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Frauennetzwerk feiert 20 Jahre

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„Gemeinsam können wir viel bewegen“ –20 Jahre Frauennetzwerk Vorarlberg

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Vor 20 Jahren wurde das Frauennetzwerk Vorarlberg (FNW) gegründet. Die Leiterin des damaligen Frauenreferats in der Vorarlberg Landesregierung hat dieses Netzwerk als überparteilichen Zusammenschluss von Frauen initiiert. Heute ist es in acht Regionen vertreten: im Bregenzerwald, Hofsteig, Am Kumma, Vorderland, Walgau, Großes Walsertal und am Arlberg. Gemeinsames Ziel der aktiven Frauen war – und ist immer noch, denn die Mühlen mahlen hierzulande in Gleichstellungsfragen langsam – die Chancengleichheit von Frauen in Vorarlberg. Die für den Herbst 2020 geplante Jubiläumsfeier muss im Frühjahr nachgeholt werden. Anlässlich des Jubiläums sprach die marie mit den beiden führenden Köpfen des Netzwerks, Angela Alicke, 39, Landessprecherin des FNW, und Tanja Kopf, 53, zuständige Expertin für Frauen und Gleichstellung im Amt der Vorarlberger Landesregierung.

Interview: Brigitta Soraperra, Foto und Bildrechte: Marina Fuchs, Land Vorarlberg (Grafik©magdalena.paulus)

marie: Was genau ist das Frauennetzwerk Vorarlberg?

Angela Alicke: Wir sind ein landesweit agierendes Netzwerk engagierter Frauen, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft einsetzen: in der Familie, im Beruf und selbstverständlich auch in der Politik. Wir arbeiten über Parteigrenzen und Ideologien hinweg zusammen und kommen aus den unterschiedlichsten Hintergründen. Unser Credo lautet: Gemeinsam können wir viel bewegen. Tanja Kopf: Gegründet wurde das Netzwerk im Jahr 2000 durch Monika Lindermayr, der damaligen Frauenreferatsleiterin in der Vorarlberger Landesregierung, und durch Projektentwicklerin Hildegard Kaspar-Hollenstein.

Warum wurde das Netzwerk gegründet? Was sind die Aufgaben und Ziele?

Tanja Kopf: Zu den wichtigsten Aufgaben zählen neben der landesweiten Vernetzung von Frauen der Aufbau von regionalen Strukturen, die Zusammenarbeit mit frauenspezifischen Einrichtungen wie femail, Amazone, Frauenmuseum und die laufende Qualifizierung der Frauensprecherinnen. Unsere dezidierten Ziele: Wir wollen für Gleichstellung sensibilisieren und für Chancengleichheit arbeiten. Wir wollen Frauen in den Regionen, in den Gemeinden, über ihre Rechte informieren – zum Beispiel über Vorträge und Veranstaltungen – und Hilfe suchende Frauen an entsprechende Institutionen wie femail, Gewaltschutzstelle, AK, AMS weiterleiten. Es geht uns darum, ein selbstbestimmtes Leben für Frauen zu stärken. Angela Alicke: Zentral ist für uns auch, Frauen für die Arbeit in der Gemeindepolitik zu begeistern. Nur wenn Frauen die Politik in den Gemeinden aktiv mitgestalten, werden ihre Themen gehört und ihre Anliegen umgesetzt.

19.11.2020

Vorarlberger Gemeindevertretungen mit dem Vorarlberger Gemeindevertretungen mit dem größten und dem geringsten Frauenanteil

größten und dem geringsten Frauenanteilnach den GV-Wahlen 2020 (Stand: 19.11.2020)

nach den GV-Wahlen 2020

LochauEichenberg

Hard Bregenz

Lauterach Lingenau

Lustenau Alberschwende

Dornbirn Frauenanteil in den Vorarlberger GV: 40 Prozent und mehr unter 13 Prozent Bürgermeisterin

Viktorsberg Reuthe

Schnepfau Au

Schoppernau

Rankweil

Übersaxen

Satteins

Dünserberg Düns Röns St. Gerold

Raggal

Bürserberg Bludenz

Lorüns

Vandans

Tschagguns

Gaschurn

Grafik©magdalena.paulus

w/m

Tschagguns 10/11 Hard 15/18

Lochau 12/15

Bludenz 14/19

Bregenz 15/21

Lustenau 15/21

Sattseins 10/14

Lauterach 12/18

Vandans 3/21 Düns 1/8

Dünserberg 1/8

Eichenberg 1/8

Gaschurn 2/16 Lorüns 1/8 Röns 1/8

Schnepfau 1/8

Viktorsberg 1/8

Bürserberg 1/11 Schoppernau 1/11

Übersaxen 1/11 Au 0/18

St. Gerold 0/9 Gemeindevertreterinnen in Prozentzahlen

47,6 %

45,5 %

44,4 %

42,4 %

41,7 %

41,7 %

41,7 %

40 % 100 %

12,5 %

11,1 %

11,1 %

11,1 %

11,1 %

11,1 %

11,1 %

11,1 %

11,1 %

8,3 %

8,3 %

8,3 %

0 %

0 %

Grafik©magdalena.paulus

0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

w/m: weibliche und männliche GemeindevertreterInnen in absoluten Zahlen

Das FNW hat eine besondere Organisationsstruktur, könnt ihr die kurz erklären?

