In Marokko spiegeln die Farben der alten Königsstädte ein reiches kulturelles Erbe, das auch in der modernen Bauweise Ausdruck findet.
Runde Sache Perfekt, zeitlos und universell –internationale zeitgenössische Beispiele zeigen, wie der Kreis in der Architektur nach wie vor zelebriert wird.
Ganz klar nachhaltig! Die École Jacques Majorelle in Ben Guérir vereint auf überzeugende Weise marokkanische Tradition mit ökologischen und sozialen Aspekten.
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FARBRÄUME
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FARBRÄUME colore
Brillux Scala-Farbton 21.12.16
„Ich habe nichts dagegen, wenn man die Farbe sogar zu fühlen glaubt.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Terrakotta ist mehr als nur eine Farbe –es ist ein lebendiges Material, das seit Jahrhunderten Verwendung findet. Seine natürliche Schönheit und Vielseitigkeit inspirieren daher gerade auch Architekt/-innen, nachhaltige und gleichzeitig eindrucksvolle Räume zu schaffen.
In einer Zeit, in der Umweltbewusstsein und Innovation Hand in Hand gehen, bietet Terrakotta eine perfekte Symbiose: Uraltes Material und seine charakteristische Farbe verbinden die Kraft der Natur und Tradition mit kreativem und zeitlosem Design.
Diese Verbindung gelingt auch den Architektinnen unserer Titelarchitektur auf beeindruckende Art und Weise. Sie zeigen, wie eine warme Farbpalette ein Schulgebäude natürlich, freundlich und einladend wirken lässt – für Groß und Klein. Sie präsentieren, wie die kreative Verbindung von traditionellem Handwerk und moderner Architektur ausdrucksstarke Lern- und Lebensräume erzeugt.
Daneben begeistern auch unsere Referenzen mit Facettenreichtum und Ganzheitlichkeit. Über ein warmes, erdiges Terrakottarot hinaus sprechen sie – mal mit einem satten Farbenspiel, mal in sanftem Weiß –verschiedene Sinne an und schlagen in ganz unterschiedlichen Typologien eine Brücke zwischen Tradition und Innovation, zwischen Wohnen und Arbeit, zwischen Denkmalschutz und Neubau.
Lassen Sie sich von einem vielfältigen Projekt-Potpourri inspirieren, das mit dem bodenständigen Werkstoff Terrakotta und seinen authentischen Farbnuancen nicht nur Räumen, sondern auch Werten einen Rahmen schenkt – in filigranen Details sowie im ganzheitlichen Konzept. Entdecken Sie innovative Technologien, ursprüngliches Material und langlebige Gestaltung – für eine Zukunft, in der Ästhetik, Funktion und Umweltbewusstsein im Einklang stehen.
Ihr colore Team
Johann Wolfgang von Goethe
Ganz klar nachhaltig
Im Westen Marokkos: Raum für Bildung neu gedacht
Terrakottarot
Wenn Erde Feuer fängt
Ein echtes Schmuckstück
Kosmische Architektur für funkelnde Diamanten
Traditionelle Handwerkskunst als sinnliches Erlebnis
Der „Terra Cotta Workshop“ lädt zum Mitmachen ein
Die Geometrie räumlicher
Möglichkeiten
Temporärer Backsteinpavillon wird zum Bindeglied von Material und Architektur
Nichts ist so, wie es scheint
Julia Oleynik und die Kunst der floralen Illusion
Terrakottarot
Brillux Scala-Farbtonfamilie 21
MEHR ALS FARBE
FOKUS
Vernakuläre Architektur
Marokko baut auf Tradition und Modernität
Runde Sache
Kein Anfang und kein Ende: Der Kreis in der Architektur
Neues Kleid für „Weiße Dame“
Wohnquartier „Lively – Weiße Dame“, Gronau
Eine Geste von Unendlichkeit und Würde
Neubau Caritas Hospizzentrum Mutter Teresa, Heilbad Heiligenstadt
Von Kunst und Wohnkultur
Wohnquartier Curve, Wiesbaden
Von Kreativität und Zeitgeist zu Qualität
Bürogebäude Kreativagentur, Lingen
Dialog in Farbe
Architektenfragen an das Beraterteam von Brillux
Transformation, Vision und Revitalisierung
Architekturforum in Münster
Ganz
Ein internationaler Schulcampus interpretiert innovativ die traditionelle marokkanische Architektur klar
nachhaltig
Nachhaltig bedeutet nicht nur ressourcenschonend. Nachhaltigkeit kann sich auch in sozial gestalteter Architektur und Bildungsmöglichkeiten widerspiegeln. Mit der École Jacques Majorelle ist dem im marokkanischen Rabat ansässigen Architekturbüro ZArchitecture Studio eine Kombination aus beidem gelungen. Vom Kindergarten über die Grundschule bis zum Gymnasium können hier Kinder den internationalen Schulcampus besuchen, um auf ganzheitliche Weise ein höheres Bildungsniveau zu erreichen und die eigenen kognitiven Fähigkeiten auszubauen. Dabei war es dem Planungsteam wichtig, gemeinschaftsfördernde Räume zu kreieren und regionale Materialien einzusetzen.
Wertvolle Überzeugungen
Ein enger Zeitplan, eine hohe pädagogische Funktionalität und Flexibilität der Räume sowie besondere klimaspezifische Anforderungen waren bei diesem Projekt mit die größten Herausforderungen, die es bei der Errichtung der École Jacques Majorelle in Ben Guérir, südlich der marokkanischen Hauptstadt Rabat, zu bewältigen gab. Dass den verantwortlichen Architekt/ innen von ZArchitecture Studio dabei trotzdem weit mehr als ein Funktionsbau gelungen ist, lässt bereits der namentliche Bezug zu dem französischen Maler Jacques Majorelle erahnen, der für seine farbintensiven und vom Orientalismus geprägten Werke bekannt war. Die konkrete Wahl der Materialien und Farben für den Schulcampus wurde hier allerdings vor allem von dem Wunsch geleitet, die Gebäu de mit ihrer Umgebung zu verbinden. „Wir haben OurikaStein und Terrazzo wegen ihrer erdigen Farbtöne gewählt, die an die Landschaften Marokkos und die handwerklichen Traditionen erinnern“, erklärt die verantwortliche Architektin Zineb Ajebbar von ZArchitecture Studio.
Fein abgestimmte Detailgestaltung:
Die Claustra folgen dem Goldenen Schnitt und der Fibonacci-Folge
„Diese Materialien sind nicht nur ästhetisch harmonisch, sondern auch langlebig und energieeffizient und schaffen darüber hinaus in der Schule eine ausgewogene Atmosphäre von Wärme und Ruhe.“
Im Mittelpunkt: Patio
Über die harmonische Farbgestaltung hinaus zeigt sich der zweigeschossige Schulkomplex auf knapp 16.000 m 2 sehr geradlinig und stringent, was unter anderem an der für den Bildungsstandard geforderten Funktionalität des Gebäudes liegt – insbesondere in Bezug auf den Wärmekomfort und die natürliche Beleuchtung. Doch neben der Verwendung landestypischer Farben war es dem Architekturbüro ebenso wichtig, weitere typische marokkanische Elemente zu integrieren. Daher hat das Team regionale Architekturelemente neu interpretiert und so eine überzeugende Verbindung zwischen Tradition und innovativem, zeitgemäßem Bildungsbau geschaffen. Hierbei steht das Konzept des „Patio“, eines zentralen Innenhofs, im Mittelpunkt der übergeordneten Lernstrukturen sowie des gesamten Gestaltungskonzepts – sowohl im Außenbereich als auch in den Innenräumen.
Spielen mit Tradition
Diese Art von Innenhöfen soll zum einen als Orientierungs und Übergangspunkt sowie als Pufferzone zwischen den unterschiedlichen Nutzungen wie den einzelnen Lernbereichen der verschiedenen Altersgruppen dienen. Zum anderen agieren die offenen Höfe auch als Treffpunkt und Gemeinschaftsraum für soziale Interaktionen und liefern als eine Art klimaregulierende Räume Frischluft und Tageslicht für alle angrenzenden Bereiche. An einigen Stellen überdacht, bieten sie zudem gerade bei besonders intensiver Sonnenein strahlung eine angenehme, schattige Spiel fläche. „Neben dem Hofgedanken haben wir auch Bögen und schattige Gehwege integriert, die an die traditionellen Riads erinnern“, so Zineb Ajebbar. „Auch diese Elemente wurden mit klaren, modernen Linien neu interpretiert, um sicherzustellen, dass sie sowohl praktisch als auch symbolisch funktionieren und Räume schaffen, die die Schule mit ihren kulturellen Wurzeln verbinden und gleichzeitig eine moderne Lösung für Raumorganisation und Komfort bieten.“
„ Für die Claustra – als Verschattungs- und Trennelement –haben wir uns für eine geometrische Gestaltung entschieden, die vom Goldenen Schnitt und der Fibonacci-Folge inspiriert ist, um sowohl Bedeutung als auch Eleganz zu erhalten.“
ZINEB AJEBBAR
Die klare und offene Gliederung überzeugt –die Höfe agieren als Treffpunkt und klimaregulierende Räume und bieten darüber hinaus Orientierung.
Zwei Phasen für mehr Entwicklung
Die übergeordnete Gestaltungsstruktur des Campus basiert dabei auf der zweiphasigen Entwicklung und Errichtung der einzelnen Gebäude. In der ersten Phase wurden die Bauten im nördlichen Teil des Grundstücks er richtet. Sie bieten dem Kindergarten und der Grundschule im vorderen Bereich und den Verwaltungsbüros, der Cafeteria und dem Kulturzentrum im hinteren Teil Platz. Dies hat neben der Lage der Hauptstraße, der Tiefgarage und damit einem effizienten Fluss an Verkehr, Logistik sowie an Schülerund Besucherströmen den Vorteil, dass sich in der zweiten Phase (Abb. grüne Gebäude) die Erweiterung der Grundschule und Ergänzung mit der Sekundärschule unkompliziert im Süden entwickeln konnte. Auch die zentrale Einbettung der gemeinsamen Außensportplätze bot so die Möglichkeit, einen landschaftlich gestalteten Freiraum mit hoher Aufenthaltsqualität für das Projekt zu bilden. Darüber hinaus konnten die verantwortlichen Architekt/innen mit dieser phasenweisen Entwicklung dem engen Zeitplan des Projekts begegnen. Das war laut Zineb Ajebbar definitiv eine komplexe und herausfordernde Aufgabe. „Wir mussten innerhalb eines ehr geizigen Zeitfensters von einem Jahr die Planung, die Materialbeschaffung und den Bau durchführen“, erklärt sie. Gleichzeitig bestand dabei die hohe Motivation, zudem auf lokale Materialien, Handwerker/innen und traditionelle Methoden zurückzugreifen, weil dies dem Büro grundsätzlich ein wichtiges Anliegen ist.
Ansicht Norden
Ansicht Süden
„ Bei diesem Projekt wurden die warmen Töne des Steins und die weichen, neutralen Farben des Terrazzos gewählt, um ein Gefühl der Ruhe und Offenheit zu vermitteln und gleichzeitig das natürliche Licht zu optimieren.“
Über lokale Nachhaltigkeit hinaus
Für die verantwortlichen Architekt/ innen ist genau das wirklich nachhaltige Architektur: lokalen Materialien und Techniken den Vorzug zu geben, aber auch die Abhängigkeit von energieintensiven Baumethoden zu verringern und die Gestaltung mehr auf langfristige Anpassungsfähigkeit als auf kurzfristige Trends auszurichten. „Wir müssen ein tieferes Verständnis für die ökologischen und sozialen Auswirkungen von Architektur entwickeln“, erklärt Zineb Ajebbar. „Nachhaltigkeit sollte dabei über eine reine Energieeffizienz hinausgehen und die Schaffung von Räumen einschließen, die das Wohlbefinden, die Widerstandsfähigkeit und eine kulturelle Kontinuität fördern, um die architektonische Praxis mit umfassenderen ökologischen und sozialen Zielen in Einklang zu bringen.“
Auf grünem Kurs
Diese Art der Rahmenbedingungen sah das Team von ZArchitecture Studio jedoch nicht als Zwang, sondern als einen Spielraum, um kreativ zu werden, einzigartige Lösungen zu finden und sie durch eine innovative Linse zu interpretieren, die sowohl den lokalen Kontext als auch die modernen Bedürfnisse einer Bildungseinrichtung respektiert. Das passt umso mehr in den Gesamtrahmen, wenn man bedenkt, dass die Errichtung dieses neuen internationalen französischen Schulcampus ein Projekt innerhalb der Entwicklung der grünen Stadt Ben Guérir – einer Stadt mit grünen Konzepten und Nachhaltigkeit – darstellt. Dass das Team für diese Leistung nun auch im Rahmen der YMAA Young Moroccan Architecture Awards ausgezeich net wurde, zeigt die Anerkennung und besondere Kreativität der Architekt/innen auch von internationaler Seite aus.
„ Was dieses Projekt einzigartig macht, ist die Art und Weise, wie es den Reichtum des architektonischen Erbes Marokkos mit innovativen Lösungen für zeitgemäße Bildung verbindet.“
ZINEB AJEBBAR
OBJEKT | STANDORT
Jacques Majorelle École in Ben Guérir
ARCHITEKTEN
ZArchitecture Studio
FOTOGRAFIE
Omar Tajmouati
Zineb Ajebbar ist eine DEA HMONP Architektin (mit französischem staatlichem Architekturdiplom und Zulassung zur eigenverantwortlichen Projektleitung), die drei renommierte Architekturschulen absolviert hat: ENSA Lille, Paris La Villette und Roma Valle Giulia. Sie gründete ZArchitecture Studio, ein Architekturbüro mit Sitz in Rabat, das vielfältige und innovative Projekte in Marokko durchführt.
