VOM SAUMWEG ZUM MUSEUM – EIN JAHRZEHNT FÜR DIE OBWALDNER KULTURGESCHICHTE Martin Berweger
Von einem vergessenen Saumweg-Teilstück, einer lehrreichen Themenweg-Wanderung und wie ein weisser Fleck auf der archäologischen Landkarte der Schweiz farbig wird. Welches Potential archäologische Forschungen haben, zeigt ein besonderes Projekt am Brünig.1
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n den Jahren 2012–2017 führten die Arbeitsgemeinschaft Prospektion Schweiz (AGP) und die Vindonissa-Professur (Universität Basel) am Brünig archäologische Prospektionen durch. Ihre Resultate haben das Wissen zum Brünig als historischen Passübergang deutlich erweitert. Der aus dem Projekt entstandene Verein Pro Historia Brünig (PHB) setzte sich ab 2017 dafür ein, die Ergebnisse der Prospektionen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, woraus die Erlebnisausstellung Fundort Brünig (siehe Kasten) entstand. Die Idee zur Instandsetzung des Saumweges im Gebiet Cholhüttliwald ergab sich mit der Erstellung des Konzeptes für die Ausstellung und mit der Suche nach Publikumsmagneten. Der Brünig-Saumweg Der Brünig-Saumweg von Obsee, Lungern (696 m ü. M.) bis kurz unterhalb der Passhöhe (1008 m ü. M.) ist der letzte Abschnitt der im IVS mit nationaler Bedeutung ausgewiesenen Verkehrsachse im Kanton Obwalden (IVS OW 3.1.10). Er geht möglicherweise auf die römische Zeit zurück und diente dem regionalen Warenaustausch zwischen Obwalden, dem Berner Oberland und dem Wallis. Der Pass scheint bereits in vorrömischer Zeit begangen worden zu sein. Dies belegen die archäologischen Funde aus dem Neolithikum, aus der Bronze- und der Römerzeit. Ab dem Spätmittelalter gehörte die Wegstrecke über den Brünig zur sogenannten SbrinzRoute durch das Haslital zum Grimsel- und Griespass und weiter nach Oberitalien. Der 3,7 km lange Saumweg am Nordhang des Brünigs besticht durch seine Schönheit, denn die meisten Abschnitte sind naturbelassene Hohlwege, die im Schatten des Waldes auch gut im Sommer begangen werden können. Bis anhin war der Weg hauptsächlich regional bekannt und wurde von Einheimischen und Pilgern benutzt. Am bekanntesten ist die eindrückliche Steintreppe als Zugang zur ersten Geländestufe bei der Hagsflue, wo Reste der alten Wegpflästerung zu entdecken sind. Bis zur zweiten Geländestufe bei der Balmiflue folgen zwei aufgelassene und fast unberührte, historische Wegabschnitte. Nach der Balmiflue, wo ein Flachbeil aus Kupfer und damit schweizweit einer der ältesten Metallgegenstände gefunden wurde, verläuft der Weg in erhöhter Lage am rechten Talhang der Brünig-Ebene entlang. Beim Sager’s Chäppeli, wo sich die Talsohle verjüngt, führt der neu erstellte Wanderweg in Richtung Cholhüttliwald. Am Fundort eines 2013
52 Wege und Geschichte | Les chemins et l’histoire | Strade e storia
entdeckten Silbermünzschatzes und den Überresten der alten Köhlerhütte vorbei erreicht man die alte, bis anhin unbekannte Wegscheide unterhalb der Brünig-Passhöhe. An diesem Ort trennten sich die Wege Richtung Hasliberg und Bern. Die Instandsetzung im Gebiet des Cholhüttliwaldes Obwohl bereits bei der archäologischen Prospektion alte Wegspuren gefunden wurden, endet der im IVS ausgewiesene Weg am rechten Hangbereich etwa 600 Meter unterhalb der Passhöhe. Auch der offizielle Wanderweg folgt nicht mehr dem logischen Verlauf im Talgrund, sondern führt auf einer jüngeren Bewirtschaftungsstrasse Richtung Passhöhe. Die Lösung des Rätsels fand sich im Staatsarchiv Obwalden in einer bisher unbekannten Geländeaufnahme im topografischen Plan, den Ingenieur Caspar Diethelm 1855 für den Bau der Brünig-Strasse angefertigt hatte (Abb. 2). Dieser Plan zeigt den Verlauf des Saumweges vor dem Bau der Strasse und der Bahn. Es ist ersichtlich, dass sich die Wege Richtung Bern und Hasliberg nicht wie bis anhin angenommen auf der Passhöhe trennten, sondern rund 400 Meter nordöstlich davon in der Nähe der heutigen Brünig-Schwing-Arena. Im Gegensatz zur Karte von Diethelm zeigen die Siegfried-Karte und die Landeskarte bis 1965 keine Wegscheide, sondern nur den Weg nach Bern. Ab 1966 ist auch dieser nicht mehr kartiert. Wir gehen davon aus, dass der Weg zur Passhöhe nur bis zu diesem Zeitpunkt begangen wurde.
01/2021