Migros-Magazin-22-2022-d-LU

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AUSBILDUNG | 30.5.2022 | 47

Venus Le betreut junge MĂ€nner und Frauen, die das Berufsvorbereitungsjahr der Migros absolvieren. Sie erzĂ€hlt, warum sich ihr Engagement fĂŒr alle lohnt.

Aufgezeichnet von Monica MĂŒller; Bild: Nik Hunger

Meine Jugendlichen muss man live erleben Ich dachte ja, ich sei mit meinen 28 Jahren noch jung. Aber im Austausch mit den Jugendlichen, die ich betreue, fĂŒhle ich mich manchmal ziemlich alt. Ich bin nicht auf Tiktok, drĂŒcke mich anders aus als sie, kenne die Trends nicht, die sie verfolgen – fĂŒr sie bin ich jemand von einem anderen Planeten. Aber ich bin die Venus vom MGB. Ich bin ihre Coachin und fĂŒr sie da, wenn sie etwas persönlich beschĂ€ftigt, sie bei der Praktikumsstelle ein Problem haben oder ihre Motivation fĂŒr die Schule klein ist. Seit vergangenem Sommer kĂŒmmere ich mich um Jugendliche, die das Lehrvorbereitungsjahr der Migros absolvieren. Die 14 jungen MĂ€nner und Frauen sind alle hier, weil sie im Anschluss an die 3. Sek keine Lehrstelle gefunden haben. Ihre Dossiers waren nicht top, mit mittelmĂ€ssigen bis schlechten Noten, und sie konnten von ihren Eltern oder Lehrpersonen bei der Lehrstellensuche nicht optimal unterstĂŒtzt werden. Als sie bei uns ein­ gestiegen sind, waren sie schulmĂŒde und hatten den Glauben an sich ein wenig verloren. Ich treffe jeden von ihnen mindestens einmal im Monat, nach Bedarf auch hĂ€ufiger. Mal dauert der Austausch kĂŒrzer, mal lĂ€nger. Ich versuche, alle bei dem zu unterstĂŒtzen, was sie gerade brauchen. Ein Jugendlicher zum Beispiel war unglĂŒcklich in seiner Praktikumsstelle, weil ihm der Job zu technisch war. Zusammen mit dem Laufbahnzentrum haben wir abgeklĂ€rt,

Venus Le (28) ist gelernte ­Sozialarbeiterin und arbeitet als Coachin beim MGB.

Anschubhilfe fĂŒr eine Lehre Die Migros und die Fachschule Viventa haben im August 2021 ein Pilotprojekt im Grossraum ZĂŒrich lanciert. Es richtet sich an Jugendliche, die es bisher nicht geschafft haben, die Anforderungen einer Lehrstelle zu erfĂŒllen – sei es aus familiĂ€ren, sozialen oder anderweitigen GrĂŒnden. Ein Jahr lang besuchen die Jugendlichen die Fachschule ­Viventa und sammeln in einem Unternehmen der ­Migros-Gruppe erste praktische Erfahrungen. Ziel ist es, den Jugendlichen danach bei gegenseitigem Interesse eine ­Lehrstelle in der Migros-Gruppe anbieten zu können.

was ihm mehr entsprechen könnte, und ich habe mich durch die Betriebe telefoniert, bis er anderswo schnuppern konnte. Mit seiner neuen Aufgabe im kaufmĂ€nnischen Bereich ist er nun happy. Alle Jugendlichen beschĂ€ftigt die Frage, was sie tun sollen, wenn sie in der Schule abdriften. Deshalb haben wir mit einem Kinder- und Jugendpsychologen einen Tag lang erarbeitet, wer welcher Lerntyp ist und wie sie sich besser konzentrieren können. Und so versuchen die einen nun, mehr Fragen zu stellen, andere machen sich mehr Notizen. Einer der Jugendlichen fĂŒhrt seit dem Workshop auf dem Handy eine To-do-Liste und vergisst nichts mehr. In einem anderen Workshop mit einer Rapperin konnten meine Jugendlichen fĂŒr einmal lyrisch arbeiten und sich auf den Rhythmus der Sprache ­fokussieren, statt immer gleich an mögliche Rechtschreibefehler zu denken. Zu Beginn waren alle verhalten – auch weil sie in der deutschen Sprache hĂ€ufig unsicher sind. Doch zum Schluss hat jede Gruppe ihren eigenen Rap prĂ€sentiert. Das war ein wunderbarer Moment fĂŒr mich. Und ich glaube, das war es auch fĂŒr die Jugendlichen. Man muss die jungen MĂ€nner und Frauen live erleben. Die Dossiers werden ihnen nicht gerecht. Einige meiner Jugendlichen konnten mittlerweile einen Lehr­vertrag bei der Migros unterschreiben, bei den anderen sieht es gut aus.


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