DOT.magazine 081

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ERINNERUNGEN BERGMAN ISLAND KINOSTART 29.10., F/D/BE/S 2021, REGIE Mia Hansen-LĂžve, MIT Vicky Krieps, Tim Roth, Mia Wasikowska, Anders Danielsen Lie, FILMLÄNGE 112 Min., © Filmladen

TEXT: NICOLE ALBIEZ

Lauter Geister

Mia Hansen-Lþve auf Bergman-Safari: „Bergman Island“.

W

ill man in jenem Bett schlafen, das in Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe vorkommt? Es ist fast so, als mĂŒsste sich das Filmemacher-Paar Chris (Vicky Krieps) und Anthony (Tim Roth) auf der schwedischen Insel FĂ„rö weit auseinanderbewegen, um bloß keine Bergman’schen Beziehungsfragen aufkommen zu lassen. Dass ihre Beziehung nicht mehr ĂŒber das festeste Fundament verfĂŒgt, ist unĂŒbersehbar. Er, der Etabliertere der beiden, ist eingeladen, seine jĂŒngste Arbeit hier auf FĂ„rö vorzufĂŒhren. Seine Partnerin hofft indessen, auf der Bergman-Insel Inspiration fĂŒr ihr jĂŒngstes Drehbuch zu finden. Sie verbringen den Sommer auf der schwedischen Insel, wĂ€hrend die gemeinsame Tochter bei der Großmutter ist. Bergmans Geist ist omniprĂ€sent – jeder Fleck der Insel ist besetzt (um noch mehr ĂŒber SchauplĂ€tze zu erfahren, kann man auch an der

„Bergman-Safari“ teilnehmen). Wie soll man sich nicht als Loser fĂŒhlen, wenn man in Bergmans Wohnhaus Drehbuchzeilen verfasst, platzt es aus Chris heraus. Und dann noch diese Ruhe! Laut tickt in dieser Ruhe eine Uhr. Sie hĂ€ngt in der MĂŒhle neben Bergmans Wohnhaus, in die Chris zum Schreiben geflĂŒchtet ist. Nur „arbeitet“ sie nun eben mit Blick auf den Wohnbereich und ihren Mann. Ihr Partner scheint weniger Probleme damit zu haben, hier sein Notizbuch zu fĂŒllen. AUF BERGMAN-SAFARI Kann man ein bedeutendes Werk und den Alltag eines Familienlebens unter einen Hut bringen? Das ist eines der Themen, die Mia Hansen-LĂžve mit Bergman Island diskutiert. Das Beziehungsleben der Figuren hĂ€ngt am seidenen Faden, und man kann nicht anders, als Hansen-LĂžve und ihren Ex Olivier Assayas, mit dem sie eine Tochter hat, in Vicky Krieps

und Tim Roth zu suchen. Die Regisseurin dĂŒrfte ohnehin davon ausgehen, dass ihr Publikum das macht: Sie nennt ihren jĂŒngsten Film, der seine Premiere in Cannes feierte, „semibiografisch“. Mia Hansen-LĂžve (Der Vater meiner Kinder, Alles was kommt) flĂŒchtet sich mit ihrem neuen Film in Meta-Ebenen. Sie lĂ€sst, wenn ihre Figur Chris ĂŒber ihren potenziellen Film nachdenkt, einen Film-im-Film entstehen, in der eine junge Frau (Mia Wasikowska) nicht ĂŒber ihre erste Liebe hinwegkommt. Und wenn Chris ĂŒber ein mögliches Ende ihrer Geschichte nachdenkt, beginnen Fiktion und Reales zu ĂŒberlappen. Alle drei Frauen – die Regisseurin und ihre Figuren – scheinen auf ein Ende zu hoffen. Wobei Hansen-LĂžve nun vielleicht widersprechen wĂŒrde, wie eine Interviewpassage vermuten lĂ€sst: „Viele Drehbuchseminare handeln davon, dass die Hauptfigur eine sinnvolle Entwicklung durchmachen soll, weil man damit den Erwartungen der Kinozuschauer entspricht. Nur: Passt das zur menschlichen Erfahrung? Ich finde es viel spannender, mit jemandem mitzufĂŒhlen, der herumirrt.“ #bergmanisland

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