Migros-Magazin-18-2022-d-VS

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50 | 2.5.2022 | MOTIVATION

Mal verlieren sie, mal gewinnen die anderen Im Profifussball zÀhlt bloss der Sieg. Doch was macht es mit Spielern und Trainer, wenn sie wie der SC Kriens plötzlich nur noch verlieren? Wieso geben sie auch nach zwei Dutzend Niederlagen nicht auf? Text: Dario Aeberli

Wenn der SC Kriens verliert, ist das nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In dieser Saison verloren die Innerschweizer bis Redaktionsschluss 25 Mal. Nur zweimal konnten die Spieler in den grĂŒn-weissen Trikots einen Sieg feiern. Neun Spiele vor Saison­ende in der zweithöchsten Liga ist der Abstieg Tatsache. Dem SC Kriens droht ein Eintrag ins Geschichtsbuch: als Absteiger mit den wenigsten Punkten. Dabei zĂ€hlt im Profifussball nur der Sieg. Nicht umsonst lassen Klubs weltweit nach Erfolgen den Song «We are the Champions» aus ihren Stadionboxen schmettern, in dem die Fans die Verlierer mit der Textzeile «No Time for Losers, ’cause We Are the Champions» verhöhnen. Menschen blenden Nieder­lagen aus, reden nicht da­rĂŒber, obwohl jeder im Leben mal verliert. Wer in einer auf Erfolg ge­ trimmten Branche dauernd verliert und sich nach weit ĂŒber 20 Pleiten motivieren kann weiterzumachen, hat etwas Wichtiges gelernt: wieder aufzustehen. Wie machen das Spieler, Trainer und Vereinsmitglieder? Der Spieler Der 31-jĂ€hrige Marijan Urtić ist

Captain und Verteidiger beim SC Kriens. Er spielt seit sieben

Saisons im Stadion Kleinfeld. 2018 schaffte er mit den Innerschweizern den Aufstieg in die zweithöchste Liga, wo sie bis zu dieser Saison mit kleinem Budget und jungen Spielern ­mithalten konnten. Marijan UrtiĆ, haben Sie sich nach all den Niederlagen ans ­Verlieren gewöhnt? Nein, jede Niederlage ist eine zu viel. Wer sich daran gewöhnt, hat im Leben verloren. Im Fussball oder generell im Leben muss es das Ziel sein, eine Reaktion zu zeigen. An sich arbeiten zu wollen, sich zu verbessern, um beim nĂ€chsten Mal zu gewinnen. Das Tattoo von Stan Wawrinka bringt es auf den Punkt.

Der Lausanner Tennisprofi Stan Wawrinka trĂ€gt den Übernamen «Marathon-Stan», weil er in seiner Karriere oft ĂŒber fĂŒnf, sechs Stunden lang bis zur Erschöpfung spielen musste, um zu gewinnen. 2013 verlor er innerhalb von 15 Tagen drei MarathonMatches und brach in TrĂ€nen aus. Kurz darauf liess er sich folgende Zeilen auf den Unterarm tĂ€towieren: «Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Versuch es wieder. Scheitere wieder. Scheitere besser.» Mit dieser ­Einstellung gewann er ein Jahr spĂ€ter eines der prestigetrĂ€ch-

tigsten Tennisturniere der Welt: die Australian Open. Der SC Kriens ist selten chancenlos. Oft verlieren Sie nur mit ein, zwei Toren Unterschied. Macht das die Niederlagen schlimmer? Ja, das tut richtig weh . Wir sind oft nahe dran, können uns dann aber doch nicht belohnen. Wie gehen Sie mit diesen RĂŒckschlĂ€gen um? Ich zerbreche mir stundenlang den Kopf. Was hĂ€tte ich besser machen sollen? Wie hĂ€tte ich meinen Mitspielern helfen können? Was hĂ€tte ich sagen mĂŒssen? Nach Spielen

«Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better», das Zitat des irischen Autors Samuel Blackett auf Stan Wawrinkas Unterarm

Marijan Urtić hĂ€lt den Kopf hoch, auch wenn sich in der aktuellen ­Saison Niederlage an Niederlage reiht.


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