Die Intelligenzsiedlungen in Ost-Berlin (Leseprobe)

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Neben der Schaffung von Wohnraum für herausragende Persönlichkeiten der Intelligenz – in Ost-Berlin der Bau von drei Intelligenzsiedlungen – wurden ihnen weitere Privilegien eingeräumt (siehe Kapitel »Privilegierung der Intelligenz«) . Ihre Besserstellung nach 1948 beruhte nicht etwa auf der Lobbyarbeit ihrer Interessengruppen, obgleich es einzelne Beschwerden zum Beispiel über fehlende Kleidung und Schuhwerk, fehlenden Bohnenkaffee oder Tee, um die körperliche Mattigkeit zu überwinden, mangelnde Versorgung mit Kohle/Koks gab, sondern wurde »von oben« erwünscht, gefördert, geplant und organisiert. Doch kam es immer wieder zu Einschränkungen von Vergünstigungen. Auch durch Stalins Erwartung eines neuen Weltkriegs wurde die soziale Lage der Intellektuellen beeinträchtigt. Freiberuflern wurde die Möglichkeit einer Sozialversicherung in der Staatlichen Versicherung genommen, die Versorgung mit Mangelwaren für die Intelligenz, ebenso Wohnraumzuweisungen und Urlaubskontingente wurden eingeschränkt.15 Die Vertreter der Intelligenz waren keineswegs die einzige Gruppe, die Privilegien genoss. Insbesondere hatten sich die hohen Funktionäre aufreizend materiell bessergestellt und »in Wort und Bild, in Gips und Bronze« beweihräuchert. Diese Selbstprivilegierung, welche die Intelligenz aus eigener Kraft gar nicht erreichen konnte, wurde zum Beispiel von Friedrich Wolff, 1947 Vorsitzender der SED-Studentengruppe und späterer Rechtsanwalt von Walter Janka (1957) und Erich Honecker (1992), in einem Papier kritisiert, das sich auf die Diskussionsgrundlage bezog, die das Zentralsekretariat der SED für den V. Parteitag (1958) vorlegte.16

Die politische Situation Am 10. Juni 1945 wurde mit dem Befehl Nr. 2 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Bildung antifaschistischer Parteien zugelassen.17 Schon einen Tag später wurde die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gegründet, dann die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die Christlich-Demokratische Union (CDU) und die Liberal-Demokratische Partei (LPD). Alle Parteien beschlossen »unter gegenseitiger Anerkennung ihrer Selbstständigkeit die Bildung einer festen Einheitsfront der antifaschistischen Parteien, um mit vereinter Kraft die großen Aufgaben zu lösen.18 Damit war der Grundstein für die Blockbildung aller vier Parteien im »Antifa-Block« gelegt. Bestärkt wurde die antifaschistische Zielsetzung der SBZ und späteren DDR durch die politische Idealisierung des kommunistischen Widerstands im Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg, oberhalb von Weimar.19 Buchenwald wurde nicht zum symbolischen Ort des konkreten Erinnerns, sondern mutierte zu einer Bekenntnisideologie, die die grundlegenden Werte der SBZ und DDR bildeten: Humanismus, Bildung

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die zeit zwischen 1945 und 1961 in der sbz/ddr

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