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Nr. 47 | Donnerstag, 25. November 2021

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AU F E I N WO R T M I T . . . C L AU D I A DA H I N D E N , S C H R I F TST E L L E R I N D i e G re n c h n e r-S t a d t-A nze i g e r-S e r i e

Claudia Dahinden: «Ich habe Lust und Freude am Schreiben bekommen.» JOSEPH WEIBEL

Le maĂźtre, habe ich im Welschen gelernt, steht fĂŒr Lehrer. Also muss im «Maison MaĂźtre» an der DĂ€hlenstrasse in Grenchen ein Lehrer gewohnt haben. Das Haus wurde 1937 erbaut und ging 2010 in den Besitz einer Grenchnerin ĂŒber, die Mitte Dezember ihr Erstlingswerk veröffentlicht – einen Roman, der in der Zeit des 19. Jahrhunderts spielt, als sich Grenchen immer mehr zu einem Uhrenzentrum entwickelte. Der Name der Autorin: Claudia Dahinden. Das «Maison MaĂźtre» hat sie 2010 zusammen mit ihrem Mann erworben und zu einem gemĂŒtlichen Daheim umbauen lassen. Dieser Umzug bedeutete auch eine Heimkehr nach Grenchen. Sie lebte lĂ€ngere Zeit mit ihrem Mann, mit dem sie sich 2008 verheiratete, in der NĂ€he von Bern. Heute, elf Jahre spĂ€ter, erinnert sie sich an diese «Heimkehr», als wĂ€re es gestern gewesen. «Es kam mir damals vor, als wĂ€re ich nie aus Grenchen weggezogen.» Auch als sie zeitweise in Freiburg sesshaft war, wo sie Geschichte studierte, oder dann spĂ€ter in Bern: Grenchen war im Herzen ihre Heimat geblieben. Auch wenn sie damals nicht wusste, ob sie wieder einmal zurĂŒckkehren wĂŒrde. In dieser Heimat lebte ihr Vater, Bruno Meier, der seine beiden Töchter liebte und mit ihnen einen engen Kontakt pflegte. «Wahrscheinlich hĂ€tte er sich gewĂŒnscht, dass wir uns politisch etwas mehr engagieren», schmunzelt Claudia Dahinden. Er, Bruno Meier, war ein Sozialdemokrat und lebte ausgeprĂ€gt seine

«Das Handwerk des Uhrmachers hat mich immer fasziniert!» soziale Ader. Als sie in Freiburg studiert hatte, dann auch noch einen Mann aus dem Entlebuch kennen lernte und ihr die Politik zudem wenig anheim war, fand ihr Vater, sie habe doch ein paar «schwarze ZĂŒge», politisch gemeint. «Das war kein Vorwurf, mehr eine Feststellung von ihm. Er war halt schon sehr engagiert.»

Es bleibt vieles haften

Und wie. Zeit seines Lebens stellte sich Bruno Meier, noch besser bekannt unter seinem Pfadinamen «Knorrli», in den Dienst der Gesellschaft. 2019 rĂŒckte er «seine» Stadt in der SRF-Unterhaltungssendung «Mini Schwiiz, dini Schwiiz» ins beste Licht. Er war viele Jahre im Gemeinderat und im Kantonsrat, engagierte sich entscheidend fĂŒr ein Jugendzentrum und baute wĂ€hrend ĂŒber zehn Jahren zusammen mit seiner Frau den Ferienpass auf. Claudia Dahinden erzĂ€hlt viele solche Episoden aus dem Leben ihres Vaters, der letzten FrĂŒhling verstarb. «Auch wenn wir wahrscheinlich nicht in allen Belangen in seine Fussstapfen getreten sind, so bleibt vieles haften und ist prĂ€gend.» Claudia Dahinden schlĂ€gt in unserem GesprĂ€ch gerne im-

mer wieder einen Bogen zu ihren Eltern. Die verschiedenen Bilder, die an der Wand hĂ€ngen oder auf einer Ablage stehen, verstĂ€rken diese starke Verbundenheit. Sie zeigt mit dem Finger Richtung Westen. «Im Lingeriz sind wir aufgewachsen. Unsere Eltern haben ĂŒber 30 Jahre lang dort gelebt.» Ihre Mutter verstarb frĂŒh, 2004 mit erst 55 Jahren. Es sind einschneidende Ereignisse im Leben, die einen Menschen prĂ€gen und stark machen können. Claudia Dahinden jedenfalls wusste, was sie wollte. Sie entschied sich nach der Kanti fĂŒr ein Geschichtsstudium an der UniversitĂ€t. Und anscheinend war es ihr Geschichtsprofessor, der Solothurner Urs Altermatt, der bei ihr die nötige Begeisterung auslöste fĂŒr das Interesse an der Kultur- und Zeitgeschichte. Ihr beruflicher Weg fĂŒhrte sie dann zuerst in eine Richtung,, die möglicherweise ihr Vater auch eher mit einem schrĂ€gen Blick verfolgte. Sie arbeitete beim VBS, beim Chef Heer. Das sei eine sehr interessante und lehrreiche Zeit gewesen. Eine Lebensschule.

