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1905 in der Speicherstadt

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Umwelt und Natur

Umwelt und Natur

Das Amtsgericht

Aus dem Amtsgericht Lack ab?

Bei der Dichte an betagten Autofahrer im Hamburger Westen war es nur eine Frage der Zeit, bis ein entsprechender Fall vor dem Blankeneser Amtsgericht und damit im KLÖNSCHNACK landet. Nein, es geht nicht um ein Auto, das in einem Schaufenster der Waitzstraße „parkte“. Erika H. (Name geändert), Jahrgang 1929, wird vorgeworfen, Fahrerflucht begangen zu haben, obwohl sich ihre Fahrertür beim Abbiegen geöffnet und ein auf der Gegenfahrbahn vor der Ampel stehendes Auto beschädigte habe. Sie beteuert, keinen Unfall verursacht zu haben –„Das hätte ich ja wohl gemerkt!“ Aus Sicht der beiden Zeugen, der Fahrerin des geschädigten Fahrzeugs und des Fahrers des ebenfalls an die Ampel heranfahrenden Autos, klingt das ganz anders: Beide Aussagen sind vollkommen glaubwürdig und stimmen darin überein, dass nur der Kleinwagen der rüstigen 92Jährigen um die Ecke kam und das Auto der Zeugin touchierte. „Vielleicht haben Sie es nicht bemerkt, dass Ihre Tür nicht richtig geschlossen war?“, wendet sich die Richterin an die Angeklagte. Die ist empört: „Wie soll ich etwas bemerken, dass gar nicht stattgefunden hat?“ Die Sitzung wird für ein Rechtsgespräch zwischen Richterin, Staatsanwalt und Verteidiger zur Klärung des weiteren Vorgehens unterbrochen. Ist es fehlende Einsicht, möglicherweise einen Fehler gemacht zu haben, welche die Angeklagte auf ihrer Aussage beharren lässt? Wieso wird nicht danach gefragt, ob an ihrem Auto auch Lackschäden sind? Macht man sich bei einer Dame dieses Alters nicht mehr die Mühe, den Vorgang tiefer zu durchdringen? Wie dem auch sei, die Sitzung endet mit einer vorläufigen Entscheidung: Da Erika H. offensichtlich nichts wahrgenommen hat, kann ihr kein Vorsatz, also keine Fahrerflucht vorgeworfen werden. Allerdings hat die Richterin genau deshalb Bedenken bezüglich ihrer Fahrfähigkeit. Wenn sie ihren Führerschein abgeben würde, wird das Verfahren ohne Urteil eingestellt. Wenn sie dazu nicht bereit ist, muss ein medizinischer Gutachter über ihre Gesundheit und Fahrfähigkeit befinden. Falls dieser der Ansicht ist, dass sie kein Fahrzeug mehr führen kann, wird es womöglich nicht mehr zu einer Einstellung des Verfahrens kommen können. Es wäre dann zwar nicht Fahrerflucht, aber „Fahrzeugführen trotz körperlicher Gebrechen“, also dem bewussten in Kauf nehmen, die Verkehrssicherheit zu gefährden. Erika H. bekommt nun drei Wochen Bedenkzeit. Man darf gespannt sein, wie die Entscheidung ausfällt. Die Kommunikation mit der flotten Angeklagten ist zwar aufgrund ihres „altersgerechten“ Hörvermögens etwas mühsam, aber ansonsten ist bei ihr noch lange nicht der Lack ab.

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THEMA: Genialer Udo oder penetranter Udo?

Tim Holzhäuser schreibt hier seine monatliche Glosse

nachzugehen, weil zu viele Reporter im Weg standen. Der Hype nährt sich irgendwann von selbst. Das ständige Herumgeistern in den Medien erzeugt die Illusion von Bedeutung, die dann wiederum zu weiterem Herumgeistern in den Medien führt. Wer erst mal so weit gekommen ist und dann stillhält – wichtig! – wird Ehrenbürger. Man hätte das Outfit (Hut und Sonnenbrille) im Laufe der letzten 135 Jahre mal ändern können – ist ja stinklangweilig, sich dauernd so im Spiegel zu betrachten. Aber genau dann wäre die Omnipräsenz zu Ende gewesen. Viel zu Lachen gab’s im Mai nicht, aber dann wurde Udo Lindenberg Ich glaube daher keine Sekunde daran, dass die Entscheidung im Hamburger Rathaus irgend etwas zu tun hat Hamburger Ehrenbürger. mit Leistung oder Verdiens-

Persönlich sehe ich in Lin- ten. Es ist die ewige Suche denberg einen mittelprächti- nach Popularität. Ein Lokalgen Musiker mit Hut. Das politiker, der noch bei klarem auszusprechen rangiert in Verstand ist, wird sich ausHamburg irgendwo zwischen rechnen, bei welcher ErnenBrandstiftung und Geldfäl- nung er den lautesten Apschung. Aber die Entschei- plaus bekommt. Es gibt eine dung der Lokalpolitik regt große Anzahl von Menschen, zum Nachdenken an. Viel- die sich seit Jahrzehnten mit leicht liege ich ja falsch. Die Einsatz und Flexibilität um großen Erfolge Lindenbergs das Wohl dieser Stadt kümkann niemand bestreiten. Sie haben Die großen mern. Deren Tätigkeit verbietet ihgefühlt im späten Erfolge Udo nen, das gleiche 18. Jahrhundert den Zuhörern das Dasein versüßt. Die neueren MeriLindenbergs kann niemand bestreiten ... Theaterstück immer wieder und wieder aufzuführen, da fehlt die ten sind im Be- Penetranz und erreich Wohnen im Hotel ange- go die Ehrenbürgerschaft. siedelt, Malen mit Likör und Daher entschuldige ich andererseits Schrifststeller mich jetzt vorab bei Herrn vom Saufen abhalten. Spon- Lindenberg für diese Glosse, tan fallen mir ein halbes Dut- beschließe sie aber quasi zend Leute mit dieser Band- zwangweise mit dem Fazit: breite ein, die von einer Die Entscheidung ist ein Witz Ehrenbürgerschaft weit ent- – der aber präzise illustriert, fernt sind. Aber woran liegt welche Bedeutung der Titel es nun, dass Lindenberg eine wirklich hat. so herausragende Stellung Wer jetzt gegenhalten will, einnehmen konnte? dem seien folgende Argumen-

These für diesen Monat: Es te empfohlen, die auch immer gibt den schönen Spruch und immer wieder ohne jede „Entweder genial oder pene- Variation kommen. trant“, und der dürfte hier - Nur neidisch. zutreffen. Es gibt eben diese - Typisch deutsch. Menschen, die in Hamburg - Geh doch nach gleich einer Zwangshandlung drüben/nach Berlin! immer und immer wieder auf - Viele Menschen können die Titelseite befördert wer- nicht irren. (Mein persönliden. Originale wie Aale-Die- cher Favorit, da wird der Irrter hatten zeitweise Schwie- sinn gedanklich zum Taurigkeiten, ihrer Arbeit sendfüßler.)

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