36
CC: Die Mitglieder der Akademie der Künste der Welt fungieren als Think-Tank und geben den Orientierungsrahmen für das künstlerische Programm der Akademie vor. Im Members’ Corner gibt je ein Mitglied Einblick in ihre*seine aktuelle Arbeit.
37 Members’ Corner
Fabischs simbabwischer Traum Text: Percy Zvomuya
In meiner prägendsten Erinnerung an Reinhard Fabisch – zwischen 1992 und 1995 Trainer der Fußballnationalmannschaft Simbabwes – wartet er am Cairo International Airport auf den Rückflug nach Harare. Man sieht ihn im Profil, den Kopf mit einer Art Turban bandagiert, nachdem seine Mannschaft gerade ein äußerst hitziges Spiel verloren hatte. Das Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft 1994 am 28. Februar des Vorjahres gegen Ägypten ging mit 2-1 verloren. Gegen Ende des Spiels musste der deutsche Trainer auf dem Spielfeld liegend medizinisch versorgt werden, nachdem er von einer Rakete eines ägyptischen Hooligans am Kopf getroffen worden war. Im Falle eines Sieges im Nasser Stadium (heute Cairo International Stadium) wäre Simbabwe für die Weltmeisterschaft in den USA qualifiziert gewesen. Dabei hatte Stürmer Agent ‘Ajira’ Sawu Simbabwe mit einem Lupfer zunächst früh in Führung gebracht. Wenig später hätte Coventry City-Stürmer Peter Ndlovu – der erste afrikanische Spieler in der 1992 neu gegründeten englischen Premier League – den Vorsprung sogar ausbauen können, brachte den Ball alleine vor dem Keeper jedoch nicht im Tor unter. Die FIFA setzte das Spiel zwar aufgrund der damaligen instabilen Lage in Ägypten und den in diesem Zusammenhang aufgetretenen Sicherheitslücken an einem neutralen Ort (in Lyon/Frankreich) neu an. Dies sollte Simbabwe jedoch nichts nutzen: Das Spiel endete 0-0. Am 1. März 1993 brachte die staatliche Tageszeitung The Herald mit ihrer Titelschlagzeile das Ergebnis der Amtszeit des deutschen Trainers – die so viel versprach aber letztlich so wenig davon einhielt – treffend auf den Punkt: „Ein Traum geht zu Ende”. Doch auch wenn Fabischs Team ebenso wie die Mannschaften der Vorjahre letzten Endes scheiterte, vermochte es doch wie keines zuvor das Land zu elektrisieren. Zehntausende Zuschauer*innen strömten regelmäßig ins National Sports Stadium, um die liebevoll als „Dream Team” bezeichnete Mannschaft spielen zu sehen, und vor den Fernsehgeräten versammelten sich gar mehrere Millionen. © Gideon Mendel / Getty Images
Sein Amt als Cheftrainer der Nationalmannschaft trat der Deutsche (der von 1969 bis 1971 für Borussia Dortmund spielte, dort aber auf keinen Einsatz im Seniorenteam kam) im Jahr 1992 an. Zu Beginn seines Engagements mahnte er an, dass die fußballbegeisterte Nation keine „unmittelbaren Ergebnisse“ erwarten solle. Dieser vorsichtigen Einschätzung folgten jedoch in kürzester Zeit immense sportliche Verbesserungen. Im ersten Jahr seiner Amtszeit verlor das Team in 13 Spielen nur ein einziges Mal und das National Sports Stadium wurde zu einer Art Festung, in der die Mannschaft ungeschlagen blieb. Sogar erfolgreiche Nationalteams wie Ägypten und Kamerun konnten bezwungen werden. (Ägypten gewann den Afrika-Cup 1957, 1959 und 1986, Kamerun errang dieselbe Trophäe in den Jahren 1984 und 1988 und erreichte bei der Weltmeisterschaft 1990 das Viertelfinale.) Fabisch war ein Draufgänger und vermochte zu begeistern. Er brachte die simbabwischen Spieler dazu, immer an ihr Potential zu glauben, selbst wenn sie gegen vermeintlich stärkere Teams antraten. Fabisch ermutigte seine Mannschaft immer an die eigene Stärke zu glauben, ganz gleich wer der Gegner war. Vor einem Spiel in Kamerun – das zuvor 12 Jahre lang kein Heimspiel verloren hatte – ließ er verlauten: „Die Spieler der Nationalmannschaft können jedes Team der Welt schlagen.
Percy Zvomuya, © Mpofu
Ich glaube fest daran, dass wir eine sehr gute Chance haben in Kamerun zu gewinnen.” Er wusste, dass Spiritualität in Simbabwe eine große Rolle spielte und ging offen damit um: „Wenn wir am Sonntag verlieren bedeutet das nicht das Ende der Welt. Und was juju oder muti anbelangt: Solange es meiner Auffassung von Professionalität nicht in die Quere kommt, wäre es töricht von mir diese Dinge zu ignorieren.” Fabisch war in Simbabwe im Allgemeinen und bei seinen Spielern im Besonderen auch deshalb so beliebt, da er im Namen seiner Mannschaft auch nicht davor zurückschreckte, sich gegen korrupte Funktionäre zu stellen, die nur ihre persönlichen Interessen im Sinn hatten. Auch die Heirat mit einer Schwarzen simbabwischen Frau war seiner Beliebtheit sicherlich nicht abträglich. Als er einmal zu seiner Meinung über die Zimbabwe Football Association (ZIFA) gefragt wurde, gab er zu Protokoll: „Ich habe im Verlauf meiner Karriere in Asien und Afrika schon viele unfähige Funktionäre erlebt, aber hier ist es mit Abstand am Schlimmsten. Sie sollten einfach ihre Sachen packen und dem Fußball den Rücken kehren.” Im Nachhinein betrachtet war Fabischs Mannschaft möglicherweise auch deshalb derartig beliebt, da sie eine gewisse Aura umgab, ein in den 1990er Jahren generell in der Luft liegender Optimismus, der mit den Heldentaten des Teams einherging. Bedenkt man, dass Simbabwe nur einen Sieg von der Qualifikation für die Weltmeisterschaft sowie zehn Minuten von der Qualifikation für den Afrika-Cup entfernt war, überkommt einen das überwältigende Gefühl einer unerfüllten Bestimmung. Genauer betrachtet teilt das „Dream Team” dieses Schicksal mit Simbabwe als Nation, die sich in einer mittlerweile seit drei Jahrzehnten anhaltenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Krise befindet. Reinhard Fabisch wurde 1951 geboren und starb im Juli 2008 im Alter von 57 Jahren. Dies ist ein Arbeitsdokument und Teil eines längeren Artikels über Fabisch, sein Dream Team und die Jahre voller Optimismus während seiner Amtszeit als Fußballnationaltrainer Simbabwes.