Wie alles begann

Dann kam bekanntlich dieses Jahr 2010 und der Umzug nach Grenchen. Sie arbeitete kurze Zeit in einer Anwaltskanzlei, dann traf sie wieder auf ihren ehemaligen Professor. Sie durfte ihm bei der Realisierung der Neuedition des Bundesratslexikons assistieren und hatte irgendwann den Drang, ihre Gedanken selbst aufs Papier zu bringen. Man schreibt fĂŒr sich, seinen nĂ€heren Zirkel oder fĂŒr die Menschheit. So kamen viele geschriebene Seiten zusammen, die sich als gesammeltes Werk zu einem Lebensratgeber entwickelte. Das Buch gab sie im Eigenverlag heraus, und es machte Lust auf mehr. Sie wollte einen Roman schreiben und stellte erste Plotgedanken an einem Weiterbildungsseminar in Deutschland vor. Eine Agentur stieg ein und half ihr bei der Suche nach einem Verlag. In ihren Gedanken begann sich die Geschichte zu verflechten. Als Geschichtsstudentin hatte sie sich auch mit der Entwicklung des einstigen Bauerndorfes Grenchen zur Uhrenstadt intensiver befasst – und mit dem Konfessionskrieg, der mit der Industrialisierung einhergegangen war. Der Zeitraum war fĂŒr sie als Historikerin gegeben. Nun brauchte es noch eine Romanfigur – die Fiktion. Sie entwickelte die Romanfigur Sarah Siegwart, die bei einer angesehenen Familie die Stelle als Hauslehrerin annimmt, dem erwachsenen Sohn des Hausherrn nĂ€herkommt und sich zunehmend fĂŒr die Uhrmacherei begeistert. Die Autorin rĂŒhrte auch noch etwas Kriminalistik in die Handlung. Und so begann sie zu recherchieren – in der Zentralbibliothek und im Zeitzentrum in Grenchen. Sie vertiefte sich in diese Epoche, die so viel ausgelöst und das Schicksal der Stadt so geprĂ€gt hat. Sie liess sich auch durch ihre eigene His-

torie inspirieren. Vor 40 Jahren war es normal, dass Frauen Heimarbeit leisteten. Das war auch bei ihrer Grossmutter, der Mutter ihrer eigenen Mutter, der Fall. Sie selbst sei auch in Kontakt mit der Uhrenindustrie gekommen, erzÀhlt Claudia Dahinden, indem sie mit Ferienjobs ein Zugeld verdiente. Und sie erinnert sich an ihre erste Swatch und sagt: «Das Handwerk des Uhrenmachers hat mich immer fasziniert.» Und deshalb findet sie sich vielleicht auch wieder in der von ihr entwickelten Romanfigur Sarah Siegwart.

> STECKBRIEF Vorname/Name: Claudia Dahinden Wohnort: Grenchen Geburtsdatum: 22. 1. 1971 Zivilstand: Verheiratet Beruf: Publizistin und Schriftstellerin

> F Ü N F F RAG E N Meine Lieblingsdestinationen: Irland – seit 30 Jahren mein Favorit! Lieblingsspeise: Spaghetti Napoli, das könnte ich jeden Tag essen. Aufsteller der Woche: Mein semi-selbstgemachter Adventskranz! Worauf kann ich nicht verzichten: Zwei Tassen schwarzen Kafi am Morgen Ich wĂŒrde nie: Parmesan auf meine Spaghetti Napoli streuen (nur Greyerzer!)

Nachfolge-Roman schon im Lektorat

Sie hat sich Zeit gelassen fĂŒr das Schreiben ihres ersten «richtigen» Buches – und sie hat mit dem deutschen Penguin Verlag einen Herausgeber fĂŒr dieses Erstlingswerk gefunden. Es trĂ€gt den Titel «Die Uhrmacherin – im Sturm der Zeit». Am 13. Dezember dieses Jahres wird es an einer Vernissage vorgestellt. Und wĂ€hrend die ersten Leserinnen und Leser in diesem Grenchner Roman schmökern, ist bereits ein Nachfolgewerk in der ersten Überarbeitung. Sie beantwortet die noch nicht gestellte Frage: «Ja, ich habe Lust und Freude am Schreiben bekommen.» Das Schreiben nimmt einen wichtigen Stellenwert in ihrem heutigen Alltag ein. Aber nicht nur. Sie ist religiös und engagiert sich in ihrer Kirche in der Kirchenleitung, mit Singen und Musizieren (Gitarre). Die engen Familienbande lebt sie heute mit ihrer jĂŒngeren Schwester, die mit ihrem Mann und vier Kindern im Aargauischen lebt, und mit den noch lebenden Geschwistern ihres Vaters, die mit ihren Familien in Grenchen leben. Hier pflanze auch einer die politischen Wurzeln ihres Vaters weiter: ihr Cousin Matthias Meier-Moreno. Und auch er, schmunzelt sie, wandle auf «schwarzen» Pfaden, parteipolitisch gesehen. Was gibt es sonst noch im Leben der schreibenden Claudia Dahinden? Sie schmunzelt: Nichts SpektakulĂ€res. Was ich hören wolle? Sport? Ja, ein bisschen. Sie habe eine Zeit lang Tennis gespielt. Heute geht mit sie mit den Stöcken walken. Und sonst? Schaut sie gerne Filme im Netflix und natĂŒrlich: lese sie gerne. Mehr braucht es nicht. Und wenn das alles nicht hilft, steigt sie einfach eine Etage höher und bringt in der Schreibstube ihre neusten Gedanken aufs Papier. Die Vernissage im Kulturhistorischen Museum am 13. 12. um 19.00 ist öffentlich. Anmeldung: info@museumgrenchen.ch

