Der Rest ist Mut (Leseprobe)

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Vorab

April 2020. Sommersonne, ein sanfter Wind. Ich bin spazieren in einer Gegend Berlins, die ich seit langem kenne. Von der Gotzkowskibrücke links Richtung Huttenstraße, wo Moabit immer noch, wie vor 35 Jahren, zerfleddert in Autohäuser, Motorradkneipen und Fabriklofts. Hier hatten die Spliffer ihr Studio. Anfang der Achtziger ging ich hier ein und aus, meist lief ich vom U-Bahnhof Mierendorffplatz her, nervös, angekratzt und stolz, dass ich an diesem begehrten Ort meine Lieder aufnehmen durfte. Nina Hagen, Nena, jetzt ich. Nebenan war das Lager von Revue, der Beschallungsfirma, da wuchteten sie die größten Geräte herum und man konnte beim Zuschauen lernen, was harte Arbeit ist. Am 26. April ’86 kam ich dort vorbei, um ein paar Bänder mit Schlagzeugspuren abzuholen, denn damals machten wir meine nächste Platte in einem kleinen Studio in Neukölln. Das von der inzwischen angesagten Band Spliff war zu teuer geworden, und ich gefiel mir darin, es diesmal mit einer eigenen Band ganz im Alleingang zu schaffen. »Diesmal hat’s aber richtig gekracht«, empfing mich Reinhold Heil im kleinen Besucherraum, »Reaktor 4 ist explodiert, schon gehört? Ein altes Kernkraftwerk, der Ort heißt Schernobel oder so.« Ich hatte nichts gehört auf dem Weg. Dass man Neuigkeiten vom mobilen Telefon tankt, gab es noch nicht. Jemand hatte in der U-Bahn gesagt, in Polen wäre was passiert. Vorab

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