gesund sein | heilpflanze
Der Zenmeister Der Baldrian ist der Meditationslehrer unter den Pflanzen. Er öffnet Herzen. Und er lehrt uns, zur Ruhe zu kommen, Stille zu erfahren, zu uns selbst zu kommen. So ist Baldrian ein idealer Begleiter für den Übergang in die winterliche Tiefe. Text: Steven Wolf
Bald ist es so weit! Samhain naht. Für Hexen ist es das Fest der Feste, das in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November gefeiert wird. Uns ist es besser bekannt als Allerheiligen oder Halloween. Damit endet die helle und warme Jahreszeit. Samhain naht: «Wo tanzen die Ahnen in finsterer Nacht, Ist Cailleach * unter dem Holler erwacht. Die Schleier sind brüchig in dieser Zeit, wenn die Magie des Lebens sich mit der des Todes vereint. Wohl an, deckt die Tische mit Speis und Trank, Entfacht die Feuer und schenkt der Göttin euren Dank. Das Hexenjahr dem Ende sich neigt, Wenn der erste Strahl der Sonne sich zeigt.»
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Das Kräuterjahr dem Ende sich neigt, wenn nach der Samhainnacht der erste Strahl der Sonne sich von neuem zeigt.
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Im Zeichen der Luft So lautet ein Gedicht, dessen Urheber ich nicht eruieren konnte. Ich würde das letzte Zeilenpaar abwandeln: «Das Kräuterjahr dem Ende sich neigt, wenn nach der Samhainnacht der erste Strahl der Sonne sich von neuem zeigt.» Zumindest oberirdisch verabschieden sich viele Heilkräuter. Unterirdisch kommen manche aber erst jetzt in die volle Kraft. Zum Beispiel der Baldrian, dessen Wurzelstock man im Herbst – oder aber im Frühjahr, vor dem Austreiben – erntet. Der Baldrian (Valeriana officinalis) ist ein Meisterkraut der inneren Stille, der Achtsamkeit und der Vermittlung. Er wächst in feuchten Waldlichtungen, an Waldrändern und auf feuchten Wiesen, in der Nähe von Bächen, Flüssen und Seen. An seiner schlanken, aufrechten und hohen Gestalt erkennt man im Baldrian die Präsenz des Planeten Merkur. Auch sein rhythmischer Aufbau, die Blatt-Stängelausprägung, der hohle Stängel und seine rosa schimmernden Schirmblütendolden verweisen auf den geflügelten Götterboten Merkur. Der stärkste Teil des Baldrians ist in seiner Wurzel verborgen: die Merkurpflanze bildet einen kräftigen, gelblichweissen Wurzelstock mit vielen Nebenwurzeln und kurzen Ausläufern. Der intensive Baldriangeruch entwickelt sich erst mit dem Trocknen der Wurzel. * eine hexenhafte Riesin
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Die Merkurenergie ist dem Element Luft zugehörig. Die Leichtigkeit und die Beweglichkeit des Luftelementes machen uns wach und dynamisch. Das hilft, uns für Neues zu öffnen und Unbekanntes besser zu verstehen – Merkurpflanzen dienen in Kräuterrezepturen immer als Vermittler, Friedensstifter und Brückenbauer. Deshalb besitzt der Baldrian eine enge Verwandtschaft zum Lebensgeist, zum Spiritus vitalis. Seine äusserst flinke Energie lässt einem die Leichtigkeit des Lebens spüren. Baldrian gilt als Vermittler zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein ebenso wie zwischen Götterwelt und irdischen Mächten. Die Merkurkraft im Baldrian beherrscht die Balance des Stoffwechsels, des Hormonsystems, der Sprech- und Hörorgane und der Atemwegsorgane. Er wirkt auf den Blutdruck, den Puls, die Atemfrequenz und reguliert die Verdauung. Mit seinen rhythmisch angeordneten Blättern, dem gekerbten Stiel, den weissrosafarbenen Schirmdolden und dem süsslich/schweren Duft, gibt sich der Baldrian als Nerven- und Herzpflanze zu erkennen. Der von Merkur geprägte Baldrian wirkt aus unserer Mitte heraus. Er harmonisiert den Rhythmus des Ein- und Ausatmens, des Herzschlages und der An- und Entspannung. Es ist dieser harmonisierende, rhythmische Pol, der uns gesund hält. Warum? Weil das ganze System Mensch Rhythmus ist. Herz- und Atemfrequenz, Kreislauffunktion, Darmbewegung,