KOLUMNE
Zurück in die Zukunft „Tracing“ ist im Krisenfall essenziell. In der Supply Chain bietet die Rückverfolgung zudem Chancen für Nachhaltigkeit, eine noch höhere Produktqualität und innovative Wertversprechen für Kunden. Gastkommentar von Maria Madlberger, Universitätsprofessorin an der Webster Vienna Private University
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eit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie ist das Thema Rückverfolgung – Stichwort „Contact Tracing“ – in aller Munde. Und spätestens dann, wenn das besagte Contact Tracing, das von viel manueller Arbeit geprägt ist, an seine Grenzen stößt, wird die enorme Wichtigkeit einer lückenlosen und skalierbaren Rückverfolgung deutlich. Das Prinzip beruht auf der zielgerichteten Intervention aufgrund genauer Kenntnis von Vorgängen und UrsacheWirkungs-Ketten, das gilt in der Pandemiebekämpfung gleichermaßen wie in der Supply Chain. Gerade im Krisenfall ist eine Rückverfolgung die effizienteste und oft einzige Möglichkeit, das Auftreten eines Problems mit minimalen Kollateralschäden zu beheben, indem die betroffenen Fälle identifiziert und von den nicht betroffenen Fällen getrennt werden. In der Supply Chain bedeutet dies, dass eine lückenlose Rückverfolgung die Produktsicherheit über alle Stufen der Lieferkette gewährleisten kann. Im Fall eines Produktrückrufs können betroffene Chargen rasch identifiziert und aus der Lieferkette entnommen werden. Das ist seit Jahren auch gesetzlich verankert. Voraussetzung dafür ist eine lückenlose elektronische Informationskette, die an jedem Punkt der Supply Chain genau dokumentiert, welche Charge zu welchem Zeitpunkt an welchen Ort geliefert wurde. Je genauer diese Informationen vor-
liegen, desto punktgenauer kann die Rückverfolgung passieren. Und das führt zu einer Reihe von interessanten Potenzialen zur Kostensenkung und Steigerung der Nachhaltigkeit.
Rückverfolgung bietet den Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit, noch höherer Produktqualität und einer Vielzahl an Differenzierungsmöglichkeiten mit hohem Spannenpotenzial für Handel und Indus trie gleichzeitig. Wie das funktionieren kann? Die vor einigen Jahren durchgeführte Studie „Integration des GS1 Transportetiketts mit der DESADV“, kostenlos erhältlich unter www.gs1.at/broschuere_desadv, hat gezeigt, dass bei Produktrückrufen oft mehrere Chargen anhand des Mindesthaltbarkeitsdatums zurückgeholt werden, weil die genaue Chargeninformation nicht immer geteilt wird. Dadurch werden allerdings auch einwandfreie Produkte zurückgeholt und entsorgt, was eine unnötige Verschwendung von Ressourcen, Energie, Arbeitskraft und Geld bedeutet. Es gibt aber auch erfreuliche Anwendungsmöglichkeiten der Rückverfolgung. So zeigte die Studie, dass Unter-
nehmen eine Rückverfolgung mittels GS1 Standards für die betriebsinterne Qualitätssicherung einsetzen können, die weit über gesetzliche Vorgaben hinausgeht. Ein weiteres Potenzial betrifft die Transparenz gegenüber den Konsumenten. Genaue Kenntnis über Herkunft, Herstellungsmethoden oder Zusammensetzung von Inhaltsstoffen ist längst zu einem Wertversprechen geworden, das immer mehr Endverbraucher einfordern und für das viele bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen. Ob für den Mercosur-Gegner, der Produkte aus heimischer Landwirtschaft bevorzugt, den Umweltbewussten, der nachhaltige Fischfangmethoden fördern will, den sozial Verantwortlichen, der sichergehen will, dass in gekauften Produkten keine Kinderarbeit steckt, oder den Veganer, der wissen will, ob alle Inhaltsstoffe wirklich vegan sind – Rückverfolgung bietet heute, und noch viel mehr in Zukunft, den Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit, noch höherer Produktqualität und einer Vielzahl an Differenzierungsmöglichkeiten mit hohem Spannenpotenzial für Handel und Industrie gleichermaßen. Und die digitale Vernetzung der Konsumenten macht diese Tracing-Informationen auch leicht und in Echtzeit darstell- und kommunizierbar. Immer vorausgesetzt, der Datenfluss ist lückenlos vorhanden, was breit akzeptierte Standards für Stammund Bewegungsdaten, wie GTIN und DESADV, gewährleisten können.
Dieser Artikel spiegelt die persönliche Meinung der Autorin wider und deckt sich nicht unbedingt mit der Meinung des Herausgebers des Magazins.
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