TERRAKOTTA
Das Spiel mit dem Feuer
Was wie ein gewöhnlicher Tag begann, wurde zu einer archäologischen Sensation: Als ein chinesischer Bauer am 29. März 1974 beim Graben nach Wasser auf etwas Hartes stieß, dachte er zunächst an einen alten Krug. Doch was er freilegte, war kein gewöhnlicher Fund – es war der Rumpf einer Statue. Und damit der erste Hinweis auf die weltberühmte Terrakotta-Armee. Die mehr als 7.000 Soldaten sind nicht nur eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Chinas, sondern auch aus einem Material gefertigt, das bis heute fasziniert.
Die vier Elemente
Terrakotta zählt zu den ältesten Werkstoffen der Menschheitsgeschichte und vereint die vier Grundelemente auf eindrucksvolle Weise: Erde als Ausgangsmaterial, Wasser zum Formen, Luft zum Trocknen – und schließlich Feuer, das dem Ton durch Brennen seine endgültige Gestalt verleiht. Besonders in der Antike erkannten Kulturen rund um das Mittelmeer die Vorzüge dieses einzigartigen Materials. Erste Funde reichen jedoch noch viel weiter zurück – so wurde die TerrakottaArmee bereits um 246 v. Chr. im alten China gefertigt.
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Ein Material mit vielen Gesichtern
Der Name „Terrakotta“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich übersetzt „gebrannte Erde“. Gemeint ist damit der natürliche Rohstoff Ton, der bei 900 bis 1.000 Grad Celsius seine charakteristische Farbe und Festigkeit erhält. Für die Herstellung werden vor allem eisenhaltige rötliche sowie kalkhaltige gelbliche Tonarten verwendet. Je nach Zusammensetzung präsentiert sich Terrakotta also in unterschiedlichen Nuancen – von warmem Ocker über kräftiges Orange bis hin zu sanftem Rosé.
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Heiß gebrannt und handgeformt Doch Terrakotta ist nicht gleich Terrakotta. Die toskanische Gemeinde Impruneta gilt als Wiege der Terrakottakunst, denn dort wird seit Jahrhunderten bei Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius gebrannt. Das sorgt für eine besonders hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Frost und Witterung. Das Ausgangsmaterial stammt aus einem lokalen Tonvorkommen, das reich an Mineralien sowie Aluminium , Kupfer und Eisenoxiden ist. Um dieses in Form zu bringen, werden verschiedenste Verarbeitungstechniken angewendet, darunter auch die traditionelle „Colombino Technik“: Dabei wird der Ton von Hand aus sogenannten Tonwülsten spiralförmig aufgebaut und zu Töpfen, Büsten und vielen weiteren Kunst und Gebrauchsobjekten geformt.
Auf in die weite Welt Terrakotta aus Impruneta gilt damit als Inbegriff traditioneller Handwerkskunst und wird bis heute weltweit geschätzt. Ihre außergewöhnliche Qualität machte sie bereits in der Renaissance unverzichtbar – etwa beim Bau der visionären Kuppel des Florentiner Doms des Architekten Filippo Brunelleschi. Auch jenseits Europas fand Terrakotta ihren Platz in der Baugeschichte – so etwa beim legendären Flatiron Building in New York, dessen markante Fassade mit sorgfältig gefertigten Terrakotta Elementen von Staten Island verkleidet wurde.
Der Ton gibt den Ton an Heute bewährt sich Terrakotta neben der Fassadenverkleidung als Boden und Wandfliese, als Mosaik oder handgefertigte Vase. Auch aus der Mode und dem Interior Design ist Terrakotta nicht mehr wegzudenken: Der warme, erdige Ton sorgt für mediterrane Leichtigkeit und schafft den perfekten Spagat zwischen Trend und Tradition. Die Feuerprobe hat Terrakotta also längst bestanden – als Material ebenso wie als Farbe.
Neues Kleid für „Weiße Dame“
Eine ehemalige Spinnerei setzt ein Statement für altersgerechtes Wohnen
Das imposante Gebäude im Herzen Gronaus hat eine umfassende Geschichte und ist zugleich historisches Wahrzeichen der Stadt. Anfang des 20. Jahrhunderts als Baumwollspinnerei erbaut, galt die sogenannte „Weiße Dame“ viele Jahre als Symbol für die Industrialisierung und den Fortschritt. Ein längerer Leerstand nach der Schließung der Spinnerei hat an dem Gebäude jedoch sichtliche Spuren hinterlassen. Das Team von gesamtwerk ARCHITEKTUR hat dem denkmalgeschützten Gebäude zu einem frischen, einzigartigen Glanz verholfen – und das über eine neue reinweiße Farbe hinaus.
„ Eigentlich haben wir hier einen kompletten Neubau in historischer Hülle –nur die Fassaden und der Turmbereich konnten erhalten werden.“
GEBHARD JEURINK
„Spinnereistraße“, „Fabrikstraße“, „An der Weißen Dame“ – bereits die Straßennamen lassen den historisch bedeutsamen Hintergrund des Standortes im Zentrum der Stadt Gronau im westlichen Münsterland anklingen. Mehr als 80 Jahre befand sich hier, kurz vor der niederländischen Grenze, eine Baumwollspinnerei, die bei ihrer Errichtung als eine der modernsten Spinnereien ihrer Zeit galt und lange Jahre sogar die größte in ganz Europa war.
Wer nach Betrachtung der Straßennamen noch nicht ganz überzeugt sein sollte, ist es spätestens, wenn er das Gebäude selbst erblickt. Denn mit einer Länge von über 140 m und einer Breite von knapp 50 m zeigt sich die viergeschossige Architektur mehr als eindrucksvoll. Bereits damals galt sie mit ihren
weitläufigen Räumen und über vier Metern hohen Decken als eine Art Aushängeschild industrieller Baukultur.
In vieler Hinsicht herausragend
Nicht nur für die Gronauer Baumwollindustrie, sondern auch für die Bewohner/ innen der Stadt ist die „Lady“, wie die ehemalige Fabrik umgangssprachlich auch genannt wird, identitätsstiftend, bot sie doch lange Jahre für die gesamte Region über 1.000 Arbeitsplätze. Umso schöner, dass das Bauwerk nach seinem Ende in der Textilindustrie und knapp 25 Jahren Leerstand nun seinen „LostPlacesCharakter“ gegen ein attraktives, generationsübergreifendes Wohnambiente eintauschen konnte. Dafür sind neben einem der Investoren, Michael Maas, der zugleich Bauherr und geschäftsführender Gesellschafter der GMP Gruppe aus Nordhorn ist, vor allem die Architekt/ innen von gesamtwerk ARCHITEKTUR verantwortlich.
„Den stadtbildprägenden ‚Koloss‛ neu zu beleben“, wie es Architekt Gebhard Jeurink beschreibt, brachte für das Team, das sich der Aufgabe mit großer Leidenschaft annahm, neben den offensichtlichen jedoch auch einige unerwartete Herausforderungen mit sich. So wurde unter anderem im Projektverlauf unterhalb des Gebäudes eine Torflinse entdeckt, die der vorhandenen Gründung ihre Tragfähigkeit absprach. „Das war für uns natürlich verwunderlich, da hier ja bereits mehr als 110 Jahre ein Gebäude mit extrem schweren Maschinen stand“, erzählt Gebhard Jeurink. „Dies führte dazu, dass wir 480 Bohrpfähle mit einem Durchmesser von 70 cm und einer Tiefe von elf Metern in die Gebäudehülle einbauen mussten. Das war nicht nur im Hinblick auf die Gebäudehülle aufwendig, sondern auch in Bezug auf die vorhandene, ebenfalls denkmalgeschützte Gründung schwierig.“
„ Für uns bedeutet ‚innovativ‘ eine individuell optimierte Konzeption und Organisation sowie die Verwendung von aufeinander abgestimmten, ökologischen, ressourcenschonenden Materialien als Bindeglied zwischen Investitionsamortisation und Umweltschutz.“
GEBHARD JEURINK
Neustart für alle Generationen
Eine weitere Hürde: Der lange Leerstand hatte zu einer unerwünschten Karbonatisierung geführt, und durch diese Bewehrungskorrosion des Stahlbetons war das gesamte Gebäude akut einsturzgefährdet. Laut des verantwortlichen Architekten wurden daher auch die Decken aufwendig ausgebaut, und lediglich die Außenwände konnten erhalten werden.
Doch durch die komplette Entkernung bot das Baudenkmal – passenderweise einer weißen Leinwand gleich – die Möglichkeit, neue, lichtdurchflutete Räume für einen lebendigen Ort der generationsübergreifenden Begegnung zu gestalten.
Denn mit „lively“, einem Betreiber für Betreutes Wohnen, und der „Auvictum Gruppe“ für ambulante und stationäre Lang , Kurzund Tagespflege teilt sich das DRK Gronau mit einer sechszügigen Kindertagesstätte die insgesamt knapp 17.000 m2 sanierte Fläche. Auf diese Weise konnte ein ganzheitliches Wohn und Quartierskonzept für Jung und Alt realisiert werden, das neben seiner zentrumsnahen Lage zudem von den umgebenden, parkähnlichen Gärten und Grünflächen profitiert, die zur Landesgartenschau 2003 gestaltet wurden.
Mit
der Vergangenheit in die Zukunft
Doch auch wenn die Bausubstanz marode war und intensiver Sanierungsmaßnahmen bedurfte, ist es dem Team von gesamtwerk ARCHITEKTUR gelungen, die Handwerkskunst und die traditionellen Mauerarbeiten zu erhalten und wertschätzend zu inszenieren. Freigelegte Komponenten wie historische Stützen wurden erhalten oder Elemente an anderer Stelle umfunktioniert und wiederverwendet. Auch der historische Fahrstuhl konnte mitsamt seinem Industriecharakter bewahrt werden. Selbst alte Maschinen fanden laut Gebhard Jeurink als Ausstellungsstücke ihren Weg zurück in das Gebäude.
Neue vertikale Lichtschächte für eine Tageslichtbeleuchtung bis ins Erdgeschoss, Fensterbanknischen mit bis zu einem Meter Tiefe sowie die hochwertigen und dezenten Farb und Materialkombinationen sorgen für eine moderne, lichtdurchflutete Atmosphäre, ohne den historischen Charme zu überdecken. Auch die neue weiße Fassadenfarbe orientiert sich an der damaligen Farbgebung, die der Baumwollspinnerei einst zu ihrem prägenden Namen verhalf. Entscheidend für dieses Ergebnis war nach Aussagen des Architekten die konstruktive Zusammenarbeit – „dass wir einfach alle an einem Strang gezogen haben“, so Gebhard Jeurink.
Energetisch aufgeladen
Die über einhundert Pflegeplätze, diversen Apartments, Ateliers, Workshop , Gemeinschafts und Gruppenräume und sogar eine Dachterrasse mit Sauna eint neben dem durchgängigen Gestaltungskonzept und der Barriere freiheit dabei auch der hohe energetische Standard. So setzte das Planungsteam bei der Sanierung nicht nur auf natürliche Materialien und eine umweltfreundliche Dämmung, sondern auch auf eine effiziente Heiztechnik mit Photovoltaikanlage auf dem Dach, Fernwärme, Fernkälte und Wärmepumpen sowie auf dreifach verglaste Fenster mit einem hohen Sonnenschutzfaktor und eine kontrollierte Wohnraumlüftung für ein optimales Raumklima. Dadurch konnte der Effizienzhaus 40 EE Standard erzielt werden. Darüber hinaus befinden sich Ladestationen für E Autos und E Bikes auf dem Gelände. Ein gelungenes Gesamtkonzept aus wertschätzender Bewahrung, Innovation, Nachhaltigkeit und urbaner Integration, das 2024 vom Bundesverband Freier Immobilien und Wohnungsunternehmen für diese Kombination mit dem renommierten BFW Projektentwicklerpreis B!WRD ausgezeichnet wurde.
BRILLUX PRODUKTE
Außen:
Fondosil 1903
Ultrasil HP 1901
Innen:
LacrylPU Schultafellack 258
Impredur Klarlack 780
Impredur Hochglanzlack 840
Impredur Seidenmattlack 880
MPDickschicht 229
Die neuen Wohnräume sind geprägt von hochwertigem Design in historischer Kulisse.
HydroPUTec Seidenmattlack 2088
HydroPUSpray Seidenmattlack 2188
Briplast Planofill 1875
Briplast Teriofill 1883
Briplast Powerfill 1891
Lacryl Tiefgrund 595
Vlieskleber 375
CreaGlas Gewebekleber 377
Lightvlies 130
Rauvlies 51 grob
CreaGlas Gewebe VG 2119 Objekt mittel
Haftgrund 3720
WandPrimer 3729
Sedashine 991
Superlux 3000
Ecofinish 947
Ein echtes Schmuckstück
Das Juweliergeschäft „Luire“ entführt auf einen anderen Planeten
Diamanten – sie funkeln, glitzern und sind der Inbegriff von Luxus. Ihr kunstvoller Schliff zieht alle Blicke auf sich, während ihre unübertroffene Härte sie zum Symbol der Unvergänglichkeit macht. Eingefasst in Silber oder Gold sind sie nicht nur „a girl’s best friend“, sondern auch ein Ausdruck von Stil und Wertschätzung.
