50 | 30.5.2022 | FORENSIK
Pflegefachfrau wird Detektivin Valeria KĂ€gi ist Pflegefachfrau und Forensic Nurse. Sie sichert am Rechtsmedizinischen Institut der UniversitĂ€t ZĂŒrich Spuren bei Opfern hĂ€uslicher Gewalt und anderer Delikte. Die Ablehnung war zunĂ€chst gross â vor allem aus den eigenen Reihen. Text: Manuela Enggist
Spuren sichern â ein Begriff, den Pflegefachfrau Valeria KĂ€gi lange Zeit nur aus Krimiserien kannte. Bis eines Tages die Polizei bei ihr auf der Chirurgischen Abteilung des Kantonsspitals ZĂŒrich stand und fragte, ob sie von einer Âbestimmen Patientin Blut und Urin aufbewahrt habe. Ob sie ÂFotos gemacht habe. Und ob die Kleidung der Frau noch da sei. KĂ€gi musste alles verneinen. ÂSpĂ€ter habe sie erfahren, dass Âbesagte Patientin Opfer hĂ€us licher G  ewalt geworden ist. «Ich bin mir in meinem Leben noch nie so blöd vorgekommen.» FĂŒnf Jahre spĂ€ter sitzt Valeria KĂ€gi in einem Sitzungszimmer am Institut fĂŒr Rechtsmedizin der UniversitĂ€t ZĂŒrich. Draussen spazieren Studentinnen und ÂStudenten durch den Irchelpark, geniessen die FrĂŒhlingssonne. Die 37-jĂ€hrige Pflegefachfrau ist heute nicht mehr «nur» Pflege fachfrau, sondern auch Forensic Nurse. Und als Erste in der Schweiz an einem Rechtsmedizinischen Institut angestellt. Der Weg dahin war lang und beschwerlich. Es flosÂsen auch mal TrĂ€nen. KĂ€gi setzt sich auf dem Stuhl zurecht, spricht nun lauter und schneller. «Ich wusste, dass ich in diesem Moment nicht alles fĂŒr meine ÂPatientin getan hatte. Das nagte an mir», sagt sie ĂŒber das Zusam mentreffen mit der Polizei, das ihr damals den Anstoss gab, sich
Bilder: Mali Lazell
um eine Weiterbildung zu bemĂŒÂ hen. KĂ€gi begann, zu recherchie ren. An einer Tagung hörte sie dann die Worte Forensic, Nurse. Es habe sofort klick gemacht. 2017 war sie eine von 17 Pflege fachpersonen, die die einjĂ€hrige Weiterbildung an der UniversitĂ€t ZĂŒrich in Forensic Nursing be suchten und sich unter anderem in Themenbereichen wie foren sischer Spurensuche, Haar analytik, Notfallpsychologie und SexualÂdelikte weiterbilden lies sen. Bei vielen Absolventinnen und Absolventen sei kurz vor dem Abschluss die Frage aufge kommen, wie es nun weitergehe. «Wir wussten, dass wir zu einer ganz neuen Berufsgattung ge hören, und hatten keine Ahnung, wie und wo wir zum Einsatz kommen können», sagt KĂ€gi. Ihr Weg fĂŒhrte ans Rechts medizinische Institut der UniÂ
«Am Anfang kamen Fragen wie âčWas willst du denn hier?âș» Valeria KĂ€gi
versitĂ€t ZĂŒrich. Dort hatte Pro fessor Michael Thali, der die Weiterbildung initiiert hatte, 2013 einen Pilotkurs zum Thema «Forensic Nursing» angeboten. «Die Krankenpflegerinnen Âhaben uns die TĂŒr eingerannt», sagt Thali, wĂ€hrend er durch die GĂ€nge des Instituts eilt. «Der Rechtsmediziner war der einzige Arzt, der nie eine Pflegefach person zur Seite hatte.» Was ein Fehler sei. «Wir haben viele FĂ€lle, bei denen die betroffenen Perso nen noch am Leben sind. Da habe ich immer wieder gemerkt, dass es gut wĂ€re, wenn da noch jemand zusĂ€tzlich dabei ist, die mitdenkt, mithilft und sich um die geschÀ digte Person kĂŒmmert.» Ărzte dominierten Forensik
Also stellte Institutsdirektor Thali Ende 2017 Valeria KĂ€gi als Forensic Nurse ein. Er habe Âgedacht, er mĂŒsse mit gutem ÂBeispiel vorangehen. Und ge wusst, dass seine Kollegen von der Idee nicht begeistert sein wĂŒrden. «Die Rechtsmedizin war lange Zeit ein Ă€rztlich domi nierter Fachbereich, in dem es kaum BerĂŒhrungspunkte mit Pflegefachpersonen gab.» Valeria KĂ€gi spĂŒrte zu Beginn viel Ablehnung. «Es kamen ÂFragen wie âčWas willst du denn hier?âș, obwohl wir meinen Auf gabenbereich definiert hatten», Âerinnert sie sich. Die Forensic
Valeria KĂ€gi ist die erste Forensic Nurse am  Institut fĂŒr Rechtsmedizin der UniversitĂ€t ZĂŒrich.