Hausfrau, Berufstätige, Mutter (Leseprobe)

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wählten Frauen bis zur Bundestagswahl 1972 mehrheitlich CDU/ CSU. Dieses Wahlverhalten lässt sich mit einer starken Kirchenorientierung erklären.37 Zudem waren Frauen – im Unterschied zu ihren Männern – wesentlich seltener gewerkschaftlich organisiert und standen damit politisch der SPD im Regelfall nicht nahe. Darüber hinaus resultierte die verbreitete Bevorzugung der Unionsparteien aus »deren Wertschätzung einer Geschlechterordnung«,38 die der lebensweltlichen Erfahrungen vieler Frauen entsprach. Bis in die 1970er Jahre hinein spielte die Debatte um die Frage der Gleichberechtigung keine entscheidende Rolle bei den Bundestagswahlen. Das änderte sich erst, als immer mehr Studentinnen, Akademikerinnen und im Dienstleistungssektor beschäftigte Frauen in die SPD eintraten und die Geschlechterrollen zu einem zentralen politischen Thema machten. Gleichberechtigung und Partnerschaft wurden zu gesellschaftlich verhandelten Leitmotiven, die die SPD bediente und damit nun eine Mehrheit der Wählerinnen ansprach. Zur Veränderung des Wahlverhaltens der Frauen trugen auch der Anstieg des weiblichen Bildungsniveaus, eine gestiegene Erwerbsquote sowie der allgemeine Bedeutungsverlust christlicher Glaubensgrundsätze bei.39

Zeit der Reformen: Die 1960er und 1970er Jahre

In der DDR blieben im Familienrecht zunächst die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) von 1900 bestehen. Nachdem 1954 der erste Versuch einer umfassenden Rechtsänderung gescheitert war, wurde ein Jahr später die Eheverordnung erlassen, wodurch zum Beispiel Scheidungsverfahren nicht mehr nach dem im BGB festgeschriebenen Schuldprinzip geregelt waren. Erst als die SED-Führung im Dezember 1965 das Familiengesetzbuch (FGB) erließ und das Gesetz im April 1966 in Kraft trat, kam es zu einem Bruch mit der Rechtstradition und einer Abgrenzung vom Westen, da nun das Ideal der sozialistischen Familie rechtlich kodifiziert wurde. Als »kleinste Zelle der Gesellschaft«40 basierte die Familie demnach einerseits auf einer auf Lebenszeit geschlossenen Beziehung und der Gleich28

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Familie – Mutterschaft – Haushaltsführung

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