Ishita Sitwala (The Fishy Project)
Nicht von dieser Welt
Um diesen edlen Kostbarkeiten eine passende Bühne zu bieten, hat das Architekturbüro MuseLAB das Juweliergeschäft „Luire“ in der indischen Stadt Ahmedabad neu gestaltet – und ein Raumkonzept kreiert, das sich anfühlt wie eine Reise auf den Mond oder den Mars. „Wir wollten eine Umgebung schaffen, die sich allmählich entfaltet – die Sinne verführt und zur Erkundung einlädt“, erklärten die Architekten und Mitgründer von MuseLAB, Huzefa Rangwala und Jasem Pirani. „Die Mondlandschaft diente uns dabei als Leitmotiv. Dadurch haben wir einen Ort geschaffen, der zugleich geerdet und entrückt wirkt.“
In Terrakotta getaucht
Dominiert werden die fast surreal anmutenden Räume von Terrakotta – tiefgründig, rostig, intensiv und in diesem Umfeld auf gewisse Weise marsianisch. Die Architekten entschieden sich bewusst für diesen besonderen Werkstoff: „Das Material vermittelt Wärme und Beständigkeit, aber auch einen Hauch von Dynamik. Gleichzeitig bildet es einen wirkungsvollen Kontrast zur Brillanz der Diamanten.“
„Dieses rötlich-marsianische Farbspektrum fungiert als Bühne – intensiv, haptisch und einprägsam –, auf der sich das Schmuckstück mit höchster Brillanz inszenieren kann.“
RANGWALA UND JASEM PIRANI
HUZEFA
Die Bühne gehört den Diamanten
Trotz der ausdrucksstarken Inszenierung lag der Fokus stets auf den Schmuckstücken selbst, denn „jede Form, jedes Material und jede Lichtquelle ist so arrangiert, dass der Blick immer auf die Diamanten gelenkt wird.“ Dass das Konzept funktioniert, zeigt das Feedback der Kundschaft – besonders in den leisen Momenten: „Wenn jemand länger als erwartet verweilt, sich im Spiegelbild verliert oder die Wandstruktur ertastet, dann wissen wir: Dieser Raum hat seine volle Wirkung entfaltet.“
Insel der Kostbarkeiten
Im Zentrum des Raumes erhebt sich die sogenannte Entdeckungsinsel – eine skulpturale Präsentationsfläche aus Terrakotta. Mit ihrer monolithischen und zugleich weich geschwungenen Form lädt sie die Kundschaft dazu ein, innezuhalten. Schwarze Auslagen erinnern an Kohlenstoff – den Ursprung natürlicher Diamanten – und dienen zugleich als optischer Gegenpol zu der warmen Ausstrahlung von Terrakotta.
Mikrokosmen aus Glas
Die Schmuckstücke selbst sind auf den Auslagen anmutig drapiert und von großen Glashauben umschlossen. „Diese Hauben sind vergleichbar mit Biodomen – intime Mikrokosmen innerhalb dieser surrealen Mondlandschaft“, erklären die Architekten. Schon das behutsame Anheben der Hauben wird hier zu einem sinnlichen Akt, weit entfernt vom klassischen Shopping Erlebnis. Über dieser eindrucksvollen Szenerie schwebt eine maßgefertigte Pendelleuchte, die in ihrer Form die Konturen der Entdeckungsinsel aufgreift – ein visuelles Yin und Yang. Diffuses Licht, ergänzt durch punktuelle Spotbeleuchtung, lässt die Schmuckstücke regelrecht funkeln. Spiegel in amorpher Form säumen die Wände, eröffnen neue Perspektiven und ermöglichen den letzten prüfenden Blick beim Anlegen des Schmucks.
Vernakuläre Architektur
Die Farben Marokkos
Farbenfroh und sonnenverwöhnt: Marokko liegt im Nordwesten Afrikas, mit dem Atlantik im Westen, dem Mittelmeer im Norden, Algerien im Osten und der Westsahara im Süden. Die Landesgeschichte ist geprägt von verschiedenen Kulturen und Zivilisationen, von den Berbern über die arabische Eroberung im 7. Jahrhundert bis zur Kolonialzeit im 20. Jahrhundert. Jede Epoche hat ihre Spuren hinterlassen, etwa in Sprache, Kulinarik und Architektur. Die marokkanische Baukunst zeigt eine Mischung aus islamischen, maurischen und europäischen Einflüssen, von prächtigen Palästen und Moscheen bis zu traditionellen Berberdörfern. Rote Erdtöne spielen eine große Rolle, besonders in Marrakesch, der „roten Stadt“, deren Gebäude aus Lehm und Sandstein in warmen Nuancen leuchten.
Perfekte Adaption an das Klima: Innenhöfe sorgen für Luftzirkulation und Schatten, dekorative Details für Belüftung und Privatsphäre. Dicke Wände speichern Wärme und schützen vor Hitze. Flachdachterrassen bieten kühle Aufenthaltsräume. Wasserelemente tragen zur Verdunstungskühlung bei. Bereits die Berber bauten gut isolierte Häuser aus Lehm und Stein. Nach dem Übertritt zum Islam entstanden Moscheen und Madrasas mit kunstvollen Mustern und ZellijFliesen. Maurische Elemente wurden übernommen, und die Protektorate brachten europäische Baustile ein.
Landschaft – Klima – Architektur
unten: marokkanischer Innenhof in Marrakesch FOTO: jon_chica – stock.adobe.com
oben: Tal der Rosen am Fuß des hohen Atlas FOTO: Xavier Allard – stock.adobe.com
Erdtöne wie Terrakotta, knalliges Blau, Grün und Gelb dominieren die marokkanische Architektur. Sie spiegeln die Umgebung wider und helfen, verschiedene Bereiche zu unterscheiden. An der Küste werden helle, reflektierende Farben genutzt, um die Hitze zu reduzieren, in der Wüste Erdfarben, die mit der Landschaft harmonieren. Farben kommen zudem gezielt zum Einsatz, um kulturelle, religiöse und praktische Bedeutungen zu vermitteln. Reinheit und Licht – dafür steht Weiß, das in historischen Gebäuden weit verbreitet ist. Auf den Dächern von Moscheen ist Grün präsent, das mit dem Islam und der Natur verbunden ist. Rot steht für Macht, Feuer und Lebenskraft und ist in einflussreichen Städten wie Marrakesch prägend. Blau wird mit Unendlichkeit und Schutz vor bösen Geistern assoziiert – Paradebeispiel ist die blaue Stadt Chefchaouen im RifGebirge.
links: Henna-Tattoos gehören zur marokkanischen Festkultur. Sie gelten als Zeichen des Schutzes und der Schönheit.
FOTO: S Prasath – stock.adobe.com
rechts: Zellij-Fliesen bestehen aus farbig glasierten Tonstücken. Sie formen kunstvolle geometrische Muster und stehen für handwerkliche Präzision sowie spirituelle Harmonie.
FOTO: Carla Tracy – stock.adobe.com
rechts: Madrasa Ben Youssef in Marrakesch, größte islamische Schule Nordafrikas und UNESCOWeltkulturerbe
FOTO: Veam/Westend61 –stock.adobe.com
links: Chefchaouen, die blaue Stadt.
FOTO: BonnieCaton –stock.adobe.com
Farbe – Ornament – Struktur
Im Zeichen vernakulärer Architektur: Die zeitgenössische Architektur Marokkos interpretiert die traditionelle Baukunst neu und hat sich aus lokalen Charakteristika, Materialien und Umweltbedingungen entwickelt. Heute fließen zeitgemäße Bauweisen und Techniken in die Gebäude und Plätze mit ein. Öffentliche Projekte der letzten Dekade – Museen, Bildungseinrichtungen und Verkehrsinfrastruktur – zeigen eine Vielfalt moderner Architektur, darunter das Musée Yves Saint Laurent Marrakech (Bild rechts), das Volubilis Besucherzentrum oder die Universität von Taroudant (nächste Seite).
FOTO: Fondation Jardin Majorelle
5 Fragen an Architekt Driss Kettani
Driss Kettani studierte in Rabat und gründete 2005 sein eigenes Büro. Zusammen mit seinen Partnern gewann er Wettbewerbe um international anerkannte Projekte, darunter die Universität in Taroudant. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Neben seiner praktischen Tätigkeit veröffentlicht er Artikel, hält Vorträge und lehrt an verschiedenen Hochschulen.
Wie würden Sie die Architektur Marokkos charakterisieren?
Kettani: Ich habe mich schon früh für Kunst und Literatur interessiert. In meiner Jugend hat mich die Baukunst von Oscar Niemeyer und Richard Neutra fasziniert. Daher habe ich Architektur studiert. Heute weiß ich: Die Architektur Marokkos zeichnet sich durch ihre Vielfalt, ihren Reichtum sowie die Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus und spiegelt die Kultur und Geografie des Landes. Sie passt sich an den Kontext, das Klima und die Lebensweise der Menschen an, indem sie ein historisches Erbe räumlich umsetzt. Ob es sich um die tausendjährigen Medinas, die majestätischen Kasbahs oder die modernen Städte handelt, die Architektur ist Ausdruck einer facettenreichen Gesellschaft, deren Traditionen lebendig sind, die aber gleichzeitig Modernität für sich beansprucht. Die oft hervorgehobene Dichotomie zwischen Tradition und Moderne ist meiner Ansicht nach nicht angebracht, da Marokko ebenso wie seine Architektur die Summe aller das Land prägenden Energien ist.
Was bestimmt maßgeblich Ihre architektonische Herangehensweise und welche Architekt/-innen haben Sie dabei inspiriert?
Kettani: Das Verständnis eines Kontextes, einer Kultur, eines Klimas oder einer Geografie sind für mein Team und mich Voraussetzung für jede architektonische Überlegung. Dieses genaue Lesen und Verstehen ist Katalysator für jede kreative Idee, aber mehr noch: Aus dem kontextuellen Verständnis können Ideen entstehen, die dem Projekt eine Form von Richtigkeit und Relevanz verleihen. Es geht stets darum, eine möglichst passende Antwort zu finden. Dennoch ziehen sich bestimmte Themen und Werte durch alle unsere Entwürfe: Klarheit, Einfachheit und die Kraft der Kompositionen, passive, nachhaltige Lösungen oder die Suche nach einer Synthese aus Strenge, Geometrie und einer gewissen Sensibilität und Poesie. Meine Vorbilder sind die modernistischen Architekten, die es verstanden haben, einen kontextbezogenen Ansatz zu verfolgen, der die lokalen Kulturen respektiert, etwa der französische Architekt Jean François Zevaco oder der dänische Architekt Jørn Utzon. Ich schätze es, dass Architektur Stärke, Sensibilität und Poesie ausdrücken kann, ohne dabei auf ein umfangreiches Vokabular zurückzugreifen. Meiner Meinung nach ermöglicht dies eine Form der Abstraktion und Reduktion, die unterschiedlich interpretiert werden kann. Deshalb verzichte ich weitgehend auf Ornamente oder Fliesen.
Strenge – Geometrie – Poesie
Welche Rolle spielt Farbgestaltung in Ihrer Architektur?
Kettani: Farbe spielt in unserer Architektur eine sehr wichtige Rolle, vor allem im spezifischen Licht Marokkos. Die Ockertöne des Südens existieren neben dem Blau und Weiß der Küstenstädte sowie den sandigeren Farben der Königsstädte. Jede Farbe vermittelt somit eine Form der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Geografie. Die Universitäten und Schulen, die wir im Süden Marokkos gebaut haben, nehmen die für diese Regionen typische ockerfarbene und warme Farbe auf. Aber wenn ich in Casablanca oder im Norden Marokkos baue, tendiert meine Farbpalette eher zu hellen, weißen, blauen und seladonfarbenen Tönen, die den mediterranen Lebensstil widerspiegeln. Die Farbe verleiht der Architektur auch eine Form von malerischer und kompositorischer Qualität.
Gibt es Farben, die Sie in Ihrer gebauten Umgebung gern häufiger sähen?
Kettani: Die Städte würden vielleicht fröhlicher und dynamischer wirken, wenn es etwas mehr Farben gäbe, die mit Sorgfalt und künstlerischem Feinsinn ausgewählt würden. Ich rate allerdings von Exzessen ab. Hier geht es um Gleichgewicht und Harmonie. Dennoch: Farbe ist in der Architektur eindeutig eine Bereicherung, da sie architektonische Werke unterstreichen, betonen, enthüllen, hervorheben und ihnen Leben einhauchen kann.
Universität von Taroudant: Saad El Kabbaj, Driss Kettani und Mohamed Amine Siana
Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz – und warum?
Kettani: Die Universität von Taroudant hat einen besonderen Platz in meinem Herzen. Es handelt sich um das erste Projekt meiner Freunde und Partner Saad El Kabbaj, Mohamed Amine Siana und mir, das 2010 gebaut wurde. Taroudant ist eine Stadt mit einem starken architektonischen Erbe. Wir haben versucht, die Essenz dieses Erbes zeit genössisch neu zu interpretieren und dem Projekt gleichzeitig eine Klarheit und Kompositionskraft zu verleihen, die die vernakuläre Architektur Südmarokkos spiegelt.
