Am Rande Berlins (Leseprobe)

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Das Berliner Arbeitshaus »Ochsenkopf«

In der Geschichte der öffentlichen Armenfürsorge gehörten Zucht- und Arbeitshäuser in Deutschland seit dem 17. und 18. Jahrhundert zu zentralen Institutionen der Fürsorge, die häufig sehr unterschiedliche Funktionen erfüllten.1 Einerseits dienten sie als Straf- und Erziehungsanstalt für Bettler, Kleinkriminelle oder auch Prostituierte, die hier zur Maßregelung und Disziplinierung eingewiesen wurden und zu diesem Zweck diverse Arbeiten zu verrichten hatten. Andererseits wurden diese Einrichtungen in vielen Fällen aber auch als allgemeines Armenhaus genutzt, in dem insbesondere verarmte alte und hilfsbedürftige Personen, Menschen mit psychischen Erkrankungen oder auch obdachlose Familien und Waisenkinder notdürftig versorgt und mit ihrem gesundheitlichen Zustand entsprechenden Arbeiten beschäftigt wurden.2 In Berlin bestand eine solche Einrichtung seit dem frühen 18. Jahrhundert, wurde dann 1742 in ein ehemals der Schlachter-Innung gehöriges Haus am Halleschen Tor verlegt, dessen Fassade mit Ochsenköpfen verziert gewesen sein soll und daher bis weit ins 19. Jahrhundert hinein im Volksmund als »Ochsenkopf« bezeichnet wurde.3 Allerdings war das Arbeitshaus wegen Platzmangels bereits 1758 an den späteren Alexanderplatz verlegt worden, wobei der eigenwillige Name aber unverändert fortbestehen sollte. Als eine zentrale Armenanstalt der Stadt diente das Haus dann regulär zur Aufnahme von rund 600 Personen, die sich hier zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus den unterschiedlichsten Personenkreisen und Altersklassen zusammengesetzt haben: Bettler, Landstreicher und Kleinkriminelle sowie Menschen mit unheilbaren Leiden oder psychischen Erkrankungen, Prostituierte und auch Obdachlose wurden hier im Falle der Bedürftigkeit oder eben auch zu disziplinarischen

1 Allgemein zur Bedeutung der Zucht- und Arbeitshäuser als Teil der Armenfürsorge vgl.: Christoph Sachße/Florian Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg, Stuttgart u. a. 1998², S. 113-125. 2 Ebd., hier bes. S. 115ff. 3 Zur Entstehungsgeschichte und frühen Einrichtung des Berliner Arbeitshauses vgl.: Johann Gottfried Andrae, Geschichte des Irren- und Arbeitshauses zu Berlin. Auszug aus einer größeren Schrift über diesen Gegenstand, Berlin 1844.

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