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58 | 30.5.2022 | INKLUSION

Gibt es Menschen, die weder mĂ€nnlich noch weiblich sind? Ja, die Natur ist vielfĂ€ltig. Im Schnitt werden in der Schweiz pro Jahr rund 40 Kinder geboren, deren Geschlecht nicht eindeutig bestimmt werden kann – sie sind intergeschlechtlich. Oft wurde ihnen dennoch ein Geschlecht zugewiesen, teils gar mit operativen Eingriffen. Dies fĂŒhrte bei einigen spĂ€ter zu viel Leid. Laut US-Studien stellt ein bis zwei Prozent der Bevölkerung das Geschlecht infrage, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde – dies betrifft zum einen intergeschlechtliche, zum anderen auch Transmenschen. Hinzu kommen all jene, die sich auch als Erwachsene keinem der beiden Geschlechter zugehörig fĂŒhlen. Sie sehen ihre GeschlechtsidentitĂ€t als fluid und bezeichnen sich als non-binĂ€r.

Weiblich, mÀnnlich oder X?

Der Bundesrat arbeitet an einem Bericht ĂŒber die EinfĂŒhrung eines amtlichen dritten Geschlechts. In einigen LĂ€ndern gibt es dies bereits. Worum gehts – und was wĂŒrde es bringen?

Wieso denkt der Bundesrat ĂŒber ein drittes Geschlecht nach? Wegen eines Postulats der grĂŒnen Basler NationalrĂ€tin Sibel Arslan. Laut Justizdepartement sollte der Bericht noch in der ersten JahreshĂ€lfte erscheinen. Hintergrund des Postulats ist, dass einige andere Staaten ein solches unbestimmtes Geschlecht bereits kennen. «Die Schweiz steht diesbezĂŒglich unter Druck», sagt Thomas Geiser (69), emeritierter Rechtsprofessor der UniversitĂ€t St. Gallen, der sich mit juristischen Aspekten eines dritten Geschlechts beschĂ€ftigt hat. «Das Bundesgericht hat entschieden, dass auslĂ€ndische Zivilstandsurkunden mit einem dritten Geschlecht anerkannt werden mĂŒssen. Wir mĂŒssen also was machen.»

Text: Ralf Kaminski

Wie wirkt sich das Fehlen eines dritten amtlichen Geschlechts bisher auf Betroffene aus? Studien zeigen, dass non-binĂ€re Personen im Schnitt eine schlechtere psychische Gesundheit haben. Ihre GeschlechtsidentitĂ€t als wichtiger Teil der Persönlichkeit wird nicht anerkannt und bleibt ungeschĂŒtzt. «Ein entsprechender Geschlechtseintrag tĂ€te gut und wĂŒrde Diskriminierung vermindern», sagt Lovis, selbst non-binĂ€r, im GesprĂ€ch mit dem MigrosMagazin. Und Chri HĂŒbscher schreibt auf nonbinary.ch, der Schweizer Staat sage derzeit zu non-binĂ€ren Menschen: «Ihr existiert fĂŒr uns nicht.» Es sei höchste Zeit, dass sich dies Ă€ndere.


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