Eine Geste von und Würde
Auf dem Gelände des ehemaligen RedemptoristenKlosters St. Klemens in Heilbad Heiligenstadt in Nordthüringen ist ein Neubau entstanden, der mit seinen fließenden Formen und harmonischen Farben einen besonderen Ort des Übergangs darstellt. Ein Hospiz ist kein klassisches Pflegegebäude und eng mit Tod und Trauer verknüpft. Doch dem Team von Stadermann Architekten ist es mit viel Feingefühl gelungen, einen Ort zu kreieren, der Offenheit, Würde und Hoffnung vermittelt – für die Bewohner/-innen, aber auch für Angehörige und Freunde.
OBJEKT | STANDORT
Neubau Caritas Hospizzentrum Mutter Teresa, Heilbad Heiligenstadt
Ein stationäres Hospiz wird zum stillen, aber farbenfrohen Begleiter
„Diese Architektur stellt sich nicht über den Menschen, sondern in seinen Dienst. Sie schafft Resonanzräume statt Reize, ermöglicht Rückzug, aber auch Begegnung, schützt, ohne zu verschließen.“ Dieser Meinung ist Ottmar Stadermann, Architekt und Gründer von Stadermann Architekten im thüringischen Landkreis Eichsfeld. „In einer stillen, respektvollen Haltung gelingt es ihm, dem schwer beschreibbaren Moment zwischen Leben und Tod eine räumliche Heimat zu geben.“ Einem Ort, der so fest mit Abschied, Schmerz und Hilflosigkeit verbunden ist, einen gestalterischen Rahmen zu geben, war auch für den erfahrenen Architekten keine einfache Aufgabe. Hier ist der Tod keine Ausnahme, sondern Teil des Alltags, wenngleich er für jeden Menschen ausnahmslos das letzte Lebenskapitel darstellt. Dieser Realität galt es für das Team um Ottmar Stadermann architektonisch zu begegnen und unterschiedliche Bedürfnisse in Einklang zu bringen –angefangen bei denen der Bewohner/innen selbst, über die der Angehörigen bis hin zu denen des zuständigen Pflegepersonals.
Die raumhohen Kammzugtechniken setzen sich als wichtiges Gestaltungselement zwischen dem stützenähnlichen Raster in Szene, ihre sanfte Schattierung betont die feine Struktur.
Der barrierefrei zugängliche Raum der Stille besticht mit seiner aufstrebenden Säulenstruktur und einer Dachkonstruktion, die wie ein Kreuz in der Mitte dynamisch zusammenläuft.
„ Für mich war dieses Projekt nicht nur eine architektonische, sondern auch eine zutiefst menschliche Aufgabe. Es hat mich gelehrt, wie Räume Trost geben können – nicht indem sie laut werden, sondern indem sie still mitgehen.“
STADERMANN
Ein gestalterischer Resonanzraum
Auf zwei Geschossen bietet das stationäre Hospiz 13 Menschen einen Wohnraum und eine gewisse Heimat für ihren Lebensabend. Ergänzend dazu steht ein Tageshospiz mit acht Plätzen zur Verfügung, in dem Menschen tagsüber betreut und begleitet werden. Das Gebäude selbst beschreibt dabei die Form einer liegenden Acht – eines Unendlichkeitszeichens, das den fließenden Übergang von einem Zustand in den anderen, von Leben und Tod, von Innen und Außen symbolisiert. Diesem Ansatz des Auflösens von Grenzen folgt auch die Gestaltung der einzelnen Räume sowie die Wahl der Materialien. So lässt sich unter anderem ein hoher Glasanteil sowohl an der Fassade als auch im Inneren erkennen. Den Architekt/ innen war es wichtig, lichtdurchflutete, offene Räume zu gestalten, die Kommunikations und Begegnungsräume schaffen und den Bezug zur Außenwelt und zur Natur herstellen. Dafür wurden die Zimmer der Be
wohnenden im Obergeschoss verortet und zum parkähnlich angelegten Klostergarten ausgerichtet. Die Betten können ganzjährig auf die jeweilige verglaste Loggia geschoben werden. Die innen liegenden Räume und Erschließungszonen werden über Oberlichter und einen verglasten Innenhof mit Tageslicht versorgt. Auch der barrierefrei zugängliche, an eine Kapelle erinnernde „Raum der Stille“, der sich mit dem Gemeinschaftsbereich verbinden und multifunktional nutzen lässt, erhält über die Dachkonstruktion, die wie ein Kreuz in der Mitte zusammenläuft, eine eindrucksvolle, natürliche Belichtung. Im Flurbereich, exakt im Schnittpunkt der liegenden Acht, befindet sich als zentrales, gestalterisches Element ein außergewöhnlicher Bergkristall – rund 200 Millionen Jahre alt, 1,7 Tonnen schwer und 170 cm hoch. Laut Ottmar Stadermann bildet er das stille Herz des Hauses, das nicht erklärt, sondern gespürt werden will.
OTTMAR
Differenziert, kontextbezogen, menschlich
Da das Hospiz in unmittelbarer Nähe zum historischen Kloster steht, wurde dessen farbliche Gestaltung vom Gestaltungsteam bewusst einbezogen. „Die warmen, natürlichen Erdtöne der Fassade greifen die Sandsteinfarbe des Klosters auf, ohne sie zu kopieren, und fügen sich in einer fein abgestuften Variation in die Umgebung ein. So entsteht eine atmosphärische Verbindung, die das historische Umfeld respektiert und zugleich zeitgenössisch interpretiert“, erklärt Ottmar Stadermann. Darüber hinaus erinnern auch alle weiteren Farben und natürlichen Materialien an die organische, erdverbundene Qualität des Klostergartens. „Die sanften Farbtöne und taktilen Oberflächen schaffen eine Brücke zwischen innen und außen, zwischen Architektur und Natur, und setzen das Thema von Ruhe und Geborgenheit fort, das den gesamten Klosterkomplex prägt.“ So finden sich natürliche, aufeinander abgestimmte Farben und Oberflächen von Feldern, Hölzern, Wasserläufen oder Baumrinden in der Wandgestaltung aller Zimmer, Flure, Funktions und Gemeinschaftsbereiche wieder.
Der Dienstplatz des Pflegepersonals liegt als zentrale Anlaufstelle in der Mitte des Gebäudes, in einer Aufweitung des Flures. Offen, barrierefrei und für alle zugänglich, lädt er zur Kommunikation ein.
Klare Farbgebung sowohl an der Fassade als auch im Inneren
Auch in den Fluren ist das Tageslicht und der Bezug zur Außenwelt präsent.
Keine Kulisse, sondern behutsame Begleitung
Jedes Zimmer hat seine eigene Farbigkeit: beginnend im Flur mit der zurückversetzten Türwand über den Sitzbereich und die Loggia bis hin zur sich anschließenden Außenwand. Da nicht nur Krankheiten und altersbedingte Veränderungen, sondern auch Schmerzen und Medikamente zu Sehbeeinträchtigungen führen können, wurde auf ausreichenden Kontrast zwischen Boden und Wand geachtet. „Farbe wird nicht mehr nur als gestalterischer Zusatz verstanden, sondern als integraler Bestandteil architektonischer Konzepte“, verdeutlicht Ottmar Stadermann. „Es tritt wieder eine neue Wertschätzung für Farbigkeit in den Vordergrund.“ Die modernen Farbgestaltungen orientieren sich laut dem Architekten stärker am Menschen und am Ort und erzeugen Atmosphäre, unterstützen Funktionen, tragen zur Orientierung bei, schaffen Identität und beeinflussen das Wohlbefinden.
Daher war für das Team schnell klar, dass sie bei einer sensiblen Bauaufgabe wie dem Hospiz auf die langjährige Partnerschaft mit den Farbstudios von Brillux zurückgreifen wollten. „Gerade in einem Haus, das Menschen auf ihrer letzten Wegstrecke begleitet, ist Farbe weit mehr als Gestaltung – sie wird zur Sprache des Raumes, soll beruhigen, tragen, Halt geben, ohne sich in den Vordergrund zu drängen“, so Ottmar Stadermann. „Gemeinsam mit Brillux konnten wir ein fein abgestimmtes Farbkonzept entwickeln, das natürliche, warme Töne in differenzierten Nuancen einsetzt, damit sich die Bewohnenden und auch ihre Angehörigen behütet und angenommen fühlen. Die Qualität der gestalterischen Beratung, die Offenheit für unsere architektonischen Ideen und der enge Austausch haben maßgeblich dazu beigetragen, dass das Haus heute in sich stimmig wirkt – ruhig, würdevoll und voller leiser Wärme.“
Das umfangreiche Farbkonzept wurde gemeinsam mit dem Brillux Farbstudio Münster und in einem engen, stetigen Austausch aller Beteiligten entwickelt. Die Farbigkeit der Gestaltung setzt sich von außen nach innen fort: über die Loggia und die anschließende Wand bis hinein in die Sanitärzelle – und ist auch vom Flur aus als durchgehende Farbgestaltung erkennbar. Die Farben werden so zu einem stillen Begleiter und dienen zugleich der Orientierung. Alle Farbnuancen sind positiv besetzt, lassen Raum für Gedanken und Erinnerungen, ohne sich aufzudrängen, und vermitteln Halt.
BRILLUX PRODUKTE
Briplast Planofill 1875
Klebe und Armierungsmörtel 3500
MineralLeichtputz G 3679
Secolux 918
Sedagloss 993
Superlux 3000
Rausan KR K3 3517
Besenstrich mit Spiegelbruch 3539
Rausan KR Feinputz 3530
Vlieskleber 375
WDVS MW Top
2KAqua EpoxiPrimer 2373
2KAqua EpoxiHärter 2374
2KAqua Seidenmattlack 2388
2KAqua Härter 2380
Klimasil 1908
Traditionelle Handwerkskunst als sinnliches Erlebnis
Die Entwicklung des „Terra Cotta Workshop“
FOTOS
Trieu Chien
Weiße Rauchschwaden wehen über dem Ziegelofen. Sanft streicht der Wind durch schmale Öffnungen im Mauerwerk. Unter den Füßen knirschen Bruchstücke der tönernen Produktion. Der Besuch im neu gebauten „Terra Cotta Workshop“ ist ein Eintauchen in die sinnlichen Elemente dieser Handwerkskunst. Der Komplex des mehrfach ausgezeichneten Architekturbüros Tropical Space ist eine Einladung, gestalterische Kreativität auf Basis traditioneller Ziegel neu zu erleben.
Tropical Space wurde 2011 von Trần Thị Ngụ Ngôn und Nguyễn Hải Long gegründet. Im Mittelpunkt ihrer Entwürfe steht immer die Herausforderung, lebenswerte Räume im tropischen Klima zu gestalten. Ihr konsequenter Gestaltungsansatz beinhaltet die Wertschätzung lokaler Materialien, die Einbindung indigener Traditionen und die Gestaltung der Beziehungen zwischen Mensch, Architektur und Natur.
Bereits 2016 konzipierte Tropical Space auf dem Terrain ein Studio für den lokalen Künstler Le Duc Ha in Form eines Backsteinbaus. Die gebrannten Ziegel prägen den Stil des Architekturbüros wie kaum ein anderes Element. Nun wurde die florierende Werkstatt in der vietnamesischen Provinz Quang Nam erweitert und unter anderem durch öffentliche Bereiche ergänzt. Im Terra Cotta Workshop können Besucherinnen und Besucher in die Handwerkskunst eintauchen und selbst an Seminaren teilnehmen. Die Struktur des Komplexes schafft ein spannungsreiches Zusammenspiel von Kunst und Natur. Seine architektonische Gestaltung übersetzt das Spiel des Lichts und des Windes, die Sitzhaltung der Künstlerinnen und Künstler und ihre Bewegungen bei der Skulpturenherstellung in geometrische Räume.
Ziegelwände als gliederndes Element
Der Terra Cotta Workshop wird durch zwei 5,4 m hohe Mauern strukturiert: Die Ziegelwände spenden Schatten und lenken Luftströme. Niedrige Fenster begrenzen den direkten Lichteinfall. Eine weitere, zylindrisch geformte Wand aus Lochziegeln umschließt den über 20 Jahre alten Brennofen, der als geschichtsträchtiges Element unbedingt erhalten bleiben sollte. Er ist das Herz der neuen Werkstatt. Die eingesetzten Ziegel wurden in benachbarten Dörfern hergestellt und tragen zu einem angenehmen Klima im Inneren bei, denn ihre poröse Beschaffenheit absorbiert Feuchtigkeit und Wärme.
Kunst erleben: der Besucherbereich
Der Besucherbereich befindet sich außerhalb der langen Ziegelwand. Er ist durch einen Pfad mit dem Terra Cotta Studio verbunden. Hier können Gäste den Ton berühren, ein persönliches Souvenir gestalten und den Geschichten der Handwerkerinnen und Handwerker zuhören. Die lange Außenwand dient gleichzeitig als Regal, in dem zahlreiche TerrakottaWerke der Künstlerinnen und Künstler ausgestellt und betrachtet werden können.
Einblicke,
Ausblicke: der Arbeitsbereich
Der handwerkliche Arbeitsbereich befindet sich auf der Flussseite und ist durch eine Hohlziegelwand mit dem Außenraum verbunden. Die schmalen Öffnungen im Mauerwerk erlauben detaillierte Einblicke in die Werkstatt. Die niedrigen Öffnungen auf Augenhöhe ermöglichen den arbeitenden Künstlerinnen und Künstlern zudem immer neue Blickachsen – auch zum Garten, zum Studio und zu den Bambusbüschen am Fluss. Der traditionelle Stampflehmboden sorgt für natürliche Feuchtigkeit und spiegelt das tiefgehende lokale Verständnis wider, das das Konzept von Tropical Space prägt.