Angela Alicke: Das Netzwerk setzt sich aus drei Ebenen zusammen: der Landesebene, der regionalen Ebene und der kommunalen Ebene. Jede Ebene hat ihre eigene Sprecherin. Es gibt also eine Landessprecherin, das bin im Moment ich, und in vielen Vorarlberger Gemeinden und Regionen vertreten Frauensprecherinnen die Anliegen der Frauen. Sie haben ein offenes Ohr für die Frauen vor Ort, sind in Kontakt mit den Vereinen und Organisationen und mit den politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern in der Landesregierung. Sie organisieren Veranstaltungen und melden sich bei frauenpolitisch relevanten Themen zu Wort.

Welche Rolle spielt das Land, respektive der „Funktionsbereich für Frauen und Gleichstellung“?

Tanja Kopf: Seit seiner Gründung hat das FNW sehr viel Wert auf seine Überparteilichkeit gelegt. Diese ist im Gegensatz zu den parteinahen Frauenorganisationen eine wesentliche Stärke des Frauennetzwerkes. Dem „Funktionsbereich Frauen und Gleichstellung“ obliegt die Gesamtkoordination und wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der ehrenamtlich tätigen Regionen- und Frauensprecherinnen. Das Land übernimmt außerdem die Finanzierung und verhilft für den fünfjährigen Programmzeitraum zu einer Planungssicherheit von Vorhaben und Projekten.

Gibt es in der mittlerweile 20-jährigen Geschichte ganz besondere Highlights oder erwähnenswerte Meilensteine?

Tanja Kopf: Wir sind aktuell in der Projektphase VI, das „Projekt“ Frauennetzwerk läuft nun bis Dezember 2025 weiter. Als einen der größten Meilensteine möchte ich den im Jahr 2003 eingeführten „Politiklehrgang für Frauen“ nennen. Viele der Frauensprecherinnen haben ihn absolviert und die Lehrgangsbegleitung erfolgte bis 2019 durch Frauensprecherinnen: Kiki Karu, Cornelia Studer, Gertrud Blum, Doris Hager-Hämmerle. 2009/10 lief außerdem das Projekt „Frauen in die Politik“ und 2014/15 „Frauen gestalten die Gemeinde“, bei denen in vielen Gemeinden Infoveranstaltungen sowie Workshops zu Themen wie „Wie funktioniert eine Gemeinde“ und „Rhetorik und Kommunikation“ abgehalten wurden. Die Kampagne zu den Gemeindewahlen, die Frauen ermutigte, in den Gemeindestuben mitzumischen, wurde auch im letzten Jahr wieder sehr erfolgreich durchgeführt und wir freuen uns sehr, dass viele neue Gemeindevertreterinnen dazugekommen sind. Ein Highlight bildet sicher auch das im Jahr 2008 eingeführte Fraueninfofest im Landhaus. Und im Jahr 2019 hat das Frauenreferat Vorarlberg gemeinsam mit dem Land Tirol zum Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“ verschiedene Aktivitäten gesetzt. Es gab dazu eine große Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau und eine kleinere Wanderausstellung, die das FNW in verschiedenen Gemeinden und im LKH Feldkirch präsentiert hat. Angela Alicke: Anlässlich der Gemeindewahlen 2020 organisierten wir zudem eine eigene Kampagne mit dem Titel „red mit – mach mit – misch mit!". Dabei entstanden ein Folder und der Video-Clip „Plötzlich Bürgermeisterin“. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist übrigens, dass es in Österreich mehr Bürgermeister mit Vornamen Josef als weibliche Bürgermeisterinnen gibt. >>

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28 | Warum ist es eurer Meinung nach so schwer, Frauen für politische Ämter zu gewinnen?

Angela Alicke: Frauen sind meist ehrenamtlich tätig. Und Frauen müssen nach wie vor mehr als Männer Familie und Beruf unter einen Hut bringen. Manche Frauen trauen es sich aber auch einfach nicht zu. Wenn frau dann vielleicht noch allein in einem männerbesetzten Gremium sitzt, muss sie schon ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein mitbringen. Tanja Kopf: Solange sich die Termine abends abspielen, Frauen die Arbeit im Haushalt übernehmen müssen, und dafür auch noch bewertet werden – ich erinnere mich an die Bürgermeisterkandidatin in Egg –, da braucht es schon Frauen, die sehr mutig sind und ein Umfeld, das sie familiär unterstützt. Und ich glaube auch, dass es nicht nur ein Frau-MannThema ist. Es wollen einfach nicht mehr so viele Menschen in der Politik arbeiten. Und die Männer haben eben andere Vernetzungsmöglichkeiten... Nach der Sitzung spielt sich oft das Wichtige ab, und da gehen die Männer auf ein „Bierchen“ und die Frauen nach Hause – die Babysitterin ablösen. Und – die Männer müssten Macht abgeben...

