eco.nova SPEZIAL Innovation 2021

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DIE WISSENSCHAFT ÜBER DIE WISSENSCHAFT Bereits seit 2014 forschen Wissenschaftler an der Universität Innsbruck intensiv im Bereich Metascience, deren Ziel es ist, den Prozess der Wissensgenerierung besser nachvollziehen zu können und ihn zugleich transparenter und offener zu gestalten – kurzum: Wissen robuster zu machen. INTERVIEW: MARINA BERNARDI

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ichael Kirchler ist einer mehrerer Forscher, die sich an der Universität Innsbruck eingehend mit dem Thema Metascience auseinandersetzen. Warum es das überhaupt braucht, darüber – und über anderes – haben wir mit ihm gesprochen.

Metascience ist quasi die Wissenschaft der Wissenschaft. Warum beschäftigt sich die Wissenschaft mit sich selbst? M I C H A E L K I R C H L E R : Im Prinzip handelt es sich dabei um eine Art der Qualitätssicherung. Wissenschaft und Forschung sind nichts, das irgendwann abgeschlossen ist, sondern ein sich laufend verbessernder Prozess. Die technischen Möglichkeiten entwickeln sich weiter oder der Zugang zu Proband*innen wird breiter. Somit verändern sich die wissenschaftlichen Methoden. Letztlich geht es darum, sich ständig selbst zu hinterfragen, sich weiterzuentwickeln und entsprechende Lehren aus diesen Entwicklungen zu ziehen. E C O. N OVA :

Forschung und Wissenschaft sind also nie absolut? Im Bereich der Naturwissenschaften gibt es durchaus wissenschaftlich fundierte und wohl auch unumstößliche Fakten, die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, also der Bereich, in dem ich mich bewege, sind stets eine Momentaufnahme. Es kann vorkommen, dass Ergebnisse, die mit dem heutigen Wissens- und Technikstand erzeugt wurden, in zehn Jahren angepasst werden müssen, weil man neue, modernere Methoden entwickelt

„W I S S E N S C H A F T U N D F O R S C H U N G S I N D N I C H T S , D A S I R G E N D WA N N A B G E S C H L O S S E N I S T, S O N D E R N E I N S I C H L A U F E N D V E R B E S S E R N D E R P R O Z E S S .“ MICHAEL KIRCHLER

hat. Metascience spielt in diesem Veränderungs- und Verbesserungsprozess eine wesentliche Rolle, weil sie den Prozess der Wissensgenerierung kritisch hinterfragt.

Es geht dabei auch darum, Methoden transparenter und offener zu gestalten. Führt mehr Transparenz zu anderen Ergebnissen? Vor allem erwartet man sich robustere Ergebnisse. Es geht darum, Ergebnisse breiter aufzustellen, nicht nur zwei oder drei Studien heranzuziehen, sondern 40 oder 50, Probandengruppen weiter zu fassen. Arbeitet man mit sehr kleinen Stichproben, kann es zu weit größeren Differenzen und Zufallsergebnissen kommen. Bei Stichproben mit einer großen Anzahl an Teilnehmer*innen glätten sich diese Zufälle heraus, die getroffenen Aussagen sind gesicherter. Sie haben im vergangenen Jahr gemeinsam mit Kolleg*innen aus Stanford, Tel Aviv und Stockholm ökonomische

Experimente in einem MRT-Scanner durchgeführt. Die Daten haben Sie zur Auswertung an 70 internationale Forschungsteams weitergegeben, die unabhängig voneinander die Auswertung derselben Daten durchführten. Und zu unterschiedlichsten Schlüssen kamen. Nun lässt sich schwer sagen, wer davon und ob überhaupt jemand falsch liegt. Was aber sagt das über die Sicherheit von Studienergebnissen generell aus? In der Regel gibt es eine Forschungsfrage, die von einem Team bearbeitet wird. Vor allem im Bereich der Neurowissenschaften ist das mitunter schwierig, weil es sich um teilweise sehr komplexe Ausführungen handelt. Das Team entscheidet sich also für einen Analysepfad und erhält am Ende ein Ergebnis. Arbeiten mehrere Forscher an derselben Frage, steht am Ende als Durchschnitt all dieser Einschätzungen ein wesentlich besseres, fundierteres und klareres Bild und damit ein weitaus robusteres Ergebnis. Vielleicht mag es unter


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