Im Außenbereich können Gäste selbst künstlerisch tätig werden.
Leitmotiv Terrakotta
Zwischen diesen beiden Bereichen liegen der lange Korridor sowie der zentrale Ofenraum. Hier lassen sich Herstellungsprozesse entdecken, die sonst verborgen bleiben. Die Verarbeitung einer Charge Terrakotta wird vom ersten Handgriff – dem Bewegen der Tonarbeiten – bis hin zum fertigen, gebrannten Produkt eindrucksvoll erlebbar. Reste aus dem Brennprozess werden als besonderes Wegematerial im Hof wiederverwendet. Das Knirschen der Terrakotta dient zugleich als Einstieg in die Welt des Materials und als Abschluss des Rundgangs. Eine Ganzheitlichkeit, die den Terra Cotta Workshop in der Verbindung aus Materialität, Konzept und Erlebnis einzigartig macht.
Casa UC, Morelia, Mexiko
Dane Alonso
Denver Art Museum, Denver, USA
James Florio
Pavillons im Downtown Cary Park, Cary, North Carolina, USA
Tzu Chen
Novartis Pavillon, Basel, Schweiz
Rasmus Hjortshoj
Camp Adventure Forest Tower, Haslev, Dänemark
Rasmus Hjortshoj
RUN DE SA CHE
Der Kreis in der Architektur
Perfekte Form, zeitloses Ideal und Sinnbild für Unendlichkeit: Der Kreis kennt weder Anfang noch Ende und erhebt als Grundform Anspruch auf universelle Schönheit. Auch die zeitgenössische Architektur zelebriert den Kreis als poetische Öffnung zur Wirklichkeit.
Ein Wohnhaus wie ein moderner Tempel – „Casa UC“ spielt mit der räumlichen Mehrdeutigkeit.
Runde Sache
Der Ursprung der Geometrie liegt im Kreis. Definiert als die Menge aller Punkte einer Ebene, die den jeweils gleichen Abstand zu einem bestimmten Punkt auf gleicher Ebene haben, überzeugt er als einzigartige Figur in seiner Makellosigkeit. Schon für den Philosophen Platon stellte ein Kreis die vollkommenste aller Formen dar. In der Architektur und Bauwelt war, ist und bleibt der Kreis beliebt – weltweit und in allen Kulturen. Was sich vor allem auf seine Einfachheit und Stabilität zurückführen lässt: Für eine Rundhütte aus Lehm braucht es nicht mehr als einen Mittelpunkt und ein Seil, um einen exakten Kreis in den Boden zu zeichnen, auf dessen Grundriss im nächsten Schritt runde Wände gemauert werden. Ein rechter Winkel ist hingegen für eine einfache Bauweise schlichtweg schwieriger in der Umsetzung. Zudem gilt: Wer einen Kreis zeichnet, richtet sich nach dem Vorbild der Sonne.
Hommage an die Götter
Ein runder Grundriss wirkt sinnlich, emotional oder spirituell. Der Kreis gilt als die ursprünglichste Darstellung des Seins. Als Phänomen taucht er immer wieder in der Baugeschichte auf: als Urform der Hütte, bedeutsames Symbol der Antike, Element der Renaissance, heimlicher Star des Formalismus und der Postmoderne. Kuppelbauten gelten als architektonische Meisterwerke. Vom Pantheon in Rom („La Rotonda“), gebaut 128 n. Chr. – die für Jahrhunderte größte Kuppel der Welt – bis hin zur Hagia Sophia, im 6. Jahrhundert mit 33 Metern Spannweite im damaligen Konstantinopel errichtet, finden sich bedeutende Bauwerke mit Rundungen in allen Epochen auf allen Kontinenten. Die Kuppel huldigt Gottheiten und Sternen.
Anfang und Ende sowie Innen und Außen gehören zum Kreis – alles wird eins. So symbolisiert der Ring neben Harmonie auch Verbundenheit. Ein Zylinder besticht durch seine Offenheit. Ein runder Raum kann gut zu einer schützenden Umarmung werden. Die Wirkung geht
noch tiefer. Wie die Architektur von runden und eckigen Räumen den Menschen beeinflusst, hat ein Psychologie-Team der Universität Wien 2013 zusammen mit internationaler Unterstützung aus Kanada und Dänemark untersucht. Das Ergebnis: Runde Räume werden als deutlich schöner beurteilt. Ihre Betrachtung verursacht verstärkt positive Aktivitäten in Regionen des Gehirns, denen man eine Belohnungsfunktion zuschreibt. Der Mensch denkt ungern im Kreis; befindet er sich aber physisch in einem solchen, lösen seine Rundungen positive Gefühle aus.
Der Kreis als Erlebnis
„Umrundungen sind von Natur aus filmisch“, postulieren Rodolfo Machado, Jorge Silvetti, Stephanie Randazzo Dwyer und Jeffry Burchard. Den vier Partner/-innen des US-amerikanischen Büros Machado Silvetti gelingt es mit kreisförmigen und gekrümmten Segmenten, Verhältnisse auf unerwartete Weise zu enthüllen oder zu verbergen. Um die Grenzen zwischen verschiedenen Nutzungen aufzuweichen, versucht das Quartett, den Weg durch einen Raum so zu gestalten, dass man sich fühlt, als würde man den Ort erforschen und entdecken.
„Wir möchten Erlebnisqualitäten schaffen, die Besuchenden helfen, das Alltägliche zu überwinden. Diese Qualitäten sind sowohl emotional als auch zweckmäßig, intuitiv und formal“, erklärt Rodolfo Machado. Mit dem 2021 fertiggestellten Erweiterungsbau für das „Denver Art Museum“ zeigt sein Team, wie sich dieser Anspruch in Architektur übersetzen lässt. Machado Silvetti zelebrieren ihr „Welcome Center“ auf dem Museumscampus als neuen Leuchtturm. Der Anbau, der sich zwischen Gio Pontis „Martin Building“ (1971) und dem „Hamilton Building“ von Libeskind Studio (2006) befindet, fasst den Campus des Denver Art Museum zu einer Einheit zusammen und schafft ein Tor zum kulturellen Zentrum der Stadt.
Casa UC, Morelia, Mexiko
Dane Alonso
Denver Art Museum, Denver, USA
James Florio
Pavillons im Downtown Cary Park, Cary, North Carolina, USA
Tzu Chen
Novartis Pavillon, Basel, Schweiz
Rasmus Hjortshoj
Camp Adventure Forest Tower, Haslev, Dänemark
Rasmus Hjortshoj
Mit seiner Kreisform und der transparenten Glasfassade soll das „Welcome Center“ des Denver Art Museum von Machado Silvetti verbinden, einladen und begrüßen.
Inspiration für den abgerundeten Grundriss lieferte übrigens das elliptische Auditorium, das Gio Ponti ursprünglich für das Museum vorgesehen hatte. Die Kreisform ist ein verbindendes Element und eine einladende Geste. „Für uns war entscheidend, eine Struktur zu entwerfen, die im Dialog mit der lebendigen Sprache der Entwürfe von Gio Ponti und Studio Libeskind steht und gleichzeitig eine Verbindung zum Museum herstellt“, erläutert Jorge Silvetti. „Mit seiner Form, die von allen Seiten zugänglich ist, und seiner transparenten Glasfassade ist das Welcome Center ein einladendes Leuchtfeuer, das alle begrüßt.“
Offene Orte
Ähnlich wirkt die Gestaltung von Machado Silvetti für den „Downtown Cary Park“ (2023) mit verschiedenen Rundungen und Kurven als offene und einladende Geste an die Gemeinde, die am Planungsprozess beteiligt war. Um den Park als zusammenhängende Einheit aus Landschaft und Architektur zu gestalten, entschieden sich die Architekt/-innen bei den vier Neubauten für eine Materialpalette aus Vollholz, Holzverkleidungen und weißen Ziegeln sowie für Zinkdächer, die an die lokalen Bautraditionen anknüpfen.
Drei der vier Pavillons basieren auf konischen Dachformen, die den Raum nach außen in die Landschaft ausdehnen und so Innen- und Außenraum verschwimmen lassen. Weil die Funktionen in ihre Innenräume eingebettet sind, ergibt sich eine Rundum-Aktivierung der Parkumgebung. Der „Great Lawn Pavilion“ in der Mitte des Parks zeigt sich als einzelner umgekehrter Kegel mit einer asymmetrischen Spitze, der nur auf drei Punkten ruht: eine Dramatisierung der Konstruktion, um die Bühne widerzuspiegeln.
Der Academy Pavilion, der sich an der Schnittstelle zwischen dem historischen Stadtkern und dem Park befindet, ist die wichtigste Anlaufstelle für Speisen und Getränke und bietet öffentliche Toiletten, flexible Innen und Außenbereiche sowie unterirdische Parkbereiche.
Der Bark Bar Pavilion ist ein kleinerer Verpflegungspunkt. Sein Dachrand bildet eine überdimensionale Regenrinne und bildet so das zentrale Gestaltungselement eines teilweise umschlossenen Innenhofs.
Der Great Lawn Pavilion in der Mitte des Parks bildet den Schnittpunkt vieler verschiedener Bereiche. Er kann große Veranstaltungen, Filme und Aufführungen beherbergen und bietet einen schattigen Platz für eine Reihe von Aktivitäten.
Casa UC, Morelia, Mexiko
Dane Alonso
Denver Art Museum, Denver, USA
James Florio
Pavillons im Downtown Cary Park, Cary, North Carolina, USA
Tzu Chen
Novartis Pavillon, Basel, Schweiz
Rasmus Hjortshoj
Camp Adventure Forest Tower, Haslev, Dänemark
Rasmus Hjortshoj
Die drei Neubauten mit konischen Dachformen (Academy Pavilion, Bark Bar Pavilion und Great Lawn Pavilion) sorgen für eine RundumAktivierung der Parkumgebung im „Downtown Cary Park“.
Casa UC, Morelia, Mexiko
Dane Alonso
Starke Symbole
In der zeitgenössischen Architektur finden sich immer wieder neue identitätsstiftende Gebäudekreise. Über die Fachwelt hinaus bekannt sind jüngste Ikonen wie Norman Fosters „Apple Park“ (2017) in Cupertino, Silicon Valley. Diese Kreisform ist mit einem Durchmesser von 461 Metern auch in Hinblick auf die Sichtbarkeit bei Google Maps entworfen worden: aus der Perspektive der (neuen) Götter.
Das Mailänder Studio AMDL CIRCLE von Michele De Lucchi manifestiert mit einem runden Neubau in Basel seine eigene Kreislauf-Philosophie. Der „Novartis Pavillon“ (2022) markiert das erste öffentlich zugängliche Gebäude auf dem Campus des Basler Pharmakonzerns. Er fügt sich in den von Gunther Vogt entworfenen Park ein, der die Naturphänomene der Rheinterrassen in kleinerem Maßstab nachbildet. Auf einem Hügel gelegen, bietet der Neubau schöne Ausblicke, ohne die Harmonie der Parkwege zu unterbrechen. Der runde Pavillonbau dient als Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum und kommuniziert in den Stadtraum über eine innovative Null-Energie-Medienfassade.
„Zukunftsorientiert, innovativ, offen und optimistisch.“ – die flexible Gebäudestruktur soll die Werte der Wissenschaft vermitteln: als ein Symbol für ein neues Modell wissenschaftlicher Forschung und des damit verbundenen Wohlbefindens. Das Team von Michele De Lucchi hat sich ganz bewusst von der universellen Symbolik des Kreises inspirieren lassen. Für den Architekten und Designer gilt der Kreis „als kraftvolles Feld psychophysischer Energie“. De Lucchi fordert: „Architektur selbst muss Energie vermitteln, muss inspirieren und Verbindungen zwischen verschiedenen Stimmen und Kulturen fördern.“
Denver Art Museum, Denver, USA
James Florio
Pavillons im Downtown Cary Park, Cary, North Carolina, USA
Tzu Chen
Novartis Pavillon, Basel, Schweiz
Rasmus Hjortshoj
Camp Adventure Forest Tower, Haslev, Dänemark
Rasmus Hjortshoj
Der „Novartis Pavillon“ fügt sich harmonisch in die Parkanlage, dient als Ausstellungs und Veranstaltungszentrum und kommuniziert über eine innovative NullEnergieMedienfassade mit dem Stadtraum.
Unendlicher Rundlauf
Kreise haben keine Vorder- oder Rückseite; der Kreis kennt keine Richtung. Mit diesen Eigenschaften spielt auch die mexikanische Architektin Daniela Bucio Sistos. Sie wollte für das Wohnhaus „Casa UC“ (2021) am Stadtrand von Morelia kontemplative Räume aus Ziegeln schaffen, die als Gesamtstruktur eine unterbewusste Mehrdeutigkeit zwischen Innen und Außen bilden. Verschieden große Kreise dominieren den offenen Grundriss sowie die vertikalen Flächen. Sie verbinden als Fenster, Durchgang, Dach oder Patio das Innere mit der Umgebung.
