52
Wirtschaft NextGen
Wenn die Komfortzone verlassen werden muss Früher war der berufliche Weg von nachrückenden Unternehmer-Kindern häufig vorgezeichnet: Es war klar, dass jeweils der Sohn oder die Tochter in den elterlichen Betrieb einstiegen und diesen schliesslich übernahmen. Die heutigen Unternehmer-Eltern üben auf ihre Kinder weniger Druck hinsichtlich einer familieninternen Nachfolge aus, gilt es doch, verschiedene Faktoren gut abzuwägen. Frank Halter, Gründungsmitglied des Center for Family Business an der Universität St.Gallen und Initiant der Plattform «St.Galler Nachfolge-Praxis», weiss, was es braucht, damit der Generationenwechsel erfolgreich über die Bühne geht.
Frank Halter, ist die familieninterne Nachfolgeregelung ein Auslaufmodell? Die Statistik zeigt deutlich, dass die Quote der familieninternen Nachfolgeregelung in den letzten zehn Jahren abgenommen hat. Aktuell befinden wir uns immer noch in einer wirtschaftlich komfortablen Situation, welche Vollbeschäftigung und Wahlfreiheit für junge Menschen zulässt. Sollte sich die Konjunktur aber komplett verändern, könnte die familieninterne Nachfolgeregelung wieder an Attraktivität gewinnen. Was ist der Hauptgrund, der die «Next-Gens» davon abhält, in den Familienbetrieb einzusteigen? Fehlende Fachkenntnisse! Je kleiner ein Unternehmen ist, desto wichtiger sind die Berufskenntnisse. Häufig sind die Unternehmerkinder heute akademisiert – im Gegenzug fehlen ihnen die praktischen Erfahrungen im elterlichen Betrieb. Ich kenne zwei Beispiele, wo Unternehmerkinder nach einem Hochschulabschluss zusätzlich eine Malerlehre machten, sich so die praktischen Kenntnisse aneigneten und den elterlichen Betrieb schliesslich übernommen haben oder sich im Nachfolgeprozess befinden. Das ist selten und beeindruckt mich sehr! Gibt es weitere Gründe? Es braucht die Bereitschaft, sich auf die unterschiedlichen Erwartungen innerhalb der Familie einzulassen. Hier braucht es Mut und Kraft, gemeinsam in den Dialog einzusteigen und gleichzeitig Konfliktfähigkeit, sich unterschiedlichen Ansichten zu stellen. Wann ist für Sie eine familieninterne Nachfolge erfolgsversprechend? Wenn beide Generationen lösungsorientiert und zukunftsgerichtet sind. Es geht nicht nur um Eigeninteressen, sondern LEADER | März 2021
um das Gemeinsame – und vor allem um das Unternehmen, dass dieses auch künftig gut aufgestellt ist. Hier braucht es eine gemeinsame Vision und ein gemeinsames Nachfolgeleitbild. Und wann raten Sie davon ab? Wenn man nicht gestalten will, keine Ideen und Visionen hat – oder diese zwischen beiden Generationen unüberbrückbar auseinanderliegen –, dann rate ich von einer familieninternen Nachfolgeregelung ab.
«Idealerweise wird der gemeinsame Nenner in ein Nachfolgeleitbild gegossen.» Ein möglicher Stolperstein sind die Emotionen, da sich bei einer familieninternen Nachfolgelösung Berufliches und Privates nur schwer trennen lassen. Absolut! Es geht darum, offen und transparent mit den eigenen Stärken und Schwächen umzugehen. Gerade im familieninternen Kontext ist es schwierig, über die eigenen Schwächen zu reden, da sich die berufliche und private Ebene vermischen. Hier gilt es erneut, im Interesse des Unternehmens zu denken. So möchte die Tochter zum Beispiel weiterhin vom Know-how des Vaters profitieren und muss damit leben können, dass der Vater nicht digital unterwegs ist. Hier ist es wichtig, dass man in der Kommunikation den richtigen «Hut» trägt und in dieser Funktion sachlich argumentiert – also die Tochter in ihrer Funktion im Familienbetrieb und nicht als Tochter innerhalb der Familie.