laudia on dem C rtrĂ€t v , n e it e Z ist: im Po s frĂŒheren Ein Bild au önlich sehr angetan ier (+). Bild: zvg Me pers Dahinden ihrem Vater Bruno mit

Die ganz spezielle Wahl in Bettlach Noch vor knapp zehn Jahren hĂ€tte sich der Bettlacher Markus Ulrich wohl kaum vorstellen können, dass er Gemeindeparlamentarier wird, und dazu noch GemeindevizeprĂ€sident. Nichts ist unmöglich, kennen wir aus der Werbung – aber auch in der RealitĂ€t wird dieser Spruch immer wieder Tatsache. JOSEPH WEIBEL

So richtig politisch aktiv war er vorher nicht. Und hĂ€tte ihn eine andere bĂŒrgerliche Partei gefragt, er hĂ€tte wohl ebenso zugesagt, wie letztlich bei Enrico Sansoni, der damals PrĂ€sident war der CVP Bettlach. «Er suchte nach Kandidierenden fĂŒr den Gemeinderat», erinnert sich

Markus Ulrich. Das war 2013. FĂŒr einen Sitz im Rat reichte es nicht. Er war «nur» Ersatz. Er stellte sich dann als Mitglied fĂŒr die Planungs-, Umwelt- und Energiekommission zur VerfĂŒgung und zeigte damit, dass es ihm ernst war. Nach drei Jahren schied Thomas Steiner aus dem Gemeinderat und Markus Ulrich rutschte nach. «Bisherige» werden eher gewĂ€hlt, denkt man sich. Das funktioniert immer noch, aber Sitzverluste haben bei dieser Rechnung keinen Platz. Die CVP Bettlach verlor im Wahljahr 2017 einen Sitz und damit auch den nachgerutschten Neopolitiker Ulrich. 2019 trat Enrico Sansoni aus dem Rat zurĂŒck und Ulrich rutschte erneut nach. Diesen FrĂŒhling hat es dann funktioniert: Markus Ulrich

wurde als «Bisheriger» wieder gewĂ€hlt. – Und noch mehr! Die Geschichte hat eine spannende Fortsetzung. Der bisherige GemeindevizeprĂ€sident Joel Musilier von der SP wurde ĂŒberraschend abgewĂ€hlt. Bettlach brauchte einen neuen Vize. PrĂ€destiniert dafĂŒr wĂ€re Matthias Stricker, SPGemeinde- und Kantonsrat, ausserdem oberster Lehrer im Kanton. «FĂŒr mich war klar, dass Stricker nachrĂŒcken wĂŒrde», sagt Markus Ulrich und deshalb habe er gegenĂŒber der SVP kundgetan, dass er keine Ambitionen hĂ€tte auf das Amt. SVP-Mann Patrick Gfeller machte daraufhin seine Kandidatur bekannt. SPMann Stricker hatte keine Ambitionen auf das Amt. Das wiederum veranlasste

Markus Ulrich: Das Los entschied zu seinen Gunsten. Bild: Joseph Weibel

die CVP, mit einem Kandidaten dem wĂ€hlenden Gemeinderat eine Auswahl zu bieten. Und so kam CVP-Politiker Ulrich ins Spiel, was letztlich zu einer Kampfwahl fĂŒhrte. Im ersten Wahlgang

erreichte keiner der beiden das absolute Mehr (5:4 zugunsten von Markus Ulrich bei zwei Enthaltungen). Im zweiten Wahlgang kam es zur Pattsituation: 5:5. Das kantonale Gemeindegesetz schreibt fĂŒr diesen Fall einen Entscheid durch das Los vor. Markus Ulrich, ganz Gentleman, ĂŒberliess seinem Kontrahenten Patrick Gfeller den Vorrang. Er zog das «schlechte Los» mit der Aufschrift: «Nicht gewĂ€hlt.» Beruflich ist Markus Ulrich gelernter Schreiner. Seit 27 Jahren ist er im KĂŒchenbau und -umbau tĂ€tig – vor allem im Verkauf. Seit acht Jahren fĂŒhrt Markus Ulrich die Hugi-KĂŒchen AG, die heute in Bettlach an der Bielstrasse angesiedelt ist.


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