kupferstichen von/nach Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel d. Ä

Giacomo Puccini

Il trittico

Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 30. September 2023

Musikalische Leitung: Sir Donald Runnicles; Inszenierung: Pınar Karabulut; BĂŒhne: Michela FlĂŒck; KostĂŒme: Teresa Vergho; Lichtdesign: Carsten RĂŒger; Dramaturgie: Dorothea Hartmann; Chöre: Jeremy Bines; Kinderchor: Christian Lindhorst

Il tabarro

Michele: Misha Kiria; Luigi: Jonathan Tetelman; Giorgetta: Carmen Giannatasio; Tinka: Ya­ Chung Huang; Talpa: Andrew Harris; Frugola: Annika Schlicht; Ein LiederverkÀufer: Andrei Danilov; Ein Liebespaar: Andrei Danilov und Lilit Davtyan; Buoso Donati: Derrick Amanatidis

Suor Angelica

Suor Angelica: Mané Galoyan; La Zia Principessa: Violeta Urmana; La Badessa: Lauren Decker; La Suor Zelatrice: Annika Schlicht; La Mestra delle Novizie: Davia Bouley; Suor Genovieffa: Lilit Davtyan; Suor Osmina: Stephanie Lloyd; Suor Dolcina: Gyumi Park; La Suora infermiera: Arianna Manganello; 1. Cercatrice: Alyson Rosales; 2. Cercatrice: Kristina Griep; La Novizie: Maria Motolygina; Le Converse: Julie Wyma, Margarita Greiner

Gianni Schicchi

Gianni Schicchi: Misha Kiria; Lauretta: ManĂ© Galoyan; Zita: Annika Schlicht; Rinnucio: Andrei Danilov; Gherardo: Burkhard Ulrich; Nella: Karola Pavone; Betto di Signa: Michael Bachtadze; Simone: Andrew Harris; Marco: Dean Murphy; Ciesca: Arianna Manganello; Maestro Spinelloccio: Jörg Schörner; Amantio di Nicolao: Markus BrĂŒck; Pinellino: Artur Garbas; Guccio: Gerard Farreras; Buoso Donati: Derrick Amanatidis

Chor, Kinderchor, Statisterie und Orchester der Deutschen Oper Berlin

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