Von außen verrät das Haus nicht viel. Während Front und Seiten so gut wie geschlossen bleiben, um die Privatsphäre zu wahren, verbindet im hinteren Bereich eine Rampe den Garten mit dem Wohnzimmer. Sie positioniert sich dabei am Ende der strukturierten Ziegelwand, die das eigentliche Haus flankiert, und führt direkt ins kreisförmige Foyer: Zentrum und Leitachse des Hauses. Zugleich dient das runde Zentrum als Ausgangspunkt für den radial verlegten Steinboden, der sich durch das gesamte Haus zieht. Nicht nur die Bibliothek der Hausherrin findet hier einen Raum zum Atmen. Vier Schlafzimmer, eine Küche und Terrasse, ein Ess- und Wohnzimmer sowie der Obstgarten ergänzen das Raumprogramm.
Für Daniela Bucio Sistos war „Casa UC“ eine Art Experiment: ein Gebäude mit räumlicher Mehrdeutigkeit zwischen Innen und Außen zu schaffen, die dabei nicht immer wahrnehmbar bleibt. Alle Innenräume stehen in direktem Bezug zu den innen erzeugten „Mikroumgebungen“, wie die Architektin diese bezeichnet. Stille Räume treffen auf sensibel gestaltete Texturen und Lichtspiele. Entstanden ist ein Wohnhaus wie ein moderner Tempel.
Vertraute Form mit Rundumblick
Das dänische Studio EFFEKT hat mit dem „Camp Adventure Forest Tower“ 2019 mitten im Gletscherwald bei Haslev ebenfalls eine ganz besondere Landmarke geschaffen. Auch dieses runde Bauwerk bedient sich einer Rampe, um einen inklusiven Zugang zu gewährleisten. Das Publikum spaziert auf einer Spirale durch die Landschaft, die von Bäumen, Hügeln, Bächen, Seen, Feuchtgebieten und Wiesen geprägt ist: ein omnipräsentes Naturpanorama. Oben in 45 Metern Höhe auf dem größten Plattformring angekommen, öffnet sich eine spektakuläre Perspektive mit Rundumblick über den skandinavischen Borealwald. Bei klarem Wetter reicht die Sicht sogar bis nach Kopenhagen und Malmö. Gebaut wurde mit Stahl und aus lokalem Eichenholz. Die Rampe dient als skulpturales Element, um den Weg zu einem Erlebnis zu machen, und bedient sich dabei ebenfalls filmischer Sequenzen.
Aber was genau fasziniert junge Architektinnen und Architekten in der heutigen Zeit am Kreis als architektonische Grundform? „Der Kreis hat einen hohen Wiedererkennungswert“, betont Selma Babette Ringmann vom Studio EFFEKT. „Er ist in der Natur um uns herum zu beobachten. Die Form ist uns sofort vertraut. Als Architektin fühle ich mich von ihrer Ruhe und der organischen Schönheit angezogen.“
Die einen feiern den Kubus, andere die Rotunde, und dabei lässt sich beides auch immer noch kombinieren. „Wenn der Architekt nichts weiß, zeichnet er einen Kreis“, lautet eine gereimte Gestaltungsweisheit, die polemisch auf den Punkt bringt: Ja, der Kreis ist vielleicht manchmal die erste Antwort. Aber eine, die aus verschiedenen Gründen wirklich passen und viel erreichen kann. Eine ziemlich runde Sache.
Casa UC, Morelia, Mexiko
Dane Alonso
Denver Art Museum, Denver, USA
James Florio
Pavillons im Downtown Cary Park, Cary, North Carolina, USA
Tzu Chen
Novartis Pavillon, Basel, Schweiz
Rasmus Hjortshoj
Camp Adventure Forest Tower, Haslev, Dänemark
Rasmus Hjortshoj
Zwei besondere Landmarken: Sowohl das „Casa UC“ von Daniela Bucio Sistos als auch der „Camp Adventure Forest Tower“ von EFFEKT öffnen Räume und regen neue Perspektiven an.
OBJEKT | STANDORT Wohnquartier Curve, Wiesbaden
BAUHERR | NUTZER zederbaum development GmbH, Wiesbaden
AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB Pawel und Karol Grabowizc, Undenheim
VERKAUFSBERATER Lars Hillmann, Brillux Wiesbaden
Ein neues Wohnquartier macht aus einem Viertel eine runde Sache
FOTOS Marc Ruske, Wiesbaden
„Die Gebäude sollen das charakteristische Flair eines Künstlerviertels verkörpern.“
ANDREAS SIEGMUND, ZEDERBAUM DEVELOPMENT
Ein Künstlerviertel auf einem ehemaligen Güterbahnhof – was liegt da näher, als genau hier kreativen Wohnraum zu schaffen? Ganz so naheliegend und leicht war es zwar nicht, doch dafür überzeugt das Ergebnis umso mehr mit ausdrucksstarkem Erscheinungsbild. Gemeinsam haben hier msp architekten und zederbaum development ein Wohnquartier geschaffen, das im Zentrum der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden dem gesamten Viertel einen kunstvollen Auftakt schenkt.
Mit der Intention, auf einem zentrumsnahen Grundstück eine Architektur zu errichten, in der sich die Namensgebung des Areals widerspiegelt, wandte sich der Bauherr und Geschäftsführer der zederbaum development GmbH, Andreas Siegmund, an das Dortmunder Planungsteam von msp architekten. Gemeinsam haben sie ein Konzept entwickelt, das der aktuellen Priorität, notwendigen Wohnraum zu schaffen, gerecht wird und zugleich dem Künstlerviertel mit einer einzigartigen Fassadengestaltung ein passendes Entree schenkt. So entstanden sechs Gebäude auf rund 8.000 m2, die in über 100 Wohnungen vielfältige Wohnformen mit hoher Qualität und kreativem Ausdruck vereinen. Die zwei langgezogenen Baukörper und die vier quadratischen Punkthäuser folgen dabei der keilförmigen Grundstücksform und umschließen einen begrünten Innenhof. Den dort integrierten Fußweg flankieren wiederum historische Schienenfragmente mit integrierter Beleuchtung, die an den Standort des ehemaligen Güterbahnhofs erinnern.
Dem Namen nach
Während die vier Punkthäuser mit ihrem annähernd quadratischen Grundriss die sehr geradlinige Gestaltung der angrenzenden Wohnbebauung aufgreifen, machen die zwei vorderen Baukörper mit ihren abgerundeten Fassadenecken dem Quartiersnamen „Curve“ alle Ehre. Die geschwungenen Rundungen werden dabei zum zentralen Kreativ Element, das sich auch in der Ausgestaltung der Balkone entlang der Straßenfront wiederfinden lässt. „Die Kombination aus organischen und eckigen Formen ist hier kein Zufall“, erklärt Peter Strothmann. „Es handelt sich vielmehr um eine Art ‚neckische‘ Erwiderung auf die eher zurückhaltende umliegende Bebauung.“ Dem verantwortlichen Architekten und Geschäftsführer von msp architekten war es mit seinem Team wichtig, der Struktur des vorhandenen Städtebaus etwas entgegenzusetzen, aber zugleich eine gewisse Weichheit hinsichtlich der Formensprache zu vermitteln. Daher haben sie sich auch für eine harmonische Farbgebung entschieden. „Grundsätzlich versuchen wir für Wohnbauten einen warmen Farbklang zu produzieren – leise, nicht laut“, so Peter Strothmann. Eine keramische Außenwandbekleidung mit Klinkerriemchen in einem Sonderformat passte ideal zu diesen Gestaltungsplänen. Das Material überzeugt dabei mit zarten Farbnuancen, die aufgrund des natürlichen Changierens gleichzeitig spannend und vielseitig wirken.
Besonders: Einsatz und Ausdruck
Neben der Optik waren sowohl für die Architekt/innen als auch für den Bauherrn die energetischen Gesichtspunkte der Gebäudehüllen bedeutsam, weshalb die gemeinsame Entscheidung schnell auf ein Wärmedämm Verbundsystem fiel, genauer gesagt auf das „WDVS MW Ecotop – Keramik“ von Brillux, das mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“ ausgezeichnet ist. Um innerhalb des umweltgerechten WärmedämmVerbundsystems selbst – bestehend aus Dämmplatten, Dämmlamellen aus Mineralwolle und den Klinkerriemchen – zwischen den runden Gebäudeteilen und den Holz AluminiumFensterrahmen sowie den Raffstorekästen eine technisch einwandfreie und lückenlose Wärmedämmung zu erzielen, bedurfte es einiges an technischer und handwerklicher Expertise. Durch die Hinzuziehung des Brillux Beraterteams Borris Gönner und Lars Hillmann sowie des ausführenden Handwerksbetriebs Pawel und Karol Grabowicz fanden alle Beteiligten schlussendlich gemeinsam die passende Lösung in Form einer Kombination aus verschiedenen Zuschnitten und biegsamen, vertikal verklebten Lamellen. Ein besonderes Element waren hierbei als Sonderanfertigung produzierte, gerundete Dämmelemente, die exakt auf Maß gefertigt und eingesetzt wurden, um die Rollladenkästen elegant
zu überbauen und zugleich die Dämmwirkung vollständig zu erhalten. Auch die Klinkerriemchen selbst mussten passgenau zugeschnitten und verklebt werden. Ein Einsatz, der sich durchaus gelohnt hat, betrachtet man das harmonisch fließende Oberflächenbild.
Ein ganzheitlich durchdachtes Konzept
„Die geschwungenen Balkone ergeben ein Spiel aus Licht und Schatten – eine weiche Dreidimensionalität.“
PETER STROTHMANN, MSP ARCHITEKTEN
Auch die restlichen Häuser ohne rundliche Fassaden weisen bauliche Besonderheiten auf. So trennt beispielsweise ein Rücksprung innerhalb der Gebäude die zwei unterschiedlichen Fassadengestaltungen. Die hellgrauen Klinkerriemchen bekleiden hier nur den unteren Gebäudeteil, während die Staffelgeschosse in mattem Braungrau Farbakzente setzen. Für die optische Verbindung beider Oberflächen sowie eine nahtlose Wärmedämmung des Übergangs wurde ein Sonderbauteil auf PVCBasis eingesetzt, das mit einem Blech als wasserführende Schicht bestückt wurde. Eine erneute Herausforderung, da die Verarbeitenden erst nach vollständiger Verklebung der Klinkerriemchen im unteren Gebäudeteil die entsprechenden Maße nehmen konnten. Durch diese unterschiedlichen Sonderbauteile sowie den ambitionierten Zeitplan kam auch der Beratung und Baulogistik vor Ort eine entscheidende Rolle zu. „Der JustintimeLieferservice von Brillux war hierbei gerade für uns eine optimale Rückendeckung“, erklärt Pawel Grabowicz vom ausführenden Handwerksbetrieb.
Natürlich formvollendet kombiniert
Durch diese Art der bereichernden und effektiven Zusammenarbeit konnte über vier Geschosse hinweg qualitativer und charakterstarker Wohnraum entstehen. Wohnraum, der auch hinsichtlich der Innenraumgestaltung von hochwertigen Oberflächen sowie dezenten und natürlichen Materialien geprägt ist. „Der Zusammenhang zwischen der Materialität und der damit einhergehenden Nachhaltigkeit ist für uns unstrittig“, erklärt Peter Strothmann. „Ziegel, mineralische Putzflächen und Holz als nachwachsender Rohstoff sind gegenüber kunststoffvergüteten Verbundstoffen in diesem Zusammenhang weit überlegen.“ Ein Verständnis von Materialeinsatz und verwendung, das sich auch bei weiteren Projekten des Architekturbüros erkennen lässt.
„ Mit der gewählten Formensprache wollten wir den Städtebau aufbrechen.“
PETER STROTHMANN, MSP ARCHITEKTEN
BRILLUX PRODUKTE
Außen:
MW Top Dämmplatte 3857
MW Top Lamelle 3611
WDVS Armierungsgewebe KB 3714
WDVS Laibungsplatten EPS 3858
WDVS Pulverkleber 3550
WDVS Senkdübel STR U 2G 3811
TSVario Keilplatte XPS 3527
Fugeisenfuge KB 3869
Sockelleiste 3075
Verlegemörtel KB/P 3715
Innen:
CreaGlas Glasvlies VG 1000
Extrasil 1911
Superlux 3000
BRILLUX SCALA-FARBTON weiß
DIE GEOMETRIE RÄUMLICHER MÖGLICHKEITEN
Ein temporärer Pavillon bietet Raum für Verbindung
FOTOS
Luis Díaz Díaz
In der Passage eines ehemaligen Fabrikgeländes haben zwei internationale Architekturbüros die Geometrie von Räumen in einer Installation neu interpretiert und sie in eine ganzheitliche Erfahrung für Besuchende transformiert. Wie können Räume aussehen, wie fühlen sie sich an und wie können sie durchschritten werden? Das Besondere dabei: Lediglich ein einziges Material kam für die temporäre Installation zum Einsatz: terrakottafarbene Ziegel.
