Geteilte Beobachtungen
Wie wirkt sich die Coronavirus-Pandemie auf konkrete Lebensverhältnisse weltweit aus? Wie wirkt das Globale im Lokalen? Unter dem Titel Geteilte Beobachtungen versammelt die Akademie der Künste der Welt (ADKDW) in Kooperation mit dem Kölner Stadt-Anzeiger Texte von Mitgliedern der ADKDW zur weltweiten Situation seit Frühjahr 2020. Die ADKDW ist eine in Köln ansässige gemeinnützige Kultureinrichtung, die sich jenseits der eurozentristischen Doktrinen der Kulturgeschichte bewegt. Sie initiiert, produziert und organisiert Veranstaltungen in unterschiedlichen künstlerischen und diskursiven Sparten. Die Mitglieder – nationale und internationale Künstler*innen, Kurator*innen, Autor*innen und Wissenschaftler*innen – fungieren als Think-Tank und geben den Orientierungsrahmen für das künstlerische Programm der ADKDW vor
1
Was auf dem Spiel steht Text: MADHUSREE DUTTA Lektorat: ROMY FURSLAND Übersetzung: KATHARINA FREISINGER
Sunset Repellant, public installation by 2020 group, Mumbai in 2018
An kaum einer öffentlichen Einrichtung gehen die Unsicherheiten der aktuellen Zeit spurlos vorbei. Für eine Institution wie die Akademie der Künste der Welt (ADKDW) – 2012 ins Leben gerufen mit dem Ziel, „die Kräfte von Kunst und öffentlichem Diskurs zu mobilisieren und die Potenziale einer interkulturellen Stadtgesellschaft aufzuzeigen“ – könnte die Pandemie besonders gravierende und weitreichende Folgen haben. Die Verbreitung des Coronavirus rüttelt am Fundament dessen, was wir im Allgemeinen unter Globalisierung verstehen: wirtschaftlichen Opportunismus und weltweiten Austausch. Das öffentliche Leben schrumpft auf die kleinsten sozialen Einheiten zusammen. Damit wir verstehen, was auf dem Spiel steht – und wie wir dennoch nach vorne schauen können –, haben einige ADKDW-Mitglieder ihre Beobachtungen in Texten festgehalten, die wir im Rahmen der Reihe Geteilte Beobachtungen veröffentlichen werden. Die Autor*innen sind in verschiedenen kulturellen Nischen und
Disziplinen rund um den Globus tätig. Sie sind der unserer Institution. In den folgenden Ausgaben gewähren uns fünf von ihnen Einblicke in die jeweils lokalen Aspekte der globalen Krise – in geografischer, kultureller und politischer Hinsicht.
MADHUSREE DUTTA ist Filmemacherin, Autorin und Kuratorin. Seit 2018 ist sie die künstlerische Leiterin der ADKDW. Zuvor war sie von 1998 bis 2016 Geschäftsführerin von Majlis, einem Zentrum für Frauenrechte und interdisziplinäre Kunstinitiativen in Mumbai. 2019 wurde sie vom Kölner Kulturrat zur Kulturmanagerin des Jahres gekürt. Fotografie: Dörthe Boxberg
Paradoxerweise scheint die Corona-Pandemie 2020 die erste Krise jener Art zu sein, die alle Menschen auf der Welt (der Effekt des Virus auf andere Lebewesen ist uns noch nicht bekannt) zu potenziellen Opfern macht. Kriege, Epidemien, Katastrophen und wirtschaftliche Zusammenbrüche – in der Vergangenheit hatten sie alle mehr oder weniger regionale Auswirkungen. Oft erwies sich das Leid einer bestimmten Gruppe als Chance für eine andere; im besten Fall erweckte es Mitgefühl und motivierte zu Hilfsaktionen und solidarischem Handeln. Doch das Coronavirus erscheint in vielerlei Hinsicht als großer Gleichmacher. Es hat sich auf dem gesamten Globus ausgebreitet und damit ein Ausmaß erreicht, das wir bisher nur aus mythologischen Erzählungen kannten. Da die Medizin an ihre Grenzen stößt, ist die einzige gangbare Gegenmaßnahme sozialer Natur ein Distanzhalten zu Gegenständen und anderen Menschen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Entgegen dem Impuls, sich