STADTGRÜN
Veilchen so weit das Auge reicht Während die Natur draussen erst langsam erwacht, blüht es in der Stadtgärtnerei Thun schon lange. In den Wintermonaten wurden dort die Blumen herangezogen, die bald die ganze Stadt schmücken werden. Ein Augenschein im Reich der Blüten. Es riecht intensiv nach Erde, Dünger, Natur. Erst nach einigen Minuten macht sich auch der zarte Duft der blühenden Veilchen bemerkbar. Wie eine Schar aufgeregter Kinder stehen sie dicht aneinandergedrängt in einem der Treibhäuser der Stadtgärtnerei beim Friedhof. Stiefmütterchen so weit das Auge reicht: blaue, gelbe, violette, gesprenkelte. Die farbigen Blüten scheinen miteinander um die Wette zu leuchten. Dass sie so gut gedeihen, ist das Verdienst von Markus Weibel, Leiter Stadtgrün, und seinem Team. Täglich kümmern sie sich um die Pflanzen in der Stadtgärtnerei
Thomas Schneider, Leiter Produktion Anlageunterhalt, beim Eintopfen.
und um all jene Bäume und Blumen, die auf öffentlichem Grund in Thun wachsen.
ben bleiben. Die Pflanzen zu stärken und widerstandsfähig zu machen gegen Schädlinge und Witterung, gehört zu den wichtigsten
250 000 Pflanzen pro Jahr
Aufgaben eines Gärtners. «Wir arbeiten mit Lebewesen, da kann
Herr über die Zöglinge in den Gewächshäusern ist Thomas Schnei-
viel passieren», sagt Schneider. Bis jetzt hatte man in Thun Glück:
der, der Leiter Produktion Anlageunterhalt. Nicht ohne Stolz blickt
Auch dank professioneller Pflege konnte der Ausfall durch Krank-
er über sein Blütenreich. «Da geht mir das Herz auf, wenn ich es
heiten und Schädlinge in Grenzen gehalten werden. Schneider
blühen sehe», sagt Schneider und streicht mit seinen Händen fast
weiss von Betrieben, die ganze Gewächshäuser voller Pflanzen
zärtlich über die grünen Blätter einer Pflanze. «So saftig grüne und
entsorgen mussten.
kräftige Exemplare findet man beim Grosshändler nicht», sagt der Gärtner. Unter seinen Fingernägeln klebt ein wenig Erde. Gemein-
80 Prozent aus Afrika
sam mit seinen vier Mitarbeitenden produziert Thomas Schneider
80 Prozent der Pflanzen in der Stadtgärtnerei werden als Steck-
eine Viertelmillion Pflanzen pro Jahr. 400 Sorten kennt er beim
linge zugekauft. Die meisten kommen aus Afrika – Kenia und Äthi-
Namen – dem deutschen und dem lateinischen. Wie alle Gärtne-
opien. Dort ist das Klima ideal. Ist das nicht ökologischer Unsinn,
rinnen und Gärtner. Seine liebste Blume ist die Tulpe, weil sie zu
die Pflanzen von so weit her zu importieren? «Nein», erklärt
den ersten im Jahr gehört: «Sie ist eine Frühlingsbotin, blüht und
Schneider, «im Gegenteil. Müsste man die Pflanzen im Winter bei
irgendwann ist der Zauber vorbei, und man kann sich im nächsten
uns produzieren, bräuchte man viel zu viel Energie.» Einige Pflan-
Jahr wieder darauf freuen.»
zen lassen sich aber vollumfänglich hier produzieren. Säen, pikieren, eintopfen, so lautet die Arbeitsabfolge. Die Aussaat ist ein
Risiko bei der Arbeit mit Lebewesen
beliebtes Prüfungsthema und verlangt einiges an Fingerspitzen
Plötzlich greift Thomas Schneider in den Pflanzenteppich und
gefühl und Know-how. Von der Beschaffenheit der Erde bis zur
hebt eine Primel hoch. Sie lässt den Kopf hängen, auch die Blätter
Menge des Wassers muss alles genau stimmen, damit aus den
sind welk. «Raupenbefall», erklärt er. Einige Pflanzen haben den
winzigen Samen ein Pflänzchen entsteht. Haben sie eine gewisse
Schädling nicht überlebt. Auch im Gewächshaus daneben kämp-
Grösse, werden die eng stehenden Sämlinge pikiert, d. h. in etwas
fen die Gärtner gegen einen Schädling, die weisse Fliege. Über
grössere Gefässe mit mehr Abstand gepflanzt. Schliesslich werden
den Töpfen hängen gelbe Zettel, an denen die kleinen Fliegen kle-
sie eingetopft.
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