Verbindung von Kultur
Zwischen der öffentlichen Bücherei und dem Sala Amós Salvador – dem Museum von Rioja –befindet sich eine kleine, beinahe unscheinbare Gasse, deren Ende von einem hoch aufragenden Ziegelsteinturm begrenzt wird. Dieser Turm –ein Fabrikschornstein – vergegenwärtigt ein Stück Geschichte einer Region, die heute vor allem für ihren traditionsreichen Weinanbau bekannt ist. Mal als Kloster, mal als Krankenhaus beherbergte der architektonische Komplex aus dem 14. Jahrhundert lange Zeit auch eine Tabakfabrik mitsamt einem Trockenlager. Nach unterschiedlichen Nutzungen und zahlreichen Umbauten widmet die Stadt Logroño diese Räume nun ausschließlich der Kunst, der Kultur und dem öffentlichen Leben. Der perfekte Ort, um mit dem inspirierenden Projekt „Types of spaces“, wie es die verantwortlichen Architekt/ innen betitelt haben, in einen Dialog zu treten – zwischen den Räumen und der Architektur, aber auch über Räume an sich.
Verbindung von Architektur
So haben die beiden internationalen Architekturbüros Palma und Hanghar genau hier versucht Verbindungen zu schaffen – und dies ganz buchstäblich und auf unterschiedliche Weise. Das Design und Architekturfestival „Internacional de Arquitectura Concéntrico“, das nun bereits seit knapp zehn Jahren regelmäßig an unterschiedlichen Orten in der Stadt Logroño stattfindet, war für das Büro Duo dabei der ideale Ausgangspunkt. Denn das Festival sieht sich selbst als eine Art Labor, das dazu einladen möchte, über städtische Strukturen und kollektive Nutzungen im öffentlichen Raum nachzudenken und Architektur und Design dabei als Werkzeuge zu betrachten. Für diese Art des Diskurses haben die Architekt/ innen sechs geometrisch geformte Räume aneinandergereiht und damit die etwas mehr als 3,5 m breite Gasse komplett ausgefüllt. Die einzelnen Räume mit quadratischer Grundfläche gehen dabei lückenlos ineinander über und schließen zugleich den Zwischenraum zwischen den beiden Gebäuden, die heute Museum und Bücherei beheimaten. Auf diese Weise soll auch der Status des Geländes als ein gebauter Raum wiederhergestellt werden. Dadurch, dass die Installation dabei Richtung Himmel geöffnet bleibt und damit der Fabrikschornstein in den neu kreierten Räumen von jedem Punkt aus präsent bleibt, schafft sie darüber hinaus auch eine zeitübergreifende Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart.
Verbindung von Materialität
Der Ziegelschornstein wird gleichzeitig auch zum Bindeglied hinsichtlich der Materialität. Denn Palma und Hanghar haben sich dazu entschieden, die gesamte Installation lediglich aus 30 x 30 cm großen Thermoziegelsteinen zu errichten. Einerseits massiv, doch dank der offenporigen Struktur in ihrem ungefüllten Zustand auch mit einer
Die Geometrien reihen sich übergangslos aneinander und füllen die Gasse komplett aus
gewissen Leichtigkeit, verleiht die Reduktion auf ein Material der Installation eine gewisse Kontinuität, ohne langweilig zu wirken. Diese Art von Ordnung zeigt sich auch in der Form, die aus geometrischen Figuren gebildet wird. Angefangen mit einem Rechteck über einen Kreis und ein Kreuz bis hin zu einem Quadrat erzeugt das Architekturbüro Team aus diesen Grundformen Kubaturen, die untereinander wiederum mit unterschiedlichen Höhen spielen. Selbst die Bodenflächen werden von den Ziegeln gebildet. Mal als ebene Fläche zum Draufstehen oder sitzen, mal in Form von Scherben, die von beschädigten und daher unbrauchbaren Ziegelsteinen stammen.
Verbindung von Sinnen
Diese Ziegelscherben vervollständigen auch die ganzheitliche und besondere Raumwahrnehmung, die die Architekt/ innen mit dieser Installation hervorrufen wollten. Denn durch den ungewohnten Untergrund müssen die Besuchenden zwangsläufig das Tempo beim Durchschreiten der Installation verlangsamen und anpassen. Einzelheiten und Kleinigkeiten werden bewusster und intensiver wahrgenommen. Und auch das Geräusch der einzelnen Schritte wird dabei für viele eigenartig ausfallen und kann je nach Raumform und Schallwirkung variieren. Neben dem akustischen Erlebnis, laden die Ziegelsteine in ihren unterschiedlichen Formen auch zum Anfassen ein. Wie fühlt sich ihre Oberfläche an? Wie steht und sitzt man darauf? Welches haptische Erleben bietet das Material? Und schlussendlich: Welche visuellen Raumwahrnehmungen ergeben sich? Wie wirkt es, in einem rund geformten Raum zu sitzen? Und wie, einen schmalen Raum zu durchschreiten oder hinter eine Ecke zu schauen, die sich aufgrund des durchgängigen Materials erst auf den zweiten Blick als Raumecke offenbart? Wirkt ein Raum einladend und lädt zum Verweilen ein? Und wie wird ein Raum wahrgenommen, wenn er alleine betreten und erlebt wird oder mit mehreren anderen Besuchenden? Welche Lichtstimmungen ergeben sich und wie kann man mit ihnen spielen? Dies offenbart die Vielzahl an Möglichkeiten, wie Räume wirken können – und das bereits bei den gängigen Grundformen und einem einzelnen Material. Den Architekturbüros Palma und Hanghar ist mit dieser Art der reduzierten Gestaltung gelungen, ein eindrucksvolles Spektrum an Sinneswahrnehmungen hervorzurufen, das dazu inspiriert, Räume neu zu denken und zu erleben.
VON Kreativität UND Zeitgeist ZU Qualität
Roland Borgmann, Münster
Ein Agenturgebäude setzt neben Kreativität
auf Recyclingfähigkeit
Regionaltypisch und doch einzigartig – in Lingen, der größten Stadt des niedersächsischen Emslandes, hat die Kreativagentur vonundzu neue Arbeitsräume bezogen. Der 825 m² große Neubau vermittelt dabei sowohl die Philosophie der Agentur als auch die des verantwortlichen Architekturbüros Unform Architekten Part GmbB: mit hoher Qualität neue Spielräume kreativ und innovativ zu erkunden. Das Ergebnis: ein charakterstarkes Gebäude am Eingang eines neu erschlossenen Quartiers.
OBJEKT | STANDORT
Bürogebäude Kreativagentur, Lingen
BAUHERR | NUTZER vonundzu Kreativagentur, Lingen
ARCHITEKT
Unform Architekten Part GmbB, Lingen
TECHNISCHER BERATER
Marcel Wrocklage, Brillux Lingen
VERKAUFSBERATER
Marco Montag, Brillux Lingen
Ob Backstein, Klinker oder Ziegel, ob rot, terrakottafarben oder braun – im norddeutschen Raum prägt das Sichtmauer werk vielfach die regionale Fassadengestaltung. So auch die Fassade der neuen Büroräume der Kreativagentur vonundzu. Doch was auf den ersten Blick vielleicht einen typischen Eindruck erweckt, lässt bei genauem Hinsehen Besonderheiten erkennen. Denn das Team von Unform Architekten, das von sich selbst behauptet, nonkonform zu denken und zu handeln, um abseits der ausgetretenen Pfade innovative Lösungen zu finden, hat bei diesem Neubau bewusst mit Gegensätzen gespielt – manchmal offenkundig, manchmal etwas versteckt.
Goldener Zeitgeist
So wird der untere und größere Teil der Fassade, der von parabelförmigen Fenstern durchbrochen wird, von rauem Klinker bestimmt, während der obere und kleinere Teil von einer glatten, geradlinigen Blechfassade gebildet wird. „Der Bauherr, die vonundzu Kreativagentur, arbeitet gerne mit Unerwartetem, mit starken Kontrasten und tritt sehr selbstbewusst auf“, erklärt der verantwortliche Architekt Lars Schnelting. „Das wollten wir ein Stück weit in der Fassade zum Ausdruck bringen und haben deshalb die StehfalzBleche in goldenem Farbton gewählt.“ Doch nicht nur das goldfarbene Material repräsentiert einen Besonderheitscharakter, wenngleich sich die Materialwirkung durch unterschiedliche Sonneneinstrahlung sehr lebendig und außergewöhnlich zeigt.
Klares Bekenntnis in Sachen Ressourcen
Die weniger offensichtliche Innovation lässt sich vor allem bei den vermeintlich klassischen Klinkerriemchen entdecken. Denn hierbei handelt es sich um ein Produkt aus recycelten Backsteinen der Firma Wiedergewonnen. „Auf der Suche nach einem ausdrucksvollen Gegenstück zur metallisch glänzenden Attika stießen wir auf das Material aus wiederverwendetem Backstein und waren von dem Produktkonzept sofort begeistert“, so Lars Schnelting. Dem Architekten wie seinem gesamten Team ist es wichtig, die eigenen Bauvorhaben stets mit einem Blick auf Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln. „Und hier hatten wir zudem das Glück, einen Bauherrn zu haben, der dafür ein starkes Verständnis besitzt. Darüber hinaus verleiht die rohe grobe Form der Steine in Kombination mit der unnachahmlichen Patina des Materials dem Gebäude einen einzigartigen Charakter.“
„ Es war uns wichtig, dem Baukörper entlang der Zugangsstraße eine möglichst lange Fassade zu geben und den Austausch zwischen Anwohner-/innen und Agentur durch große Fensteröffnungen zu unterstützen.“
Kreativer Spielraum
Inspiration und Impulsgeber für die ausdrucksstarke Fassadengestaltung waren historische SBahnBrücken aus Berlin und London, die in ihrer Architektur Räumlichkeiten für kleine Geschäfte bieten. Gemeinsam mit der Bauherrschaft interpretierten die Architekt/innen die dort zu findenden typischen Rundbögen neu und entschieden sich für das abgewandelte Motiv der Parabelform. In Kombination mit der Materialität entstand auf diese Weise eine authentische Architektur mit zeitgenössischem Ausdruck. Massivität trifft dabei auf Lebendigkeit, denn der langgestreckte Baukörper am Eingang des neu erschlossenen Quartiers setzt als Gebäude zum einen ein starkes und identitätsstiftendes Zeichen, vermittelt aber zum anderen dank seiner großen Fensterflächen auch Offenheit und eine gewisse Interaktion zwischen Innen und Außenwelt.
Architektur mit Markencharakter
Auch die Innenräume sind geprägt durch eine Verbindung aus einfallsreich interpretierter Ursprünglichkeit und fortschrittlicher Transparenz. Für die Arbeitsplätze von insgesamt 24 Mitarbeitenden sowie ein Ton und ein Videostudio hat sich das Architekturbüro für eine Mischung aus Sichtbeton, unbehandeltem Holz, Stahl und Glas entschieden. Eingestellte Boxen, Besprechungsräume und offene Arbeitszonen bieten dabei viel Flexibilität und die individuelle Anpassung an unterschiedliche Bedürfnisse, Arbeitsweisen und das Fortschreiten neuer medialer Technologien. „Die Innenräume sollen in erster Linie den Hintergrund bieten für das kreative Schaffen der Mitarbeitenden der Agentur“, so der Architekt. „Deshalb haben wir uns für eine dezente, natürliche Farbgebung entschieden, wodurch wiederum die wenigen farbigen Elemente, wie wir sie unter anderem im Konferenzraum eingesetzt haben, umso mehr zum Strahlen gebracht werden.“
„ Die Wahl einer Farbe bestimmt die Raumwirkung ganz tiefgreifend.“
LARS SCHNELTING
Erfolgreiches Wechsel- und Zusammenspiel
Neben den Aspekten der ganzheitlichen Gestaltung und der Nachhaltigkeit war es dem Architektenteam wichtig, für alles eine wirtschaftliche Lösung zu finden – gerade hinsichtlich der Fassadenrealisierung mit den großen parabelförmigen Fenstern. „Daher fiel schon recht früh innerhalb des Planungsprozesses die Entscheidung auf ein MineralwolleWDVSystem mit Klinkerriemchen“, erklärt Lars Schnelting, „wobei uns vor allem bei der Verwendung des BacksteinMaterials der direkte Austausch mit den technischen Beratern von Brillux sehr unterstützt hat.“ Austausch und Zusammenspiel – zwei Qualitäten, die sich bei diesem Projekt sowohl in der Entwicklung und Planung als auch in der Ganzheitlichkeit der entstandenen Architektur zeigen.
Markante Elemente spiegeln den besonderen Agenturcharakter.
BRILLUX PRODUKTE
WDVSystem MW Top Keramik aus recycleten Backsteinriemchen
Floortec 2KPurolid F 878
FlexDeck 1026
2KAqua Durakett 2394
Superlux 3000
BRILLUX SCALA-FARBTÖNE weiß tiefschwarz
72.15.24
75.03.15
Architekten fragen …
Wohngesund sanieren – ohne Farbkompromisse?
Sanierungen im Bestand stellen alle Beteiligten vor komplexe
Anforderungen – besonders wenn gesundheitlich unbedenkliche, allergikerfreundliche Materialien gefragt sind, die in sensiblen Umgebungen wie Schulen oder Seniorenheimen immer mehr zur festen Vorgabe werden. Bislang bedeutete eine wohngesunde Innenraumgestaltung oft Einschränkungen bei der Farbauswahl und der Qualität oder aufwendige Recherchearbeit nach Ersatzkomponenten. Denn bei farbintensiven oder sehr dunklen Tönen stoßen viele Systeme in Bezug auf Konservierungsmittel an ihre Grenzen – oder im Kleingedruckten tauchen plötzlich doch
Anwendungseinschränkungen auf. Kann ich denn überhaupt ohne Kompromisse bei der Farbwahl Sanierungen konservierungsmittelfrei und gesundheitsverträglich planen?