Frau Alicke, welche Rolle, welche Aufgaben kommen Ihnen als Landesprecherin zu? Und warum engagieren Sie sich im Netzwerk?

Angela Alicke: Ich vertrete das Netzwerk nach außen und nehme an Sitzungen mit unseren Systempartnerinnen teil. Mit Tanja habe ich den Vorsitz bei regionalen Sitzungen. Ich nehme Kontakt zu interessierten Frauen auf, arbeite an unserer medialen Öffentlichkeitsarbeit mit und begleite Projekte. Für mein Engagement gibt es viele Gründe. Zum einen habe ich mich von Anfang an sehr wohlgefühlt. Die tollen Frauen mit ihren spannenden Persönlichkeiten und die anregenden Diskussionen sowie die Herausforderung unserer wertvollen Arbeit haben sehr zu meiner positiven Entwicklung beigetragen. Mein Selbstwertgefühl wie auch mein Selbstbewusstsein sind durch die Arbeit im Netzwerk enorm gestiegen. Ein anderer großer Teil ist, dass ich viele Frauen kennengelernt habe, die sich zeit ihres Lebens um Kinder, Haus und Hof sowie die Pflege von Angehörigen gekümmert haben und dadurch nur in Teilzeit einer Beschäftigung nachgehen konnten. Am Ende ihres Erwerbslebens geraten sie dann in eine finanzielle Abhängigkeit. Das kann und darf nicht sein! Jede Frau sollte ein selbstbestimmtes Leben führen können.

Frau Kopf, warum liegt Ihnen das Netzwerk am Herzen?

Tanja Kopf: Ich habe immer schon sehr gerne mit Frauen zusammengearbeitet. Mir geht es um eine bessere Sichtbarkeit und Relevanz von Gleichstellungsthemen. Es ist wichtig, dass wir Frauen in ihren Lebenswelten erreichen, und da ist der soziale Nahraum eine der Schaltstellen. Und es ist einfach spannend, mit den Frauen des FNW zu überlegen, welche Gleichstellungsthemen wollen wir als Schwerpunkte setzen, wo muss informiert werden, wo unterstützt.

Warum ist das Frauennetzwerk immer noch wichtig? Was wollt ihr weiterhin erreichen?

Angela Alicke: Wir sind immer noch nicht am Ziel. Gerade auch die herausfordernde Corona-Situation hat aufgezeigt, dass die Gleichstellung noch nicht erreicht ist. Veraltete Rollenbilder prägen nach wie vor unsere Gesellschaft. Das fängt schon bei unseren Kleinsten an und zieht sich wie ein roter Faden durchs weitere Leben. Durch meine Arbeit beim FNW hat sich die Erziehung meiner Kinder sehr verändert. Ich liebe es, mit ihnen Diskussionen zu führen. Sie stehen dem Thema Gleichstellung sehr offen gegenüber und hinterfragen Ungerechtigkeiten. Manchmal werde ich auch von ihnen liebevoll daran erinnert, dass ich nicht gegendert habe. Tanja Kopf: Derzeit sind wir in einer Art Erneuerung des Netzwerks. Wir wollen über die bisher vorhandenen Funktionen der Regionen- und Frauensprecherinnen hinaus auch andere Menschen zur Mitarbeit einladen. Besonders die jungen Frauen liegen uns am Herzen. Alle Frauen und Mädchen, aber auch Männer – denn es braucht auch Männer im Boot – können einfaches Mitglied werden. Gerne auch zeitlich begrenzt, wenn sie ein konkretes Thema oder Projekt besonders interessiert. Wir werden neu ein Mentoringprogramm für neue Gemeindevertreterinnen anbieten und wir entwickeln gerade die Idee von Frauenstammtischen in den Regionen. Wir haben viele Ideen und freuen uns über weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter.

marie: Vielen Dank für das Gespräch!

Factbox:

Tanja Kopf, 53, arbeitet seit zwei Jahren als Expertin für Frauen und Gleichstellung im Amt der Vorarlberger Landesregierung. Sie ist ausgebildete Sozialarbeiterin, war viele Jahre im Ifs tätig, und hat unter anderem über 10 Jahre die ifs Frauennotwohnung geleitet. Von 2014-2018 war sie Büroleiterin von LRin Katharina Wiesflecker. Angela Alicke, 39, ist ausgebildete kaufmänn. Angestellte und Einzelhandelskauffrau und heute im Gemeindeamt Fraxern als Sachbearbeiterin tätig. Sie ist verheiratet, Mutter von 2 Kindern und seit 2010 im Frauennetzwerk aktiv. Seit 2019 ist sie dessen Landesprecherin.

Kontaktadressen:

Website: www.vorarlberg.at/frauen Kontakt: frauen.gleichstellung@vorarlberg.at, Tel. 05574 511 221 90 und angela.alicke@frauennetzwerk-vorarlberg.at Frauennetzwerk Vlbg.

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