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ein Blick aus dem Fenster seiner Wohnung im Seniorenheim Georgianum schweift täglich zur Dreiherrenspitze, für Pfarrer Markus Küer der schönste Gipfel. Die Regale an der Wand sind voll von Mineralien, die er selbst gesammelt hat. Hier genießt der 89-Jährige seinen Lebensabend.
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Herr Pfarrer Küer, die Berge bedeuten Ihnen sehr viel? Ja, das Wandern und Bergsteigen bereitet mir große Freude, ein wunderbares Gefühl. Auf Gipfeln zelebrierte ich auch viele Bergmessen, sogar auf dem Zwölfer in Sexten. Zum Klettern kam ich durch den bekannten Kletterer Hans Frisch aus Bruneck. Er führte mich in die Klettertechnik ein und nahm mich zu zahlreichen Touren mit in die Dolomiten. Ich kletterte bis zum 5. Schwierigkeitsgrad, meine gefährlichste Tour war eine Route an der Kleinen Zinne, dort überraschte uns ein schlimmes Gewitter! Oftmals rückten wir noch zu Mittag aus, nachdem ich den Religionsunterricht in der Schule beendet hatte. Zum Wolfeskofel, zum Fadenstöckl und Kreuzkofel im Ahrntal steige ich jährlich. Viele Dreitausendergipfel am Zillertaler Hauptkamm habe ich betreten: Schwarzenstein, Großer Löffler, Möseler, Weißzint, Hochfeiler usw. Mein letzter Dreitausender war im Jahr 2009 die Besteigung des Ahrner Kopfs in Prettau. Die Gletscher sind heute leider nicht
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bens ¬- im Sinne des Wortes. Und jeder Schritt dorthin hat mich im Glauben bestärkt, in meinem Amt als Priester.
Markus Küer
Pfarrer aus St. Johann / Ahrn „Ein Weg zu Gott führt über die Berge.“
mehr so schön, wie ich sie noch erleben durfte, der Klimawandel macht sich mit dem Abschmelzen des Eises drastisch bemerkbar. Was bedeutet es für Sie, auf einem Gipfel zu stehen? Wenn du auf einem Gipfel stehst, ist dies ein riesiges Erlebnis, auch ein religiöses Erlebnis. Du spürst Gott noch intensiver, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Das Erlebnis auf einem Berg hilft einem, den Glauben an Gott zu bestärken und den Schöpfer dieser wunderbaren Natur zu verehren.
Und dankbar zu sein, es bis auf einen Gipfel geschafft zu haben. Letztlich ist der Berg eine Möglichkeit, ein Weg zur Schönheit, zur Größe, zur Macht unseres Gottes, an den wir glauben und den ich zu verkünden habe. Sie sammeln auch gerne Mineralien? Der damalige Pfarrer von St. Peter lud mich zur ersten Sammeltour ein, seitdem ließ mich die Leidenschaft nicht mehr los. Ich bin auch Mitglied des Vereins Ahrntoula Stoanesüicha im Verband der Südtiroler Mineraliensammler. Bereits der Aufbruch zu einer Sammeltour bereitet mir große Freude, wenn man obendrein noch schöne Kristalle entdeckt, ist sie natürlich umso größer. Aber auch, wenn ich mit leerem Rucksack heimkomme, war es immer ein tiefes Erlebnis, an das ich mich gerne erinnere. Es kommt also nicht unbedingt auf den Fund an sich an. Meinen schönsten Bergkristall fand ich in der Nähe der Alm meines Schwagers im Gebiet Neves in Lappach. Die Steine, die Berge, erinnern mich an die Höhepunkte meines Le-
Wie kamen Sie zu Ihrer Berufung als Priester? Ich bin mit sechs Geschwistern auf einem Hof in Lappach aufgewachsen. Meine Eltern waren tiefgläubig. Da ich ein guter Schüler war, war mein Weg ins Vinzentinum in Brixen und anschließend ins Priesterseminar für die damalige Zeit vorgezeichnet. Mutters Wunsch, dass ich Priester wurde, ging somit in Erfüllung, mein Vater hingegen freundete sich mit dieser Entscheidung nicht ganz so leicht an, ich war nämlich der einzige Sohn und sollte den elterlichen Hof übernehmen. Den Bauernhof hat dann meine jüngste Schwester übernommen. Das Priesteramt empfinde ich bis heute als ein Geschenk und eine Gnade, die von oben kommt, als eine Auszeichnung und eine Berufung. Im Jahr 1960 wirkte ich erstmals als Kooperator in Terenten und aushilfsweise in Mauls, dann in Bruneck und in Bozen. 1973 wurde ich Pfarrer in Sexten. Seit 1989 bin ich Pfarrer im Ahrntal. 20 Jahre lang habe ich auch als Präsident das Georgianum geleitet und versucht, den Heimbewohnern einen guten Beistand zu geben. Heute noch zelebriere ich im Georgianum die hl. Messe. Zeitlebens wichtig war mir immer, den Kindern im Religionsunterricht die Grundlage des Glaubens zu vermitteln, damit sie sich später als Jugendliche und Erwachsene im Leben leichter tun. Gibt es Wünsche? Für die nächsten Jahre wünsche ich mir, dass ich noch ein bisschen bergsteigen kann, es braucht ja kein Dreitausender mehr zu sein. Wenn Bergsteiger auf einem Gipfel stehen und ihnen der Gedanke kommt, dass ihr alter Pfarrer auch schon hier oben gestanden hat – vielleicht hilft ihnen dieser Gedanke auf ihrer Wegsuche zu Gott. Ich wünsche es mir. Wenn sie meinen Spuren folgen. (IB)