Brillux Beraterteam antwortet:
Ja, das geht!
Dank der von Brillux entwickelten innovativen Ionisierungstechnologie, die zum Patent angemeldet ist und an allen Standorten implementiert wurde, kann Brillux konservierungsmittelfreie Innendispersionen in allen Farbtönen anbieten. So gehören Abstriche bei der Gestaltungsfreiheit der Vergangenheit an. Selbst bei Farbtönen, die über die Mischanlage mit extremem Pastenzusatz realisiert werden, bleibt das Endprodukt dank Ionisierungstechnologie vollständig konservierungsmittelfrei.
Farbtonvielfalt und Deckkraft
Die Vielfalt an Farbtönen erlaubt eine exakte Umsetzung gestalterischer Vorgaben und Ideen. So können zum Beispiel Charakteristiken der Bestandsidentität bei der Farbwahl passgenau aufgegriffen und wiedergegeben werden. Auch Verbesserungen für die visuelle Orientierung in Innenräumen durch starke Kontraste sind unkompliziert planbar. Die Brillux Dispersionen bieten eine exzellente Deckkraft, sodass Gebrauchsspuren, Farbunterschiede oder altersbedingte
Veränderungen im Bestand zuverlässig überarbeitet werden können – ohne Kompromisse bei Oberfläche oder Optik. Auch eine Sanierung im System ist problemlos möglich. Die ebenfalls konservierungsmittelfreien Ergänzungsprodukte wie Grundierungen und Spachtelmassen sorgen auf Bestandsflächen für optimale Ergebnisse und eine brillante Farbwiedergabe.
DGNB-Stufe 4? Selbstverständlich.
Alle konservierungsmittelfreien Produkte von Brillux erfüllen die Anforderungen für die höchste DGNBQualitätsstufe – und machen so selbst anspruchsvolle Sanierungsprojekte mit Nachhaltigkeits Zertifizierung planungssicher. Keine Einschränkungen, kein Kleingedrucktes: Wird Brillux in die Ausschreibung aufgenommen, sind automatisch alle Anforderungen erfüllt. So können bei der DGNB SanierungsZertifizierung im Bereich „soziokulturelle und funktionale Qualität“, worunter auch die Innenraumluftqualität fällt, maximale Bewertungspunkte erzielt werden.
Weitere Informationen: www.brillux.de/ konservierungsmittelfrei
RÜCKBLICK UND GESPRÄCH
26. Brillux Architekturforum im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster am 22. September 2025
Transformation, Vision und Revitalisierung
Mehr erfahren!
Machen Sie sich selbst ein Bild und stöbern Sie in unserem Rückblick mit Film und Fotogalerie. www.brillux.de/architekturforum
FOTOS
Jannik Hammes, Ochtendung
Urbanes Bauen bedeutet heute mehr denn je, Bestehendes neu zu denken und weiterzuentwickeln. Die physikalischen Grenzen der Stadtentwicklung führen dazu, dass Konzepte nicht im leeren Raum entstehen, sondern auf bestehenden Strukturen aufbauen müssen – mit all den Herausforderungen und Risiken, die dies mit sich bringt. Wie also können bestehende Stadtteile mit einer klaren Vision in lebendige Quartiere verwandelt werden? Wie werden sie den Anforderungen der„Europäischen Stadt“ gerecht? Und welche planerischen Instrumente stehen zur Verfügung, um diese Ziele zu erreichen?
Erkenntnisstark, fesselnd und live
Antworten lieferte das 26. Brillux Architekturforum den rund 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Neben dem vielfältigen Vortragsprogramm und bereichernden Begegnungen sorgten auch die beliebten Architekturexkursionen – diesmal im unverwechselbaren Stadtgefüge Münsters –für neue Erkenntnisse. Die 26. Ausgabe brachte nach den digitalen Formaten der letzten Jahre endlich wieder die besondere Atmosphäre des persönlichen Erlebens zurück.
Die durchdachte Besetzung der Vortragenden sorgte für eine vielschichtige Beleuchtung der Themen. Unter ihnen: Caroline Nagel, eine der fünf Projektdirektoren, assoziierte Partnerin und Teil des Managements bei COBE. Die coloreRedaktion sprach im Rahmen des Forums mit ihr über urbane Transformation.
Frau Nagel, welche Veränderungen haben den Charakter städtischer Quartiere im vergangenen Jahrzehnt beeinflusst? Nagel: Wir stehen vor unvermeidbaren gesellschaftlichen Veränderungen, die unter anderem durch den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt verursacht werden. Diese Dynamiken haben städtische Quartiere im vergangenen Jahrzehnt deutlich geprägt. Für eine erfolgreiche Transformation müssen sie berücksichtigt und, wo möglich, aufgebrochen werden.
Ein Positivbeispiel für mehr Lebensqualität und Wohlbefinden im städtischen Raum ist Kopenhagen. Die dänische Metropole hat sich in den letzten vierzig Jahren von einer Stadt der Autos zu einer Stadt der Menschen entwickelt. Wir von COBE gestalten diese Veränderungen aktiv mit. Unser Büro liegt im Kopenhagener Nordhafen: Der neu entwickelte Stadtteil ist zugleich unser „Best Practice“Beispiel und 1:1 Laboratorium. Der
menschliche Maßstab ist für zukunftsorientierte Planungen unabdingbar. Das hat auch der dänische Experte Jan Gehl mit seinem ikonischen Zitat deutlich gemacht: „First life, then spaces, then buildings – the other way around never works.“ („Erst das Leben, dann der urbane Raum und dann die Gebäude – umgekehrt funktioniert es nie.“) Seine Prinzipien sind so relevant wie nie. Es gilt, urbane Brachflächen zu lebenswerten Quartieren umzugestalten und zu verdichten. Dazu gehören autoarme Stadtgebiete, grüne Mobilität sowie klimaresiliente, entsiegelte Außenräume, die Artenvielfalt erhalten, Schatten spenden und Starkregenereignissen standhalten.
Wie tragen Beteiligte dazu bei, lebendige Stadtlandschaften zu kultivieren?
Nagel: Mit Mut! Mut zum Bewahren, aber auch um Geschichten weiterzuschreiben. Wir brauchen Bauherr/innen und Stadtverwaltungen, die mit neuen Lösungen arbeiten wollen. Die ganzheitlich weiterdenken und das Potenzial bestehender Strukturen erkennen. Dazu gehört auch, sich mit vorhandenen Ökosystemen auseinanderzusetzen und zu fragen, was können wir bewahren? Diese Haltung erfordert mehr Energie, bedingt aufwändigere Prozesse, wie Machbarkeitsstudien und Bestandsanalysen, liefert aber auch langfristig bessere, resilientere Lösungen.
Erkennen Sie zentrale Unterschiede zwischen Dänemark und Deutschland bei der urbanen Transformation?
Nagel: In Deutschland laufen Prozesse deutlich bürokratischer und langsamer ab. Das liegt zum Teil an veraltetem Regelwerk, aber auch am Streben nach Sicherheit. Abriss ist unkomplizierter und oft günstiger. Das Bewusstsein für den Erhalt von Kultur und Historie wächst, aber Dänemark ist schneller darin, Prozesse zu verändern. Wir schulden der kommenden Generation, dass wir auf unsere gebauten Welten achtgeben. Dazu gehört, identitätsstiftende Elemente zu erhalten und umzugestalten – nicht nur aus kultureller, sondern auch aus ökologischer Perspektive für wertvolle CO2Einsparungen. Ein Beispiel ist das Hafenquartier nördliche
Speicherstraße in Dortmund. Unsere Planungen bewahren die maritimindustrielle Geschichte des Ortes und schaffen gleichzeitig ein Quartier für alle. Essenziell für seine DNA ist das markante Silogebäude an der Speicherstraße. Wir haben es mit einer Bürgerinitiative geschafft, die Politik davon zu überzeugen, dass es erhalten bleiben soll. Nun kann das Kulturerbe sein volles Potenzial als Katalysator für die Speicherstraße entfalten.
Welche Erkenntnisse bringen Sie aus der internationalen Arbeit in Ihr aktuelles Entwicklungsprojekt, das Quartier Am Humboldthain in Berlin, ein?
Nagel: Herzstück unseres Entwurfs ist ein zentraler, grüner Quartierspark, ein Erholungsraum mitten in Berlin. Darüber hinaus greifen wir die vorhandenen, denkmalgeschützten Typologien auf und spinnen sie weiter. Wir konzentrieren uns auf den Menschen und auf Zugänglichkeit, ohne den historischen Kontext zu vernachlässigen. Das ist eine essenzielle Erkenntnis aus unserer internationalen Arbeit, aber auch Bestandteil unseres Selbstverständnisses als Architekturschaffende. Wir wollen ein einladendes Quartier mit klimagerechten und gut erreichbaren Außenräumen für die Nutzer/innen in Berlin Wedding schaffen. Damit schließt sich auch der Kreis: Urbane Transformation gelingt nur mit dem Menschen im Mittelpunkt.
Caroline Nagel, COBE, Kopenhagen
Der Israelsplatz in Kopenhagen ist ein prägnantes Beispiel für die Wandlung von der vor einigen Jahrzehnten noch autogeprägten Stadt zum heute menschengerechten, lebendigen Lebensraum.
FOTOS: Rasmus Hjortshoj
Humanfokus: Im Zentrum des Entwurfs für das neue Berliner Quartier Am Humboldthain steht ein grüner Erholungsraum für die Ansässigen.
Visualisierung: COBE
Werterhalt: Das Silo an der Speicherstraße im Dortmunder Hafen soll als kulturelle Landmarke bestehen bleiben und neu gestaltet das Quartier prägen.
Visualisierung: COBE
Nichts ist so, wie es scheint.
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein frisches Bouquet aus Pfingstrosen, Flieder oder Vergissmeinnicht, entpuppt sich bei näherem Betrachten als filigrane Skulptur aus Ton und Farbe – hauchdünn ausgerollt, handgeformt und mit größter Präzision bemalt.
Was die ukrainische Künstlerin Julia Oleynik mit viel Herz und Fingerspitzengefühl erschafft, ist florale Illusion in Perfektion. Aus Ton modelliert sie fein säuberlich jede Blume mit all ihren botanischen Details per Hand – vom zarten Knospenansatz bis zur üppigen Blüte. Mithilfe von Ölfarben, die sie Schicht für Schicht aufträgt, erzielt sie natürliche Farbverläufe und damit ein täuschend echtes Ergebnis. Ob zartes Rosa, warmes Terrakottarot oder leuchtendes Pink – die Farbgebung ist so vielfältig wie in der Natur selbst. Ihr Wissen und ihr handwerkliches Können gibt die Tonkünstlerin in diversen Online-Workshops weiter – und bringt damit Menschen auf der ganzen Welt zusammen, die ihre Leidenschaft für florale Kunst teilen.
Für Julia Oleynik ist das Gestalten selbst eine Form der Meditation. Jeder Arbeitsschritt verlangt Geduld, Konzentration und Hingabe. „Meine Liebe zum Erschaffen von Blumen ist unerschöpflich“, sagt sie. „Ganz gleich, welche Herausforderungen auftauchen – meine Kreativität gibt mir Halt und Kraft.“
Diese Ruhe und Tiefe überträgt sich auch auf ihre Arbeiten. Sie strahlen eine stille Schönheit aus und feiern die Natur in all ihrer Pracht. In einem aber übertrifft die Künstlerin das Original: Ihre Blumen verblühen nie und sind damit unvergänglich.
„Für mich ist meine Blumenkunst nicht nur das Nachbilden einer echten Blüte. Es geht darum, ihren Geist einzufangen und die Schönheit in jeder Phase ihres Lebenszyklus zum Ausdruck zu bringen.“
Clay Flowers von Julia Oleynik
Brillux Musterservice
Farbtöne und mehr
als Original
Farbtöne lassen sich im großflächigen Original und in höchster Farbtongenauigkeit am besten beurteilen.
Brillux stellt über 1.500 Originalmuster in verschiedenen Varianten als Farbfächer, in DIN A4 und DIN lang zur Verfügung.
Bestellen Sie Ihre Muster per Fax (+49 251 7188-8788) oder per E-Mail bei uns. Erfahren Sie mehr unter:
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Idee, Konzeption, Realisation: gambit marketing & communication GmbH
colore Ausgabe 32, Oktober 2025
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Die Darstellungen der Farbtöne in diesem Magazin sind aus drucktechnischen Gründen nicht verbindlich. Für die genaue Farbabstimmung benutzen Sie bitte unseren ScalaMusterservice (www.brillux.de/musterservice).
COLORE 32
Wohnquartier „Lively – Weiße Dame“ | Gronau
Caritas Hospizzentrum Mutter Teresa | Heilbad Heiligenstadt
Wohnquartier Curve | Wiesbaden
Bürogebäude Kreativagentur | Lingen
ISSN 2625-7297
DE/AT 12,80 EUR
CH 14.80 CHF
Vernakuläre Architektur
In Marokko spiegeln die Farben der alten Königsstädte ein reiches kulturelles Erbe, das auch in der modernen Bauweise Ausdruck findet.
Runde Sache Perfekt, zeitlos und universell –internationale zeitgenössische Beispiele zeigen, wie der Kreis in der Architektur nach wie vor zelebriert wird.
Ganz klar nachhaltig! Die École Jacques Majorelle in Ben Guérir vereint auf überzeugende Weise marokkanische Tradition mit ökologischen und sozialen Aspekten.