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Ein Kleinflugzeug der leisen Art Fluglehrer Marco Buholzer ist der Erste in der Schweiz, der mit einem E-Flugzeug Privatpiloten ausbildet. Die emissionsfreie Pipistrel Alpha fliegt effizient vom Flugplatz Schänis aus und bald auch von anderen Flugplätzen. REPORTAGE FELIX MAURHOFER
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er Himmel über Schänis ist bedeckt, und die Wolken spiegeln sich in den Regenpfützen auf der Piste des Flugplatzes. Vor dem Holzhangar, an dessen Decke zahlreiche Segelflugzeuge aufgehängt sind, steht ein modernes, zweiplätziges Propellerflugzeug. Dahinter ist Fluglehrer Marco Buholzer daran, die Pipistrel Alpha, so heisst der Elektroflieger, startklar zu machen. Der passionierte Pilot hat viele Fluglizenzen vom IFR-Fluglehrer über das Segelflugbrevet bis zum Linienpiloten im Sack. «Auch wenn man dieselbe Strecke hundert Mal geflogen ist, in der Luft sind das Licht, das Wetter und die Farben immer anders», erklärt er seine Faszination fürs Fliegen. Weil ihn auch das Beherrschen der Fluggeräte begeistert und leider die Motorfliegerei an Akzeptanz verliert, kommt ihm die E-Fliegerei gerade recht. «Dadurch wird der Motorflug auch in Zukunft seine Berechtigung haben, und wir können Piloten emissionsfrei ausbilden.»
E-Fliegerei fördern Die Kabine bietet erstaunlich viel Platz, und das Cockpit ist mit den modernsten Instrumenten bestückt. Marco steuert zum Anfang der Piste, schiebt den Schubhebel nach vorne, und nach wenigen Metern Rollstrecke steigt die Pipistrel schnell und lautlos in den Himmel von Schänis. Es ist beeindruckend, mit wie viel Leistung der 60-Kilowatt-Elektromotor die Propellerblätter antreibt und das 550 Kilogramm leichte Experimentalflugzeug in die Höhe hebt. Der Pilot nimmt etwas Leistung zurück und steuert den Zweisitzer Richtung Walensee. Man sitzt in einem Motorflugzeug, hört aber nur die Windgeräusche, es steigt kein Benzingeruch in die Nase, 40 touring eMotion
das Dach des Hangars mit Solarzellen ausgestattet werden. «Wir wollen unseren Strom für den Flugplatz und unsere Elektroflugzeuge selbst produzieren, um ausschliesslich mit eigener, erneuerbarer Energie in die Luft zu gehen.»
Tiefe Betriebskosten und Vibrationen sind ebenfalls nicht vorhanden. Die Zukunft der Motorfliegerei? Fluglehrer Buholzer ist davon überzeugt. «Wir können jetzt mit Flugschülern die vielen Starts und Landungen lautlos üben, das ist ein gewaltiger Fortschritt», meint er. Das behördliche Zertifizierungsverfahren dauerte rund fünf Jahre. Im Sommer 2020 hat der slowenische Hersteller nun zwei zugelassene Serienmodelle nach Schänis überflogen. Buholzers Ziel ist, zusammen mit dem Schweizer Importeur Marc B. Corpataux und dem Hersteller die E-Fliegerei in der gesamten Schweiz zu fördern. Das Projekt ist eingegeben, und die Behörden haben finanzielle Unterstützung zugesagt. Dereinst sollen bis zu zehn E-Flugzeuge in der Schweiz unterwegs sein.
Ökostrom selber produzieren Inzwischen fliegt die Pipistrel hoch über Glarus Richtung Klöntalersee und an den Flanken des Glärnisch vorbei. Was wohl die Gämsen denken, wenn das E-Flugzeug plötzlich wie ein soarender Adler auftaucht? Das 200 000 Franken teure Flugzeug liegt trotz einiger Turbulenzen ruhig in der Luft. Das liegt wohl auch an der Erfahrung des passionierten Piloten mit über 4500 Flugstunden. Hinter den grossen Fenstern ziehen die Glarner Berge vorbei, saftige Alpwiesen, schroffe Flühe und graue Karstfelder. Buholzer erzählt von seinem bisher schönsten Flug im Elektroflieger, als er in einer Höhe von 3500 Metern ohne schlechtes Gewissen über den Hüfifirn zur Planurahütte geflogen ist. Da sei ihm bewusst geworden, dass sich die Investitionen in dieses Projekt lohnen. Überhaupt hat der Inhaber einer Elektronikfirma grosse Pläne. Dereinst soll
Unter dem Flieger stellen sich die Felswände des Bockmattli wie grosse Kalktafeln auf. Es geht wieder zurück Richtung Schänis. Je nach Bedingungen reichen die 20 kWh Energie der beiden Akkus für etwa eine Stunde Flug. Der effiziente Antrieb der Pipistrel und die hervorragenden aerodynamischen Eigenschaften würden ihn immer wieder aufs Neue begeistern, so Buholzer. Dabei seien die Betriebskosten des E-Fliegers etwa halb so hoch wie bei einem Verbrenner. In seiner Freizeit lässt der Vater von zwei erwachsenen Kindern, wie viele andere Piloten auch, Modellflugzeuge fliegen. Bereits vor über 30 Jahren begann er, mit Elektroflugmodellen zu experimentieren. Da gebe es Analogien, denn auch damals seien sie belächelt worden. Jahre später erlebe er heute mit der Pipistrel ein Déjà-vu. Die Landeklappen sind ausgefahren, und das Leichtflugzeug nähert sich der Piste, setzt sanft auf und steht schliesslich vor dem Hangar still. Buholzer trägt den Flug ins Bordbuch ein, steigt aus, öffnet eine Klappe an der Nase der Pipistrel und steckt das Ladekabel ein. Nach etwa einer Stunde Ladezeit kann er wieder in die Luft. Er glaubt, dass sich die E-Fliegerei primär bei der Hobbyfliegerei durchsetzen wird. «Sind in ein paar Jahren einmal die FeststoffLithium-Ionen-Akkus ausgereift, werden wir bei gleichem Gewicht drei Mal mehr Kapazität haben», sagt er. Bei der Passagierfliegerei wird sich nach seiner Einschätzung der Biotreibstoff PtL nach und nach durchsetzen. Ganz sicher hingegen ist, dass der Fluglehrer bald einmal emissionsfreie Schulungsflüge anbieten kann. ◆